Die Holzlüge: Wie Urwälder im Ofen landen | Terra-X-Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Die Holzlüge: Wie Urwälder im Ofen landen

    von Alexander von Bismarck
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    Die unersättliche Nachfrage nach Holz, Biopellets und Agrarrohstoffen zerstört die letzten Naturwälder der Erde. Dabei liegen die Lösungen in greifbarer Nähe.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Alexander von Bismarck

    Wenn Holzprodukte "nachhaltig" sind, warum holzen wir dann für ihre Herstellung weiterhin die letzten artenreichen Urwälder ab, die wir noch haben? Ein Grund: Unsere Nachfrage ist blind - wir haben derzeit keine Möglichkeit zu wissen, woher unser Holz tatsächlich stammt.

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Das bedeutet, dass man reich werden kann, wenn man Holz aus geschützten Gebieten stiehlt und es als Pellets an ahnungslose Verbraucher verkauft. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass wir unter den derzeitigen Bedingungen mit dem Kauf von Holz Korruption, Kriminalität und Umweltzerstörung finanzieren, selbst im Herzen Europas.
    Wald: Abholzung Rumänien
    In Rumänien wird Europas letzter Urwald illegal abgeholzt und der Lebensraum von Braunbären, Wölfen und Luchsen zerstört. Die Holzfirmen sehen in den Wäldern nur eines: wertvolles Holz, das billig zu haben ist. Abnehmer finden sich auch in Deutschland.01.04.2021 | 6:30 min

    Urwälder landen im Ofen - für "nachhaltige" Energie

    Im Rahmen des Abkommens über die biologische Vielfalt hat sich die EU verpflichtet, 30 Prozent der Flächen und Gewässer unter Naturschutz zu stellen. Gleichzeitig werden durch die europäische Richtlinie für erneuerbare Energien jährlich 16 Milliarden Euro an Subventionen für die Verbrennung von Bäumen zur Stromerzeugung bereitgestellt. Unter den derzeitigen Bedingungen untergräbt die Förderung von Biomasse die europäischen Ziele im Bereich der Artenvielfalt grundlegend.
    Nach den neuen, vom Europäischen Parlament verabschiedeten Regeln sollen bis 2030 45 Prozent des europäischen Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien stammen. In der Praxis werden derzeit etwa zwei Drittel dieser Ziele nicht aus Sonne oder Wind, sondern durch Bioenergie erreicht - und davon 60 Prozent durch Biomasse aus Holz.
    Untersuchungen zeigen, dass die Bioenergie teilweise für den jüngsten Anstieg des Holzeinschlags in der EU verantwortlich ist. Darüber hinaus werden bei der Abholzung erhebliche Mengen an Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt, und die Verbrennung von Holz setzt pro erzeugter Energieeinheit mehr Emissionen frei als die Verbrennung von Kohle.

    Ganze Baumstämme zu Pellets verarbeitet

    Die europäische Industrie behauptet, das Holz stamme lediglich aus Abfällen, die sonst weggeworfen würden. Im Jahr 2022 dokumentierte die Environmental Investigation Agency (EIA) in Zusammenarbeit mit Partnern in ganz Europa die Verwendung ganzer Baumstämme für die Stromerzeugung und die Herstellung von Pellets in Rumänien, Bulgarien, der Slowakei und Polen.
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    Durch nichts lässt sich der Klimawandel so effektiv bekämpfen wie durch Aufforstung, sagt eine neue Studie. Die Erde hat noch Platz für eine Milliarde Hektar neuen Wald.05.07.2019 | 2:44 min

    Nachfrage aus Westeuropa destabilisiert den Osten

    Auf der Suche nach billigem Holz strömten westeuropäische Unternehmen in den vergangenen zwei Jahrzehnten nach Osteuropa. Diese Geldströme haben die Korruption angeheizt und bieten eine risikoarme Methode, schnell Gewinne zu erzielen - auch für gewalttätige kriminelle Netzwerke.
    Die traurige Wahrheit ist, dass Europa nicht weiß, wie viel und wo das Holz aus den europäischen Wäldern geschlagen wird. Die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission hat herausgefunden, dass jedes Jahr 118 Millionen Kubikmeter Wald mehr abgeholzt werden, als offiziell angegeben - das entspricht fast der jährlichen Holzernte von Deutschland und Polen zusammen.
    Aber was wäre, wenn wir alle in Echtzeit sehen könnten, was in den Wäldern passiert? Was wäre, wenn jeder wüsste, wie viel Holz wo geschlagen werden darf, woher jeder Holzlaster kommt, wohin er fährt und in welchen Produkten er letztendlich landet?
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    Nachhaltige Waldwirtschaft bedeutet, nicht mehr verbrauchen als nachwachsen kann - ein Spagat zwischen Naturschutz und Holzindustrie. Wie nachhaltig sind Produkte, die das FSC-Siegel tragen?13.09.2019 | 6:20 min

    Transparenz im Holzsektor: Technologie macht's möglich

    Die gute Nachricht: Das ist heutzutage tatsächlich möglich! Rumänien hat, um gegen den weit verbreiteten illegalen Holzeinschlag vorzugehen, ein digitales Holztransportsystem geschaffen, das es Bürger*innen ermöglicht, Holzlaster in Echtzeit zu überwachen und sie beschlagnahmen zu lassen, wenn sie illegale Lieferungen enthalten.
    Aufgrund politischen Widerstands ist das System noch nicht vollständig, aber es hat gezeigt, was möglich ist: Innerhalb weniger Monate haben sich 30.000 Menschen daran beteiligt, und die Zahl der illegalen Holztransporte ist stark zurückgegangen.
    Die EU-Kommission prüft derzeit die Einführung eines EU-weiten Waldbeobachtungsrahmens. Diese Initiative könnte genau die Art von Innovation vorantreiben, die die Entwicklung und Umsetzung neuer Technologien für eine digitale Waldbewirtschaftung, Rückverfolgbarkeit und Transparenz fördert. Doch solange sich Unternehmen dagegen wehren, die Herkunft ihres Holzes transparent zu machen, bleiben wir blind. Wir, als Konsumenten, müssen auf die Grundfrage bestehen: Wo genau kommt das Holz her? Ohne klare Antwort müssen wir auf den Erwerb verzichten, sonst verbrennen wir den letzten Europäischen Urwald in unseren Wohnzimmern.
    "Terra Xpress: Holz - das grüne Gold": Vier Männer stehen auf dem Dach eines Holzhauses und sind dort am Arbeiten. Das Haus steht mitten im Grünen, umringt von Bäumen.
    Illegaler Holzhandel gilt als drittgrößter Schwarzmarkt der Welt. Umweltaktivist Alexander von Bismarck fahndet rund um den Globus nach den Tätern. Die Spur führt von den letzten Urwäldern Europas bis in deutsche Pelletheizungen.26.03.2023 | 26:59 min

    Als Umweltwissenschaftler und Umweltschützer unterstützt er neben eigenen Projekten auch jene, die es noch werden wollen. Alexander von Bismarck wohnt mit seiner Familie in Washington D.C. und ist sehr optimistisch, weil immer mehr schlaue und tapfere "Ökodetektive" die Spuren der Umweltverbrechen aufnehmen und ans Licht bringen.

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