Wave-Gotik-Treffen: Leipzig trägt über Pfingsten Schwarz

    30 Jahre Wave-Gotik-Treffen:Leipzig trägt über Pfingsten Schwarz

    ZDF-Reporterin Anja Charlet
    von Anja Charlet
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    Jedes Jahr treffen sich Fans der schwarzen und alternativen Szene zum Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Zum Jubiläum des finster-fröhlichen Fests werden rund 20.000 Menschen erwartet.

    Auf dem Bild sind drei Grufties in Leipzig zu sehen.
    Schwarzer Lippenstift, schwarzer Nagellack und schwarzes Outfit: Tausende werden zum Wave-Gotik-Treffen in Leipzig erwartet - leichenblass, aber quietschfidel. Seit 30 Jahren immer an Pfingsten, nur Corona hielt die Grufties davon ab.26.05.2023 | 1:45 min
    Über Pfingsten ist Leipzig der Nabel der Welt für die alternative und schwarze Szene. Denn das Wave-Gotik-Treffen - gesprochen wie die gleichnamige Architektur- und Kunstepoche - ist inzwischen das größte seiner Art weltweit.
    An Pfingsten 1992 hatten zwei junge Männer in Leipzig die Idee, ein Fest für alle zu veranstalten, die damals noch "Gruftis" geschimpft wurden. Schwarze Kleidung, toupiertes Haar, weiße, aufwendig geschminkte Gesichter - ein morbider Charme umweht die Szene. Bands wie "The Cure" lieferten den Soundtrack für ein düster-cooles Lebensgefühl.

    Mit dem Mauerfall war alles möglich

    Und nebenbei: Ost/West, das war in Leipzig nie ein Thema. In der DDR stufte man die Jugendlichen mit schwarzer Kleidung, Kreuzen, Totenköpfen, die sich in Särge betteten und Prozessionen auf den Friedhöfen abhielten, als Staatsfeinde ein. Anderssein verstand das System als Kriegserklärung.
    Dann fiel die Mauer und plötzlich war alles möglich. Waren es anfangs vor 30 Jahren nur zwei Bands, die im Leipziger Eiskeller spielten, treten jetzt an die 200 auf. "Lord of the Lost" dürfte hier in Leipzig ein gewaltiges Quantum Trost bekommen und den Eurovision Song Contest (ESC) wohl endgültig verschmerzen.

    Ein Programm für die ganze Familie

    Es gibt diverse Lesungen von Krimi-Autoren, da sind Stars wie Sebastian Fitzek am Start. In Foren sprechen Kriminalpsychologen über ihre Erfahrungen. Bei Diskussionen wie "Wissenschaft trifft Freundschaft" im Kupfersaal Leipzig ist auch Sängerin Lucy van Org ("Weil ich ein Mädchen bin") dabei.
    Auch "märchenhaft toxische Beziehungen" spielen hier eine Rolle. Die Crime Night bietet eine Tatortreinigung und Spurenkunde mit psychologischer Analyse. Es ist längst ein Programm für die ganze Familie. Viele Teilnehmer der ersten Stunde sind mit dem Wave-Gotik-Treffen in ihre besten Jahre gekommen.

    Karten ab 170 Euro

    Natürlich spielt bei dem Treffen auch der kommerzielle Faktor eine Rolle. Es muss sich rechnen, sagen die Veranstalter. Zur Geschichte gehört auch eine Pleite im Jahr 2000. Ab 170 Euro kostet die Karte für Eintritt zu allen Veranstaltungen.
    Man kann auch gratis Spaß haben: beim Viktorianischen Picknick am Freitagnachmittag. Oder wenn man dem Autokorso der Leichen- und Bestattungswagen Samstagvormittag vom Straßenrand aus zusieht, der Richtung Südfriedhof fährt.

    Feste im gesamten Stadtgebiet

    Beim Leichenwagentreff sind anschließend Interessierte eingeladen, sich über die letzte Reise, die wir alle einmal vor uns haben, zu informieren. Es gibt diverse Mittelaltermärkte (z. B. Moritzbastei) auf denen man Schmuck, selbstgebackenes Brot und so ziemlich alles findet. Da ist das heidnische Dorf am Torhaus Dölitz und wer mit dem Zelt da ist, steuert das Agra-Gelände an.
    Die Feste ziehen sich über das ganze Stadtgebiet. Auch die Stadt selbst profitiert von dem Fest, genauso wie Hotels, Restaurants und Geschäfte. Wer last minute noch etwas an Kleidung sucht, wird sicher fündig.

    Ein Zeichen für Lebensfreude und Toleranz

    Die zum Teil sehr teuren Roben oder die Kluft in Lack und Leder sind übrigens keine Kostüme. Die Protagonisten sehen sie als Ausdruck ihres Lebensgefühls.
    Schwarz ist eine schillernde Farbe - bei dem Wave-Gotik-Treffen ist sie seit nunmehr 30 Jahren ein Zeichen für Lebensfreude und Toleranz. Es ist ein Angebot an alle, die sich darauf einlassen möchten, friedlich mitzufeiern. Und wer es noch nicht weiß: Auch "Depeche Mode" sind gerade in der Stadt, da gibt es im Felsenkeller nach dem Konzert die passende Party.
    Anja Charlet ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Sachsen.

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