Geflüchteter aus Syrien wird Bürgermeister in Ostelsheim

    Schwäbische Gemeinde Ostelsheim:Geflüchteter aus Syrien wird Bürgermeister

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    Der Ort Ostelsheim in Baden-Württemberg hat einen neuen Bürgermeister: Der 29-jährige Ryyan Alshebl, der 2015 aus Syrien floh, setzte sich mit einer absoluten Mehrheit durch.

    Ryyan Alshebl (Bündnis 90/Die Grünen) sitzt in Ostelsheim auf einer Bank
    Ryyan Alshebl flüchtete 2015 aus Syrien. Jetzt ist er Bürgermeister von Ostelsheim. (Archivbild)
    Quelle: dpa

    2015 floh er aus Syrien, nun wird er Bürgermeister im baden-württembergischen Ostelsheim: Das schwäbische Dorf hat Ryyan Alshebl am Sonntag mit einer absoluten Mehrheit von 55,41 Prozent der Stimmen zum neuen Rathauschef gewählt. Der gebürtige Syrer kommentierte die Wahl mit den Worten:

    Ostelsheim hat heute ein Zeichen der Toleranz und der Weltoffenheit für ganz Deutschland gesetzt.

    Ryyan Alshebl

    "Das ist im konservativ geprägten, ländlichen Raum nicht selbstverständlich", erklärte Alshebl. Mit der Wahl habe die 2.500-Einwohner-Gemeinde das Gegenteil bewiesen.
    Der 29-Jährige ist wohl der erste syrische Bürgermeister im Südwesten Deutschlands. Laut Gemeindetag Baden-Württemberg gab es bisher keinen weiteren Bewerber mit syrischen Wurzeln um ein Bürgermeisteramt. Bei der Wahl am Sonntag setzte sich Alshebl gegen die parteilosen Kandidaten Marco Strauß und Mathias Fey durch. Alshebl selbst war als parteiunabhängig angetreten. Privat sei er aber Mitglied bei den Grünen, sagte er.
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    Alshebl will sich für Klimaschutz stark machen

    Der 29-Jährige hat viele Pläne für die schwäbische Gemeinde. So will sich Alshebl für Klimaschutz, flexible Betreuungsangebote und die Förderung von Vereinen einsetzen. Auch eine moderne Infrastruktur und eine lebendige Ortsmitte stehen auf seiner Liste.
    Im Wahlkampf suchte er das Gespräch mit den Menschen im Dorf. Viele hier mögen Alshebl und freuen sich über seine Wahl - die Reaktionen waren zum großen Teil positiv. Baden-Württembergs Integrationsminister Manne Lucha (Grüne) sagte, er würde sich freuen, wenn die Wahl weitere Menschen mit Migrationsgeschichte ermutige, sich für politische Ämter zu bewerben.
    Doch auch Hasskommentare erreichten den 29-Jährigen. Darauf reagiert Alshebl mit Unverständnis. "Es darf kein Thema sein, wo man herkommt", sagte er. Solche Kommentare würden offenbaren, dass Teile der Gesellschaft noch nicht reif für solche Ideen sind. Längst sei er in Deutschland integriert und sozialisiert, erklärt Alshebl. Den deutschen Pass hat er ebenso. Und: "Die schwäbische Kultur habe ich ins Herz geschlossen."

    Mit Schlauchboot nach Lesbos geflohen

    Mit 21 Jahren floh Alshebl aus seiner Heimatstadt Suwaida im Süden von Syrien. Hier war er aufgewachsen und zur Schule gegangen. 2015 stand er wie viele Menschen im Land vor dem Dilemma, Kriegsdienst zu leisten oder das Land zu verlassen. Alshebl entschied sich für die Flucht. Diese beschreibt er als "kalt und dunkel". Von Syrien sei er über den Libanon in die Türkei geflohen. Mit einem Schlauchboot habe er mit anderen Menschen auf die griechische Insel Lesbos übergesetzt.
    Nach seiner Ankunft in Deutschland ging es für ihn über Karlsruhe nach Calw. Dort lebte Alshebl eineinhalb Jahre in verschiedenen Wohnungen und lernte Deutsch. Dann zog er nach Althengstett, wenige Kilometer entfernt von Ostelsheim. Nach einem Praktikum im Rathaus absolvierte er eine duale Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. Seit sieben Jahren arbeitet er im Rathaus Althengstett, mittlerweile ist er angestellt und für Kita-Management und Digitalisierung zuständig. Als Bürgermeister will Alshebl nun nach Ostelsheim ziehen.

    Erfahrungen im Wahlkampf "überwiegend positiv"

    Im Wahlkampf war Alshebl von Haus zu Haus gegangen und hatte für sein Wahlprogramm geworben. "Die Erfahrungen waren überwiegend positiv." Doch es gebe auch einen rechten Rand in Ostelsheim, der ihn grundsätzlich nicht akzeptiere. Die laute Minderheit störe sich an seinen syrischen Wurzeln, erklärt Alshebl. Anfeindungen habe es bisher aber nicht gegeben.
    Er habe schon immer Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen wollen. Daher freue er sich sehr über die neue Aufgabe.
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    Quelle: Pascal Eichner, dpa