Ukraine: So sieht das Leben im besetzten Mariupol aus

    Ukraine:So sieht das Leben im besetzten Mariupol aus

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    Wer lebt eigentlich noch in den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine? Und wie sieht das Leben dort aus? ZDF-Korrespondent Armin Coerper ist vor Ort und berichtet.

    Armin Coerper
    Armin Coerper ist unterwegs im von Russland besetzten Mariupol. Er schildert seine Eindrücke und erklärt, wie er vor Ort berichten kann. Es sei sehr viel Militär in der Stadt.29.01.2024 | 10:57 min
    Tausende Menschen starben in Mariupol, seit Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 begann. Ein trauriger Höhepunkt war, als das russische Militär einen Monat nach Kriegsbeginn ein Theater bombardierte, in dem Hunderte Menschen Zuflucht gesucht hatten. Im Mai desselben Jahres ergaben sich die letzten Verteidiger.
    Doch wie lebt es sich unter russischer Besatzung? Wer lebt überhaupt noch in Mariupol? ZDF-Korrespondent Armin Coerper ist in die Stadt im Süden der Ukraine gereist, hat sich umgesehen und mit Menschen gesprochen.
    Mariupol Theater
    Im Frühjahr 2022 wird die Hafenstadt Mariupol von russischen Truppen bombardiert - weite Teile der Stadt werden zerstört. Am 20. Mai ergeben sich die letzten ukrainischen Soldaten.29.01.2024 | 1:19 min

    ZDF-Korrespondent: Keine Einschränkungen für Team in Mariupol

    Bei ZDFheute live berichtet der Journalist, dass er und sein Team zur Einreise Papiere von russischer Seite benötigten. "Ich möchte ganz deutlich machen, dass das nicht heißt, dass wir diese Besatzung von Russland anerkennen", so Armin Coerper. Sie könnten sich frei bewegen und würden nach seiner Beobachtung nicht überwacht werden.
    Aber wie sieht das Leben nun unter russischer Besetzung aus?

    Mariupol ist keine Geisterstadt, das möchte ich ganz klar sagen.

    Armin Coerper, ZDF-Korrespondent

    "Man sieht hier Leute auf der Straße. Sie führen hier ihr Leben und sie sind offen", berichtet Coerper weiter. Er habe keine Vorbehalte unter den Menschen gespürt. Die, die sie angesprochen hätten, hätten auch mit ihnen geredet.

    Was sich unter russischer Besatzung verändert hat

    Die Frage, wie viele Menschen derzeit in Mariupol leben, lasse sich sehr schwer beantworten. Es gebe keine offiziellen Zahlen. Sein Eindruck sei, so Armin Coerper, dass die Mehrheit pro-russisch eingestellt sei. "Wenn es noch Menschen in dieser Stadt gibt, die pro-westlich sind, dann sind die wahrscheinlich sehr viel zurückhaltender und fürchten möglicherweise auch Repressalien, wenn sie mit uns sprechen", räumte Coerper ein.
    Ein zerstörtes Gebäude im Donbass.
    Seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine vor knapp zwei Jahren hat sich in dem Land viel verändert. ZDF-Korrespondent Armin Coerper berichtet über die Lage im Donbass. 30.01.2024 | 4:39 min
    Russisch sei schon vor dem Krieg die vorherrschende Sprache in Mariupol gewesen. Am Theater - das später bombardiert wurde - habe man aber vorher keine Stücke auf Russisch spielen dürfen, berichteten Schauspieler dem ZDF-Korrespondenten. Jetzt sei das anders. Ein weiterer Ort, an dem die russische Besatzung spürbar ist, ist die Bildung.

    In den Schulen gibt es neue Bücher, neue Lehrpläne. Der Geschichtsunterricht, all das folgt jetzt natürlich der russischen Narration.

    Armin Coerper, ZDF-Korrespondent

    Werden Russen in Mariupol angesiedelt?

    Die Stadt funktioniere. Geschäfte und Restaurants seien geöffnet. Es gebe Heizung und fließendes, warmes Wasser sowie Internet.
    Und Widerstand? "Davon sehe ich nichts", so Coerper. Stattdessen sollen angeblich Russen in Mariupol angesiedelt werden. Er habe davon zwar nichts mitbekommen, aber es mache aus Russlands Sicht Sinn, so der Korrespondent.

    Wenn die Wirtschaft hier wieder anlaufen soll, der Hafen und so weiter, dann braucht es Menschen. Und Russland hat natürlich ein Interesse, russische Menschen hier anzusiedeln.

    Armin Coerper, ZDF-Korrespondent

    Momentan werde die Stadt wieder aufgebaut - vornehmlich von Menschen aus Russland beziehungsweise Zentralasien.
    Anmerkung 30.01.:
    Das ZDF nimmt die Kritik an der Berichterstattung aus Mariupol ernst. Der Moskauer Studioleiter Armin Coerper ist nach Mariupol gereist, um sich dort als Journalist ein unabhängiges Bild der Lage in den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten zu machen. Dabei berichtet er über die durch den russischen Angriffskrieg völlig zerstörte Stadt und ihre erzwungene Russifizierung. Armin Coerper macht dabei transparent, dass Gegner der russischen Besatzung Repressalien zu fürchten haben, wenn sie mit einem westlichen Journalisten sprechen. 
    Im Gespräch mit "ZDFheute live" am 29. Januar 2024 hat Armin Coerper die missverständliche Formulierung "die Stadt funktioniert" gewählt. Dieses Zitat allein herauszugreifen, gibt seinen Eindruck allerdings nur verkürzt wieder. Armin Coerper schildert vielmehr, wie Russland versucht, mit erheblichen Finanzmitteln den Eindruck von Normalität und Wiederaufbau zu erzeugen.
    In der gleichen Sendung hat ZDF-Reporterin Anne Brühl aus Odessa über die Sichtweise der Ukraine auf die von Russland besetzten Gebiete und die Lage ukrainischer Binnenflüchtlinge berichtet.
    Das ZDF hat in seiner Berichterstattung aus der Ukraine zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran gelassen, dass es sich bei Mariupol um von Russland widerrechtlich besetztes Territorium handelt und wer in diesem Krieg Angreifer und Opfer ist.
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