Missbrauchsskandal: Der Mann, der Kardinal Woelki anzeigte

    Exklusiv

    Missbrauchsskandal:Der Mann, der Kardinal Woelki angezeigt hat

    von Michael Haselrieder und Christina Zühlke
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    Gegen den Kölner Kardinal Woelki ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Meineides. Nun äußert sich zum ersten Mal der Mann, der Woelki angezeigt hat: Er ist ein gläubiger Katholik.

    Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln
    Gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Meineides. Es geht um Aussagen des Erzbischofs vor dem Landgericht Köln.24.10.2023 | 9:40 min
    Michael Rind ist ein engagierter Christ. Der Kölner leitet eine Wallfahrtsgruppe, mit der er jedes Jahr nach Kevelaer pilgert. Doch der Umgang seines Erzbischofs Rainer Maria Woelki mit dem Missbrauchsskandal hat seinen Glauben an die Institution Kirche schwer erschüttert.
    Michael Rind steht für jene Kölner Katholiken, die noch glauben wollen, die aber rebellieren gegen einen Kardinal, dem sie nicht mehr glauben.
    Michael Rind
    Michael Rind hat Kardinal Woelki angezeigt.
    Quelle: ZDF

    Anzeige gegen Woelki wegen Verdacht auf Meineid

    Auch deshalb ist Michael Rind aus der Kirche ausgetreten. Und er hat Kardinal Woelki angezeigt wegen des Verdachts des Meineides - einer möglichen Falschaussage vor Gericht. "Die Wahrheit muss ans Licht, unabhängig davon, welche Position Kardinal Woelki hier im Bistum bekleidet", sagt Michael Rind im Interview mit ZDF frontal. Erstmals äußert sich damit der Mann, der Kardinal Woelki angezeigt hat.
    Die Folge von Rinds Anzeige: Ende Juni stehen Ermittler vor der Bischofsresidenz. Razzia beim Kardinal. 30 Beamte stellen Akten und Computer sicher - auch Woelkis Laptop und Handy. "Insbesondere der Vorwurf des Meineides ist eine neue Dimension", sagte der zuständige Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn am Tag der Durchsuchung.

    Meineid ist vom Gesetz mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht.

    Ulf Willuhn, Oberstaatsanwalt Köln

     Zivilbeamte gehen in das Erzbischöfliche Generalvikariat in Köln.
    Ermittler haben in den Räumlichkeiten von Kardinal Woelki Unterlagen sichergestellt. Grund ist der Verdacht einer Falschaussage vor Gericht.27.06.2023 | 1:35 min

    Wusste der Kardinal von Missbrauchsvorwürfen?

    Bei den Ermittlungen geht es um die Aussage des Kardinals vor dem Landgericht Köln im März 2023. Hintergrund ist eine Klage Woelkis gegen die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung. Die hatte behauptet, Woelki habe einen Priester befördert, obwohl er von Missbrauchsvorwürfen gewusst habe. Den Prozess gewann Woelki in erster Instanz. Aber eine seiner Aussagen ist nun Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.
    ZDF frontal liegt das Gerichtsprotokoll von Woelkis Aussage vor. Angesprochen auf Dokumente, in denen der Betroffene H. Missbrauchsvorwürfe schildert, sagte Woelki unter Eid - mit dem Zusatz "so wahr mir Gott helfe":

    Bis heute hat mir niemand etwas über die Vorwürfe des Herrn H. berichtet.

    Kardinal Rainer Maria Woelki

    Brief an den Vatikan

    Michael Rind bezweifelt das. Denn ihm wurde ein Dokument aus dem Jahr 2018 zugespielt - ein Brief von Kardinal Woelki nach Rom. "Aus meiner Sicht besteht eine große Differenz, zwischen dem, was der Kardinal vor Gericht beeidet hat, und dem, was er in dem Schreiben bekundet hat, das er nach Rom geschickt hat", sagt Michael Rind und hat deshalb die Strafanzeige gestellt.
    Der Brief von 2018 ist adressiert an den Präfekten der Glaubenskongregation im Vatikan, der für Missbrauchsfälle zuständig ist. Zu dem Betroffenen H., um den es im Gericht ging, stehen hier drei Absätze - unter anderem: "Er schilderte dann konkret, wie sich der Kontakt (…) schnell zu einem auch sexuellen Kontakt entwickelt habe." Das Schreiben endet mit den Worten: "Ihnen in Christus verbunden Ihr". Darunter die Unterschrift von Kardinal Woelki.
    Kläger Georg Menne vor Medienvertretern im Foyer des Gerichts.
    300.000 Euro Schmerzensgeld soll ein Missbrauchsopfer vom Erzbistum Köln erhalten. Mit dem Urteil sendet das Kölner Landgericht ein Signal an die Kirche und Betroffene.13.06.2023 | 2:56 min

    Stellungnahme des Erzbistums Köln

    Für ein Interview mit frontal steht der Kardinal nicht zur Verfügung. Nach Aussage des Erzbistums habe Woelki den Brief nicht gelesen und nur als reine Formalität abgezeichnet. Das sei "ein durchaus immer wieder vorkommendes Prozedere, wenn es sich um ein Schreiben handelt, dessen Inhalt innerhalb der Zuständigkeit einer hoch spezialisierten Fachabteilung liegt", teilt das Erzbistum Köln auf Anfrage von frontal mit.
    Michael Rind reicht diese Erklärung nicht: "Am Ende des Tages ist Kardinal Woelki der Hauptverantwortliche dieses Erzbistums."

    Und als solcher muss er sich in dem Moment, in dem er unterschreibt, bewusst sein, dass er dafür die Verantwortung trägt.

    Michael Rind

    Woelki weist Meineid-Vorwurf zurück

    Kardinal Woelki weist den Vorwurf zurück, er habe unter Eid falsch ausgesagt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln laufen.
    Für Michael Rind hat die Kirchenkrise sein Leben einschneidend verändert. Er ist aus der Kirche ausgetreten, will aber seinen Glauben nicht verlieren. "Ich hoffe, dass sich die Kirche verändert und dass es dann für mich wieder möglich sein wird, einen Weg dorthin zurückzufinden", sagt er und fügt dann hinzu: "Ich glaube aber nicht, dass ich das noch erleben werde."

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