Hamburg: Schüsse auf Zeugen Jehovas - was wir darüber wissen

    Angriff in Hamburg:Schüsse auf Zeugen Jehovas - was wir wissen

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    In Hamburg hat ein Angreifer in einem Gebäude der Zeugen Jehovas sieben Menschen erschossen. Die Polizei bezeichnete die Tat als Amoklauf. Was wir wissen und was nicht.

    Wichtige Details zu den tödlichen Schüssen bei der Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg sind geklärt, manche sind noch unklar. Ein Überblick:

    Was wir wissen:

    Der Tatablauf:
    Der Amoklauf begann am Donnerstagabend nach Angaben eines Sprechers der Glaubensgemeinschaft nach dem regulären Gottesdienst in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg. Dieser habe um 19.00 Uhr angefangen und sei digital übertragen worden. 36 Menschen seien vor Ort gewesen, weitere 25 hätten sich digital zugeschaltet, sagte Michael Tsifidaris, Sprecher der Zeugen Jehovas in Norddeutschland, am Freitag. Um 20.45 Uhr sei die Veranstaltung beendet worden, vermutlich auch der Live-Stream. "Man befand sich in den Gesprächen nach dem Gottesdienst." Dann habe der Angriff begonnen.
    Kurz vor 21.00 Uhr fallen nach Angaben der Polizei mehrere Schüsse. Die Polizei wird darüber ab 21:04 Uhr durch zahlreiche Notrufe informiert, teilweise aus dem Gebäude. Einsatzkräfte der Polizei sind schnell am Tatort - bereits um 21:08 Uhr. Nur eine Minute später, um 21.09 Uhr, ist die Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE) am Tatort.
    Die Einsatzkräfte sehen einen Mann in den oberen Stock flüchten und hören einen Schuss. Wenig später finden sie dort den tödlich verletzten Täter.
    Diese Einheit für Einsatzlagen, die eine erhöhte Gefährdung für die eingesetzten Beamtinnen und Beamten erwarten lassen, habe sich laut Hamburgs Innensenator Andy Grote haben sich die Einsatzkräfte um 21:11 Uhr gewaltsam Zutritt verschafft und damit das Tatgeschehen unterbrochen.

    Wir können davon ausgehen, dass sie damit vielen Menschen das Leben gerettet haben.

    Andy Grote, Hamburgs Innensenator

    "Wir haben es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit dem sehr, sehr schnellen und entschlossenen Eingreifen der Einsatzkräfte der Polizei zu verdanken, dass hier nicht noch mehr Opfer zu beklagen sind", sagte der SPD-Politiker am Freitag auf einer Pressekonferenz zum Amoklauf.

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    Die Todes-Opfer: Nach Angaben der Polizei hat der Täter sieben Menschen getötet, darunter ein ungeborenes 28 Wochen altes Kind. Die Mutter überlebte schwer verletzt.
    Bei den Todesopfern handelt es sich um:
    • vier Männer
    • zwei Frauen
    • ein Ungeborenes
    Die Männer und Frauen seien zwischen 33 und 60 Jahre alt, sagte der Leiter des Staatsschutzes der Polizei, Thomas Radszuzweit. "Alle Todesopfer sind deutscher Staatsangehörigkeit und starben jeweils durch Schusseinwirkung."
    Der Täter richtet nach dem Eintreffen der Polizei die Waffe auf sich und tötet sich selbst.
    Die Verletzten: Darüber hinaus seien sechs Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 23 und 46 Jahren verletzt worden, mindestens vier von ihnen lebensbedrohlich, "teils mit multiplen Schusswunden", sagte Radszuzweit. Sechs der Verletzten seien deutsche Staatsangehörige, je eine Frau ist ugandischer beziehungsweise ukrainischer Staatsangehörigkeit, teilte Radszuzweit mit
    Der Täter: Bei dem mutmaßlichen Täter Philipp F. handelt es sich um einen 35 Jahre alten Deutschen, der aus Bayern stammte. Der Banker war in der Vergangenheit Mitglied der Zeugen Jehovas, aus der Gemeinde aber vor eineinhalb Jahren ausgetreten. Der Mann war nicht mit den Opfern der Amoktat verwandt.

    Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus. Es gab demzufolge auch keine Hinweise auf einen flüchtigen Täter.

    Der mutmaßliche Todesschütze war den Angaben zufolge Sportschütze, hatte seit Dezember 2022 eine Waffenbesitzkarte und war erst kürzlich von der Waffenbehörde aufgesucht worden. Er ist den Behörden nach Informationen aus Sicherheitskreisen nicht als Extremist bekannt gewesen. Dass sein Name dennoch in den Datenbanken der Sicherheitsbehörden auftauchte, hat dem Vernehmen nach keinen kriminellen Hintergrund, sondern liegt an seiner Beantragung einer waffenrechtlichen Erlaubnis.
    Die Waffe: Der Amoktäter hatte mehr als 100 Mal geschossen. Er war Sportschütze und durfte seit Dezember 2022 legal eine halbautomatische Pistole besitzen, die auch die Tatwaffe war.

    In seiner kurz nach Mitternacht durchsuchten Wohnung wurde eine große Menge Munition gefunden - 15 geladene Magazine mit jeweils 15 Patronen und 4 Schachteln Munition mit weiteren 200 Patronen.
    Das Motiv: Warum der Täter geschossen hat, ist weiter völlig unklar. Allerdings deuten laut Ermittlern Hinweise darauf hin, dass er die Gemeinde nicht im Guten verlassen hatte. Der 35-Jährige war in der Vergangenheit Mitglied der Kirchgemeinde und vor etwa eineinhalb Jahren ausgetreten.

    Im Januar hatte ein anonymer Hinweisgeber die Waffenbehörde vor der "besonderen Wut" des mutmaßlichen Täters auf religiöse Anhänger gewarnt, "besonders gegenüber den Zeugen Jehovas". Zwei Beamten der Waffenbehörde hatten ihn daraufhin in seiner Altonaer Wohnung besucht - unangekündigt.

    Phillip F. "zeigte sich kooperativ, erteilte bereitwillig Auskunft, es war ein offenes Gespräch", sagt Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Die gesamten Umstände hätten keinerlei Anhaltspunkte für die Beamten gegeben, "die auf eine psychische Erkrankung hätten hindeuten können". Nur ein Projektil habe oberhalb des Tresors gelegen, dafür habe es eine mündliche Verwarnung gegeben. Philipp F. habe sich entschuldigt, "es war ihm auch erkennbar peinlich".
    ZDF-Studioleiter Ralf Zimmermann von Siefert berichtet aus Hamburg über die Lage:

    Was wir nicht wissen:

    Der Tatablauf: Die detaillierte zeitliche Abfolge der Schüsse ist noch nicht ganz klar. Hinweise darauf geben Aussagen und Videos von Anwohnern. Einer Anwohnerin zufolge sollen vier Mal mehrere Schüsse abgegeben worden sein. In dem Video eines Anwohners ist zudem zu sehen, dass eine schwarz gekleidete Person durch eine kaputte Scheibe mehrfach von außen in das Gebäude schießt und schließlich in das Haus einsteigt und darin weiterschießt.

    Das sind die Zeugen Jehovas:

    Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Gemeinschaft mit eigener Bibel-Auslegung. Die Anhänger glauben an Jehova als "allmächtigen Gott und Schöpfer" und sollen sich strengen Vorschriften unterwerfen. Sie sind davon überzeugt, dass eine neue Welt bevorsteht und sie als auserwählte Gemeinde gerettet werden.
    Die Zeugen Jehovas haben keine bezahlten Geistlichen. Ihre Gottesdienste finden in "Königreichssälen" statt. Ihre wichtigsten Publikationen sind "Der Wachtturm" und "Erwachet!".
    Wie sich die Politik äußert und weitere Hintergründe zur Tat:

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    Quelle: dpa, ZDF