Klima in den Alpen: Wie lange können wir noch Skifahren?

    Interview

    Klimawandel in den Alpen:Wie lange können wir noch Skifahren?

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    Die Alpen sind besonders stark vom Klimawandel betroffen. Was bedeutet das für den Skisport? Klimaforscher Prof. Harald Kunstmann gibt einen Ausblick.

    ZDFheute: Herr Kunstmann, wie zeigt sich der Klimawandel in den Alpen?
    Harald Kunstmann: Der Klimawandel zeigt sich in den Bergen noch stärker als in flachen Regionen oder auch in den Weltmeeren. Besonders eindrucksvoll sieht man das auf den Bildern von den Gletschern: Wenn man da Bilder auf den Berghütten von vor 40 oder 50 Jahren sieht, dann sieht man sehr deutlich, wie weit sie zurückgegangen sind.
    Schmelzender Gletscher: Nördlicher Schneeferner 1920 und 2006
    Gletscherschmelze an der Zugspitze: Der Nördliche Schneeferner könnte 2040 verschwunden sein.
    Quelle: Bayerische Akademie der Wissenschaften

    ZDFheute: Warum sind die Temperaturänderungen in den Alpen so groß?
    Kunstmann: Eine Ursache liegt in der Distanz zu den Weltmeeren: Je weiter eine Region vom Ozean entfernt ist, desto größer ist die Temperaturänderung. Das hat damit zu tun, dass der Ozean sehr viel Wärme aufnimmt, die dann in tiefere Schichten transportiert wird. Wir sehen aber auch: Je höher eine Region liegt, desto größer ist die Temperaturerhöhung.
    Die Jahresmitteltemperaturen an der Zugspitze sind seit 1900 deutlich gestiegen
    In den Alpen hat sich die Temperatur seit 1900 um 2 Grad erhöht. In Deutschland um 1,2 Grad, weltweit um 0,8 Grad.
    Quelle: DWD

    ZDFheute: Warum ist die Temperaturänderung in höheren Lagen größer?
    Kunstmann: Meiner Meinung nach hat man dieses Phänomen noch nicht vollständig verstanden. Eine gängige Erklärung ist zum Beispiel, dass der Schnee in den höheren Lagen die Strahlung sehr effektiv zurück in die Atmosphäre reflektiert.
    Wenn kein Schnee liegt, dann trifft die Sonnenstrahlung auf dunklen Boden - sodass mehr Erwärmung stattfindet, so die Theorie. Wir sehen aber auch in Bergregionen, in denen kein Schnee liegt, eine mit der Höhe zunehmende Temperaturveränderung. Das heißt, das kann nur ein Teil der Erklärung sein. In einem gerade begonnenen Forschungsprojekt möchten wir das besser verstehen.

    Harald Kunstmann ist stellvertretender Institutsleiter am Institute of Meteorology and Climate Research an der Karlsruher Institut für Technologie und Lehrstuhlinhaber an der Uni Augsburg.
    Quelle: privat

    ... ist stellvertretender Institutsleiter am Campus Alpin des Karlsruher Instituts für Technologie und Lehrstuhlinhaber an der Universität Augsburg.

    ZDFheute: Welche Folgen hat der Klimawandel für den Wintersport?
    Kunstmann: Wir werden in Zukunft schon weiterhin kalte Winter haben, aber sie werden seltener. Mit den erhöhten Temperaturen nimmt das Risiko zu, dass die natürliche Schneedecke ausbleibt. Auch das Risiko, dass die Bedingungen zur technischen Beschneiung nicht mehr genügen, wird größer. Die Bedingungen, Ski zu fahren, werden immer schwieriger.
    ZDFheute: Wie lange können wir noch Skifahren?
    Kunstmann: Es hängt von der Höhenlage ab, in der wir Skifahren können oder möchten. Je höher das Skigebiet, desto länger wird man da auch noch Skifahren können. Im Moment sind vor allem Skigebiete betroffen, die unterhalb von 1.500 Höhenmetern liegen. Gerade dort müssen die Pisten dann nachts mit Kunstschnee beschneit werden.
    Natürlich ist es möglich, in einer einzelnen Nacht und in vergleichsweise kurzer Zeit, wenn die Temperaturen in der Nacht entsprechend tief sind, große Teile eines Skigebiet zu beschneien. Aber es ist sehr aufwendig und es ist mit sehr hohen Investitionskosten verbunden. Auch die hohen Stromkosten sind nicht zu unterschätzen.
    Das Eis der Zugspitze schmilzt: Erkunden Sie am 3D-Modell, wie sich Alpen und Wintersport verändern:
    ZDFheute: Ist Skifahren damit bald nur noch was für Wohlhabende?
    Kunstmann: Skifahren ist jetzt schon eine Sportart, die sich nur wohlhabende Familien leisten können. Ein Erwachsenen-Tagesticket kostet mittlerweile um die 50 Euro. Auch Familientickets sind entsprechend teuer. Wir sind jetzt schon in einer Situation, wo sich immer weniger Familien, und auch immer weniger Kinder, den Skisport leisten können.
    Auch in Österreich geht zum Beispiel die Anzahl der Kinder, die noch wirklich Ski fährt, zurück. Und ich denke, das ist natürlich der Trend für die Zukunft: Skifahren in den Alpen wird immer noch teurer. Es steht und fällt am Schluss mit dem Geldbeutel, wer diese Sportart tatsächlich langfristig noch praktizieren kann.
    ZDFheute: Kann Skifahren so überhaupt noch Spaß machen?
    Kunstmann: Skifahren ist ja grundsätzlich ein toller Sport, man ist draußen an der frischen Luft. Aber wenn der Schnee ausbleibt, dann fehlt uns natürlich dieses schöne, klassische Wintergefühl. Man fährt schon jetzt häufig auf einem weißen Kunstschnee-Band in einer grünen Landschaft. Der Blick auf die weißen Winterlandschaften bleibt aus.
    Das Interview führte Gary Denk.

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