Cottbus: SPD-Bürgermeister sucht Dialog - auch mit der AfD

    SPD-Oberbürgermeister in Cottbus:Wie regiert man eine gespaltene Stadt?

    Jan Meier, ZDF-Landesstudio Brandenburg in Potsdam, mit Mikrofon.
    von Jan Meier
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    Erst in der Stichwahl gewann SPD-Politiker Tobias Schick die Oberbürgermeisterwahl in Cottbus gegen den AfD-Kandidaten. Nach 100 Tagen im Amt ist es Zeit für eine erste Bilanz.

    Vor 100 Tagen wurde Tobias Schick von der SPD Oberbürgermeister in Cottbus. Eine besondere Wahl, denn hätte er verloren, wäre sein Mitbewerber Deutschlands erster AfD-Oberbürgermeister geworden.
    Die Wahl war kein Selbstläufer. Erst im zweiten Wahlgang, in einer Stichwahl am 9. Oktober, setzte sich der Geschäftsführer des Stadtsportbundes gegen den Berufsfeuerwehrmann Lars Schieske durch, der 2019 im Wahlkreis Cottbus für die AfD das Direktmandat im Brandenburger Landtag gewonnen hatte.

    Schick sucht den Dialog mit der AfD

    Die AfD holte bei der Kommunalwahl mehr Sitze im Stadtparlament der zweitgrößten Stadt Brandenburgs als jede andere Partei. In einem polarisierenden Wahlkampf um das Oberbürgermeisteramt beschrieb Schieske Cottbus als "Gewalthauptstadt Brandenburgs“.
    Trotz des harten Wahlkampfs reichten sich die beiden politischen Gegner am Wahlabend die Hand. Schick suchte von Anfang an das Gespräch mit der AfD.

    Lasst uns die Dinge anpacken, schürt keinen Hass. Wenn wir miteinander reden und zusammenarbeiten, passiert mehr Gutes in der Stadt.

    Tobias Schick, SPD-Oberbürgermeister in Cottbus

    In den ersten 100 Tagen nach der Wahl ist einiges passiert. Der Oberbürgermeister schickt seit einem Monat verstärkt Streifen von Ordnungsamt und Polizei durch die Innenstadt, auch abends und nachts.
    Zuletzt hatte die Stadt 2018 zu dieser Sicherheitsmaßnahme gegriffen, als Übergriffe von Flüchtlingen auf Einheimische die Stadt in Aufruhr versetzten. Wird das nun eine Maßnahme auf Dauer? "Wir werden evaluieren, ob die Streifen etwas bringen“, sagt der 42-jährige SPD-Mann.
    Cottbus sollte 2018 zum Hotspot "rechter Widerstandskämpfer" werden....

    Mehr Polizei in der Cottbusser Innenstadt

    Aus Sicht viele Cottbuser ist die verstärkte Polizeipräsenz ein Fortschritt. "Die Brennpunkte sind ja bekannt, ein paar Streifen durch die Innenstadt zu schicken, das entspannt die Situation“, sagt ein Passant in der Cottbusser Innenstadt.
    Ein weiteres Problem ging Schick bereits in seinen ersten 100 Tagen an. Seit Jahrzehnten ärgert die Bürger der Verfall eines Grundstückes im Herzen der Stadt, der Stadtpromenade. Alle Investorenpläne scheiterten hier.
    Demonstranten in Cottbus halten Schilder mit der Aufschrift "Schnauze voll!"
    27.01.2018 | 4:14 min
    Cottbus und seine Flüchtlinge - so war die Lage 2018:
    Nun kauft die Kommune die Brache für 5,1 Millionen Euro vom Eigentümer. Ein Wagnis für die Stadt, die seit 1995 unter kommunaler Finanzaufsicht steht. Doch damit hat die Stadt freie Hand für die Umgestaltung des "Schandflecks“ zum "Wohlfühlort“. Der Schritt sorgt für Aufbruchstimmung und weckt Erwartungen.

    Überfüllte Schulen und fehlende Lehrkräfte

    Die Cottbusser Renterin Christina Wilke, an diesem Tag in Nähe der Promenade unterwegs, sieht die Stadt "auf dem richtigen Weg." Schick habe die Dinge positiv verändert. "Er sucht den Bürgerdialog, schiebt vieles an", lobt die Pensionärin. Passant Jasmin Brahimic wünscht sich von Schick "auf jeden Fall Schulförderung. Da wo meine Tochter lernt, da fehlt es an vielem, da muss mehr Geld reingesteckt werden.“
    Die Wünsche der Cottbuser sind berechtigt, aber kostspielig: Der Lehrermangel soll behoben, überfüllte Schulen besser ausgestattet werden. Bezahlbare Wohnungen sollen her, junge Migranten besser eingegliedert werden.
    Cottbus ist jetzt neben Berlin und Hannover das dritte Drehkreuz für Kriegsgeflüchtete in Deutschland:

    Negative Schlagzeilen nach rechtsextremen Demonstrationen

    Schlagzeilen machte die 100.000 Einwohner-Stadt in der Vergangenheit vor allem mit Montagsdemos, Kundgebungen von Querdenkern, Veranstaltungen des rechtsextremen Vereins Zukunft Heimat. Die Stadt ist Schauplatz erbitterter und lautstarker Auseinandersetzungen.
    Ein Dialog kommt hier nur schwer in Gang. Tobias Schick setzt auf Sacharbeit.

    Die Leute wollen konkret sehen, dass wir Probleme anpacken, eine wichtige Formel für uns alle.

    Tobias Schick, SPD-Oberbürgermeister in Cottbus

    Andererseits sucht er das Gespräch mit allen. Mehrere Dialoge habe er schon geführt. Mit "Leuten, die sich oft schon lange kennen, aber nicht mehr miteinander reden können.“

    Neues Gesprächsformat gegen die Spaltung

    Dabei Tobias Schick setzt auch Grenzen. Für Gewalt und Hetze hat er kein Verständnis. Dennoch sucht der frühere Hürdenläufer weiter das "faire Gespräch“ mit allen Bürgern. Auch mit den Teilnehmern der Montagsdemos.
    Im nächsten Monat beginnt Schick ein neues Gesprächsformat. Ein Runder Tisch soll helfen, die Spaltung der Stadt zu überwinden. "Es geht um den Zusammenhalt, um Verständigung und den Austausch von Fakten", betont der Oberbürgermeister.
    Der Autor Jan Meier ist Redakteur im ZDF-Studio Brandenburg.
    Kanzler Scholz kam zum Bürger-Dialog in die ostdeutsche Stadt - das ist geblieben:

    Krieg, Jobs, Inflation
    :Was von Scholz' Cottbus-Besuch bleibt

    War er bei der Bundestagswahl sehr beliebt, hat sich das Verhältnis zu Kanzler Scholz im Osten abgekühlt. Beim Bürgerdialog in Cottbus kommt er dann aber bemerkenswert gut weg.
    Jan Meier, Cottbus
    Olaf Scholz im Bürgergespräch in Cottbus
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