"Plapper"-App: Wie spricht Deutschland?

    App als Forschungsinstrument:"Plapper": Wie spricht Deutschland?

    |

    Wie sprechen wir? Welche Wörter benutzen wir, welche nicht (mehr)? Die App "Plapper" will die sprachliche Wirklichkeit in Deutschland einfangen, jenseits von Uni und Labor.

    Zwei Freundinnen unterhalten sich im Cafe
    Eine App will darüber Daten sammeln, wie Deutschland spricht.
    Quelle: Imago

    "Dit is mir schnuppe", sagt bekanntermaßen der Berliner mit seinem herbem Charme. Und eine Lieblingsfloskel von Kindern und Jugendlichen in ganz Deutschland ist das Wörtchen "Digga", das den engen Kumpel meint - ob dick oder nicht.
    Was für ein Deutsch aber spricht die polnische Pflegekraft? Wie reden Menschen auf dem Land? Und wie der Kölner U-Bahnfahrer? Gibt es eine typische Männersprache? Und welche Ausdrücke benutzen alte Menschen gern?

    Deutsche Sprache: Viele Daten fehlen

    Reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist: Darum geht es in der neuen App namens "Plapper" des Berliner Leibniz-Zentrums Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS). "Es gibt kein umfassendes Bild darüber, wie Deutschland eigentlich spricht", sagt Studienleiterin Stefanie Jannedy.

    Da haben wir eine riesige Datenlücke.

    Stefanie Jannedy, Studienleiterin

    Bisher seien es meist Studierende gewesen, die gegen Geld an entsprechenden Projekten zur Sprachwissenschaft teilnahmen. Wie Menschen mit weniger Affinität zu Hochschule und Bildung sprechen, ist demnach dagegen bisher ein wenig erforschtes Feld.
    "Plapper" soll Abhilfe schaffen und die Sprache von Menschen analysieren, die bisher seltener den Weg in wissenschaftliche Labore gefunden haben.
    TikTok lehrt walisisch
    In Großbritannien sprechen gerade einmal 750.000 Menschen walisisch. Damit ist ein wichtiges Kulturgut in Gefahr, findet Bethany Davies.24.01.2023 | 1:57 min

    Dialekte und Soziolekte erforschen

    Dazu gehören laut der Linguistin etwa Schichtarbeiter, Bürgerinnen mit geringem Einkommen oder körperlichen Einschränkungen, Bewohner vom Land, Menschen, die Dialekt sprechen oder einen Migrationshintergrund haben.
    Ob Schrippe oder Brötchen, Bürgersteig oder Trottoir: Es soll nicht nur um Dialekte gehen - diese seien bereits hinlänglich erforscht, sagt Jannedy. Sondern vor allem um Soziolekte - den Sprachgebrauch bestimmter sozialer Gruppen.
    Niederdeutsch oder auch Plattdeutsch gilt in Deutschland offiziell als Sprache, nicht als Dialekt. Mehr dazu im Video:
    "Wir wollen an die Aldi-Verkäuferin, den Busfahrer und die Müllwerkerin ran", so Jannedy.

    Man könnte auch sagen: Wir wollen den Leuten aufs Maul schauen.

    Stefanie Jannedy, Studienleiterin

    Es gehe nicht um eine Stigmatisierung - im Gegenteil. "Wir brauchen für unsere Untersuchung einen guten soziodemografischen Schnitt der Gesellschaft. Alle Bevölkerungsgruppen sollen sich Gehör verschaffen können."

    Grammatik, Aussprache, Schreibweise

    Wer sich das Mini-Programm auf das Handy oder Tablet herunterlädt, kann an kurzen Umfragen zum Sprachgebrauch und an phonetischen Studien teilnehmen. Dafür muss man Sätze vorlesen, die etwa viele Vokale oder bestimmte Konsonanten enthalten. In weiteren Rubriken geht es um Zweifelsfälle in Schreibweise und Grammatik oder um Interpretationen von sprachlichen Ungenauigkeiten. Die Teilnahme ist kostenlos und anonym.
    Durch die App werde die Datenlage nicht nur diverser, sondern die Aufnahmen könnten sogar aussagekräftiger sein als im Labor erstellte, so Jannedy:

    Manche Menschen hören ihre eigene Stimme nicht gern oder schämen sich vielleicht auch, weil sie Dialekt sprechen. Da sie sich zu Hause weniger beobachtet fühlen, ist es möglich, dass sie ungezwungener sprechen als im Labor.

    Stefanie Jannedy, Studienleiterin

    Rund 450 Menschen haben bisher bei "Plapper" mitgemacht, die Studie startete im November. Auch wenn nicht zu erwarten ist, dass die ganze deutsche Bevölkerung teilnimmt: "Je mehr akustisches Material wir bekommen, desto besser", sagt Jannedy.
    Sie hofft zurzeit vor allem auf mehr männliche Beteiligung.

    Bisher haben deutlich mehr Frauen mitgemacht. Wenn wir es schaffen, die Männer zu motivieren, dann ist uns schon mal sehr geholfen.

    Stefanie Jannedy, Studienleiterin

    Quelle: Nina Schmedding, KNA

    Mehr zum Thema Sprache