Südafrikas rollende Klinik: So wichtig ist der Phelophepa

    Zug der Hoffnung:Der Phelophepa: Südafrikas rollende Klinik

    von Verena Garrett
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    In vielen Orten in Südafrika gibt es weder Kliniken noch Ärzte. Hilfe bringt der Phelophepa, eine rollende Klinik. Seit 1994 fährt der Zug kreuz und quer durch das Land.

    Mitten in der Nacht ist Cicilia Mpanza aufgestanden, eineinhalb Stunden musste sie mit dem Bus fahren. Seit dem frühen Morgen sitzt sie am Bahnhof von Hluhluwe, einer kleinen Stadt im Nordosten Südafrikas in der Provinz Kwazulu-Natal. Hunderte Menschen sind mit ihr hier. Sie alle warten auf einem Platz im Zug. Der Zug, um den es geht, steht schon im Bahnhof: Es ist eine mobile Gesundheitsklinik, der Phelophepa.
    Übersetzt heißt das so viel wie "gute, saubere Gesundheit" - ein Kunstwort aus den Sprachen Sesotho und Setswana. 19 Waggons, ein modern ausgestattetes Gesundheitszentrum auf Schienen: Augen- und Zahnheilkunde, Röntgendiagnostik, Allgemeinmedizin, Psychologen - sogar eine Apotheke sind mit an Bord. Für viele Menschen in den ländlichen Gebieten ist der Zug die einzige Möglichkeit, sich medizinisch behandeln zu lassen.

    Neun Monate im Jahr fährt der Phelophepa durch Südafrika

    Bei Cicilia Mpanza sind es die Augen. Sie kann kaum noch etwas erkennen. "Das ist das Einzige, was für mich wichtig ist: dass ich erst weggehe, wenn mir geholfen wurde", sagt die 61-Jährige. Sie hatte schon einmal eine Brille, aber die hilft nicht mehr. Geld für eine Neue hat sie nicht. Ärzte und Kliniken sind für sie zu teuer und zu weit weg.
    Neun Monate im Jahr fährt der Zug durchs Land und bleibt für zwei Wochen an einem Ort - meist in kleinen Städten oder in der Nähe von einem der vielen südafrikanischen Townships. Das Personal lebt an Bord des Zuges.
    Die Chefin ist Thelma Satekge. Eigentlich ist sie Augenärztin. Ihr ganzes Berufsleben hat sie im Zug verbracht. Sie und ihr Team müssen abfedern, was der Staat nicht schafft. Satekge spürt die Verantwortung, der Bedarf ist riesig.

    Oft sind wir gezwungen, Menschen abzuweisen, weil es zu Viele sind. Aber wir müssen die Ressourcen berücksichtigen, die wir haben. Man kommt an einen Punkt, an dem man die Patienten erst am Folgetag behandeln kann.

    Thelma Satekge, Ärztin

    Untersuchungen sind im Phelophepa kostenlos, die Behandlungskosten gering

    Satekge ist Mutter von vier Kindern. Ihr Mann hält zu Hause die Stellung, sie kommt immer mal wieder für ein Wochenende vorbei. Einen gemeinsamen Alltag hatten sie nie: "Natürlich vermisse ich meine Familie", sagt sie. "Aber es ist bereichernd, Menschen zu helfen, die keine Hilfe bekommen hätten, wäre unser Zug nicht in ihrer Nähe."
    Der Zug - eine gewaltige logistische Herausforderung, betrieben und finanziert von Südafrikas staatlicher Eisenbahngesellschaft. Untersuchungen sind kostenlos, Behandlungskosten gering: Für einen gezogenen Zahn zahlt man umgerechnet weniger als einen Euro.

    In Südafrikas öffentlichem Gesundheitssystem mangelt es an fast allem

    Für die meisten Patienten ist das fehlende Geld der Grund, warum sie den oft weiten Weg zum Phelophepa auf sich nehmen. Eine private Krankenversicherung ist in Südafrika für die meisten Menschen nicht bezahlbar. Im öffentlichen Gesundheitssystem aber, auf das ein Großteil der Bevölkerung des Landes angewiesen ist, mangelt es an Personal und Einrichtungen. Seit der Corona-Pandemie hat sich dieses Problem weiter verschärft.
    Gesundheitszug Phelophepa
    Für den Phelophepa nehmen viele Menschen in Südafrika einen weiten Weg auf sich.
    Quelle: ZDF/Verena Garrett

    Für Cicilia Mpanza ist eine kurze Augenuntersuchung ein Schritt zu mehr Lebensqualität: Am Ende des Tages bekommt sie eine Alltags- und eine Lesebrille. "Der Unterschied ist riesig. Auf einmal kann ich sehr gut sehen."

    Bis zum nächsten Halt des Phelophepas kann es dauern

    Knapp 2.000 Rand vom Staat hat sie im Monat zur Verfügung, umgerechnet 100 Euro. Damit müssen sie und ihre Familie zurechtkommen. Meist reicht es nicht mal für genug Essen: "Wenn mein Enkelkind krank würde, hätte ich nichts. Wenn ich könnte, würde ich ihn zur Klinik bringen, aber ich habe kein Geld. Er würde so lange husten, bis es von allein weg geht."
    Cicilia Mpanza hofft, dass ihre Augen nicht wieder schlechter werden. Denn bis zum nächsten Halt des Klinikzugs in ihrer Nähe, kann es dauern: Das letzte Mal war er im Jahr 2001 in Hluhluwe - vor über 20 Jahren.

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