Slowakei nach Präsidentschaftswahl - so gespalten wie nie

    Pellegrini neuer Präsident:Stichwahl zeigt: Slowakei gespalten wie nie

    Christian von Rechenberg
    von Christian von Rechenberg
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    In der Slowakei lieferten sich Peter Pellegrini und sein Widersacher Ivan Korcok einen harten Wahlkampf. Das Ergebnis fiel äußerst knapp aus, was die Spaltung im Land zeigt.

    Peter Pellegrini
    In der Slowakei hat der russlandfreundliche Peter Pellegrini die Präsidentschaftswahl gewonnen. 07.04.2024 | 1:14 min
    Peter Pellegrini und sein Wahlkampf-Team hatten sich für die Wahlnacht einen pittoresken Ort ausgesucht: Im Hintergrund die Altstadt von Bratislava, gekrönt von der hellerleuchteten Burg - dem Wahrzeichen der Stadt. Nachdem fast alle Stimmbezirke ausgezählt waren, und im slowakischen Fernsehen die Prozent-Zahlen hinter den Konterfeis der beiden Kandidaten endgültig zu Stillstand kamen, knallten die Korken: knapp 53 Prozent für Pellegrini - knapp 47 Prozent für Korcok.
    Lange Zeit sah es so aus, als würde der liberale und von der von großen Teilen der Opposition unterstützte Ivan Korcok noch aufholen. Nun liegen sich Pellegrinis Anhänger in den Armen. "Unter der Führung des neuen Präsidenten Pellegrini kommt die so wichtige Ruhe ins Land", freut sich Pellegrini-Anhänger Michael Bartek, "und die geteilte Gesellschaft kann sich wieder einen".
    Das slowakische Parlament
    In der Slowakei hatte das Parlament im Februar eine umstrittene Justizreform beschlossen. Strafen für Korruption sollen reduziert und die zuständige Sonderstaatsanwaltschaft aufgelöst werden.09.02.2024 | 0:21 min

    Peter Pellegrini war Wunschkandidat von Regierungschef Fico

    Womit er Recht hat: Die slowakische Gesellschaft ist gespalten wie nie. Viele sind unzufrieden mit dem Kurs des nationalistischen und linkspopulistischen Regierungschefs Robert Fico. Der Wahlkampf hatte viel Öl ins Feuer gegossen, vor allem seitens des Lagers Pellegrini, sagen dessen Kritiker.
    Pellegrinis Partei ist Teil der Regierungskoalition, er trägt deren umstrittenen Kurs mit. Dementsprechend war er Ficos Wunschkandidat. Fico gratuliert noch in der Wahlnacht, mit einem bemerkenswerten Statement.

    Heute haben die Slowaken bewiesen, dass ihnen die Gefahren bewusst sind, die dem Land von liberalen Medien, Aktivisten, NGOs und sogenannten Fortschrittlichen drohen.

    Robert Fico, Regierungschef Slowakei

    Protestierende Menschen in der Slowakei
    Tausende hatten im Vorfeld gegen die geplante Justizreform demonstriert.26.01.2024 | 0:20 min

    Slowakei: Wohl keine Ruhe nach der Wahl

    Das klingt nicht nach Ruhe und Einheit. Tatsächlich kann Pellegrini als neuer Präsident den Kurs der Regierung und ihres aggressiv agierenden Chefs nur mittelbar beeinflussen, etwa, indem er Gesetze aufhält oder hochrangige Richterinnen und Richter ernennt. Aber, sagt der Politikwissenschaftler Grigorij Mesežnikov, der Präsident hat großes moralisches Gewicht. Und daher sei es sehr wohl wichtig, wer diese Funktion ausübe.

    Ein Präsident, der eindeutig ein Befürworter der westlichen Orientierung und der demokratischen Entwicklung ist, kann durch das Gewicht seiner Autorität die Bürger dazu ermutigen, die Demokratie wenn nötig zu verteidigen. Peter Pellegrini ist kein solcher Kandidat.

    Grigorij Mesežnikov, Institut für öffentliche Fragen

    Heute in Europa Bilder
    Robert Fico, der neue Premierminister der Slowakei, begann schon im Dezember das Land umzubauen – und ging dabei nicht sonderlich demokratisch vor.04.12.2023 | 2:13 min

    Wahlverlierer Korcok zeigte offen seine Enttäuschung

    Ivan Korcok vereinte all diese Hoffnungen der Opposition. Als an seiner Niederlage kein Zweifel mehr bestand, trat er vor seine Anhänger. Korcok, der Berufsdiplomat und ehemalige Außenminister, gab sich im Wahlkampf meist fair und ausgleichend. Das brachte ihm viel Sympathien ein.
    Nun macht er aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: "Es hat sich gezeigt, dass man Präsident der Slowakischen Republik werden kann, indem man nicht nur Hass verbreitet, Emotionen peitscht und die Leute auf die Barrikaden bringt, sondern dass man auch gewinnen kann, wenn man den anderen Kandidaten, also mich, zu einem Kriegstreiber macht."
    Bilder für Heute in Europa
    Vor etwa fünf Jahren musste der slowakische Ministerpräsident Fico wegen Korruptionsvorwürfen sein Amt räumen. Kaum wieder im Amt versucht er Maßnahmen gegen Korruption abzuschaffen. Die EU-Kommission protestiert - und droht mit einem Entzug der Fördergelder.31.01.2024 | 2:04 min

    Unter Pellegrini größere Distanz zur EU

    Tatsächlich steht Korcok für eine stabile Solidarität mit der Ukraine. Pellegrini stattdessen für Verhandlungen mit Putin. Und so war es eines der Narrative Pellegrinis, dass Korcok, einmal Präsident, slowakische Soldaten in den Krieg schicken würde. Was erstens nicht stimmt und zweitens dem Präsidenten qua Amt nicht möglich ist.
    Pellegrinis Anhänger glaubten ihm. Sie glaubten ihm auch, dass die Slowakei als EU-Mitglied wieder unabhängiger werden müsse. Pellegrini verpackte das in Ja-Aber-Sätze: Ja zur EU, aber immer mit "souveräner Stimme". Grigorij Mesežnikovs Fazit zu dieser Wahl ist dementsprechend eindeutig: Unter Präsident Pellegrini wird sich die Slowakei weiter von der EU entfernen.

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