China: Wie sich die Wirtschaftskrise auf die Welt auswirkt

    Analyse

    Stockendes Wachstum:Welche Folgen Chinas Wirtschaftskrise hat

    Elisabeth Schmidt, Korrespondentin ZDF-Studio Peking
    von Elisabeth Schmidt, Peking
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    Pekings Wirtschaftsmodell ist an seine Grenzen gestoßen. Doch die Staatsführung hat große Reformen bislang versäumt. Auch international wird das zunehmend zur Belastung.

    Menschen gehen unter dem Oriental Pearl Tower im Finanzzentrum Liuiazui in Shanghai
    Die chinesische Wirtschaft steckt in einer Krise. Importe und Exporte sind rückläufig. Chinas stockendes Wachstum beeinflusst auch die Weltwirtschaft.
    Quelle: EPA

    Fast jede Woche eine neue Finanz-Hiobsbotschaft aus der Volksrepublik: Die Zwangsauflösung des einst größten chinesischen und hoch verschuldeten Baukonzerns Evergrande Ende Januar. Zudem sind die Bösen seit Wochen auf Talfahrt. Anfang Februar sank der wichtigste chinesische Index SSE (Shanghai Stock Exchange) erstmals seit mehreren Jahren unter den Wert von 2.700 Punkten.

    Experte sieht wirtschaftliche Kapitulation

    Dann zog die Staatsführung die bislang deutlichste Konsequenz aus der Aktien-Talfahrt: Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, wurde der bisherige Chef von Chinas Wertpapier-Aufsicht kurz vor den Feierlichkeiten zum Chinesischen Neujahr ausgetauscht.
    Evergrande Palace in Peking.
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    "Was wir in China sehen, ist eine Kapitulation", sagte Florian Neto, Leiter Investment Hongkong und Taiwan beim Vermögensverwalter Amundi, dem Börsensender CNBC. Zur Talfahrt führten vor allem Chinas Immobilienkrise, die schwache wirtschaftliche Entwicklung des Landes sowie die anhaltenden Spannungen mit den USA, so Neto.

    China: Exporte und Importe rückläufig

    Auch international macht sich Chinas Wirtschaftskrise bereits bemerkbar: Zum ersten Mal seit sieben Jahren gingen die Exporte der Volksrepublik 2023 laut Daten des chinesischen Zolls zurück: Minus 4,6 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahr. 2022 waren die Exporte noch um sieben Prozent gestiegen.
    Auch Chinas Importe gingen zurück, um 5,5 Prozent. Der Handel der Volksrepublik hat mit der schwächelnden Nachfrage im In- und Ausland zu kämpfen. Für 2024 haben die meisten chinesischen Provinzen zuletzt ihre Wachstumsziele herunter korrigiert.
    Mutter und ihre rennenden Kinder mit Mundschutz auf einer Straße in Peking
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    Weltwirtschaft von stockendem Wachstum beeinflusst

    "Wenn in China das Wachstum stockt, dann hat das für die gesamte Welt einen messbaren Effekt", meint Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Das Ausland sei zweifach betroffen: Zum einen dadurch, dass die Chinesen weniger importieren - Konsumgüter und Maschinen, aber auch Rohstoffe. Die chinesischen Verbraucher halten sich derzeit mit großen Anschaffungen zurück, die Preise fallen, es herrscht Deflation.
    Zum anderen haben chinesischen Firmen gewaltige Überkapazitäten aufgebaut, etwa bei Elektroautos und Solarpaneelen. Wird in der Volksrepublik selbst weniger konsumiert, dürften die Unternehmen versuchen, den Rest der Welt mit Waren zu Dumpingpreisen zu überschwemmen - zum Schaden der ausländischen Konkurrenz.
    Mitarbeiterin in einer LED-Verpackungs-Firma
    Die chinesische Wirtschaft konnte im vergangenen Jahr ein Wachstum von 5,2 Prozent verzeichnen. Die Pandemiejahre ausgenommen ist das der schwächste Wert seit drei Jahrzehnten. 17.01.2024 | 1:33 min

    Experte erwartet keine globale Finanzkrise

    Dies seien aber Handelseffekte, sagt Gern. "So etwas wie die globale Finanzkrise, die ja auch aus einer Immobilienkrise, nämlich in den USA, erwachsen ist, müssen wir wohl nicht befürchten, weil die finanziellen Verbindungen Chinas mit dem Rest der Welt doch sehr überschaubar sind." Dennoch befinde sich die Volksrepublik in einer Problemlage, in der nicht ganz klar sei, wie stark die Auswirkungen tatsächlich sind. Gern betont:

    Es bestehen erhebliche Risiken und angesichts der Größe des Landes sind das dann auch Risiken für den Rest der Welt.

    Klaus-Jürgen Gern, Institut für Weltwirtschaft, Kiel.

    Die Immobilienkrise, so Gern weiter, bremse gegenwärtig nur das Wirtschaftswachstum, es könne aber auch noch schlimmer kommen.

    Mehrheit der Unternehmen plant, im Land zu bleiben
    Während 83 Prozent der deutschen Unternehmen, die in China produzieren, nach einer Umfrage der Deutschen Handelskammer in Peking von einem Abwärtstrend der Wirtschaft in der Volksrepublik ausgehen, plant die überwiegende Mehrheit (91 Prozent) weiter im Land zu bleiben. Die meisten rechnen auch damit, dass ihr Unternehmen in den kommenden Jahren trotz angespannter Lage weiterwachsen werde.

    Bundesregierung will unabhängiger werden
    Die deutsche Bundesregierung hat dagegen bereits auf die zunehmende wirtschaftliche und politische Unsicherheit in China reagiert: Sie fördert immer weniger Investitionen in der Volksrepublik und investiert in andere Märkte. "De-Risking" ist das Stichwort, unter dem die deutsche Wirtschaft sich breiter aufstellen und unabhängiger machen soll vom Reich der Mitte.

    Immer weniger Investitionsgarantien
    2023 erteilte der Bund nach einem Bericht der Zeitung Wirtschaftswoche nur noch acht Investitionsgarantien für China, neun waren es im Vorjahr, zwölf 2021. Mit den Garantien sichert die Bundesregierung seit 1960 Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland gegen unkalkulierbare politische Risiken ab, etwa Enteignungen, Terrorakte, Zahlungsstopps und Kriege.

    Staatsführung in China reagiert

    Unsicherheitsfaktor ist Chinas Staatsführung selbst. Sie versucht seit Monaten mit unterschiedlichen Maßnahmen dem Negativtrend entgegenzuwirken, etwa durch Erleichterungen bei der Kreditvergabe für Wohnungskäufer, aber auch durch weitere Regulierungen auf dem Aktienmarkt: Das Verleihen bestimmter Aktien (Anm. d. Red.: sog. "restricted shares") ist seit kurzem verboten, um die Kurseinbrüche zu stabilisieren.
    Touristinnen und Touristen warten vor einem Tempel in China
    Die chinesische Wirtschaft hat sich nach dem Ende der Corona-Pandemie nicht so gut erholt wie von der Regierung erhofft. 17.01.2024 | 3:37 min
    Die Staatsführung ist nervös, strukturelle Probleme werden in diesen Tagen immer deutlicher. Chinas bisheriges Wirtschaftsmodell, das von Schulden und Spekulationen getrieben war, vor allem im Immobiliensektor, hat ausgedient, sagt Max Zenglein vom Mercator Institut für China-Studien. Es gehe Peking derzeit darum, "dass die Wirtschaft sich strategisch ausrichtet". Man habe den Fokus - und die staatlichen Förderungen - auf die herstellende Industrie, auf Technologie und Innovation gelegt.

    Regulierung durch Kommunistische Partei

    Statt eines freien, wettbewerbsorientierten Marktes und umfassender Wirtschaftsreformen, reagierten Chinas Machthaber Xi Jinping allerdings mit noch mehr Regulierung. Zenglein erläutert:

    Ich sehe momentan eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik, die weniger reformorientiert ist, sondern es geht eher in die Richtung, dass der Staat und vor allem die Kommunistische Partei wesentlich stärker in die Wirtschaft eingreift.

    Max Zenglein, Mercator Institut für China-Studien

    Chinas Wirtschaft steht ein schwieriges Jahr bevor.
    Elisabeth Schmidt ist Korrespondentin im ZDF-Auslandsstudio Peking.

    Wirtschaftliche Abhängigkeit
    :Umgang mit China: Weniger Risiko - nur wie?

    Deutschland versucht weniger abhängig zu werden von China. Aber De-Risking, also weniger China-Risiko, ist leichter gesagt als getan. Was plant Deutschland?
    Thomas Reichart, Berlin
    Zu sehen sind die Flaggen Deutschlands und Chinas; im Hintergrund die Kuppel des Reichtstags.
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