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Ausweisung von Journalisten:Amt sorgt für diplomatischen Eklat mit Moskau
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Russland weist zwei ARD-Journalisten aus, woraufhin das Auswärtige Amt den russischen Botschafter einbestellt. Doch den ersten Schritt in dem Streit unternahm eine deutsche Behörde.
"Russland weist zwei ARD-Journalisten aus." Diese Meldung dominierte vor gut zwei Wochen die Schlagzeilen. Dem vorausgegangen war der Bericht des Deutschland-Korrespondenten des ersten Kanals des russischen Fernsehens, Iwan Blagoj, der darüber berichtete, dass Deutschland ihm und seinem Kameramann die Aufenthaltserlaubnis entziehe.
Der Bericht war reißerisch und Blagoj inszenierte sich als Opfer deutscher Willkür. Deutschland, das immer so stolz auf seine Pressefreiheit sei, schränke diese selbst ein und verhindere freie Berichterstattung, so Blagojs Vorwurf.
In diesen Kanon stimmte auch der stellvertretende Außenminister Russlands ein. Sergej Riabkow posaunte über seinen Telegram-Kanal hinaus, Deutschland schließe das Büro des Perwy Kanals. Das stimmte zwar nicht, weil nur für Korrespondent und Kameramann die Aufenthaltstitel nicht verlängert wurden, doch die Empörung auf russischer Seite war groß. Auf Details und Fakten kam es schon längst nicht mehr an.
Später trat die Sprecherin des Außenministeriums Marija Sacharowa vor die Presse und verkündete als Gegenmaßnahme die Ausweisung der zwei ARD-Journalisten. Doch was war eigentlich vor der ganzen Aufregung passiert?
Wie russische Journalisten in Deutschland arbeiten
Iwan Blagoj zitierte in seinem Bericht aus einem zehnseitigen Dokument, das ihm von "deutschen Behörden" zugestellt worden sein soll. In dem TV-Bericht kann man deutlich deutsche Worte lesen: "Berlin" und "Landesamt für Einwanderung". Tatsächlich brauchen ausländische Journalisten in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis, um ihrer Arbeit nachgehen zu dürfen. Eine extra Genehmigung einer anderen Stelle ist hierzulande nicht nötig.
Die Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis ist Ländersache. Wer also beispielsweise aus Paderborn berichten will, muss sich an die dort zuständige Ausländerbehörde wenden. Wer, was zugegebenermaßen öfter vorkommt, als Korrespondent aus der Hauptstadt informieren will, muss sich an die zuständige Behörde in Berlin wenden - das Landesamt für Einwanderung, kurz LEA.
Wie Journalisten in Russland arbeiten
Um die recht komplizierte Gemengelage zu verstehen, ein kleiner Exkurs über die Arbeitsweise von Journalisten in Russland: In Russland brauchen ausländische Journalisten ein Journalisten-Visum für die Einreise und eine Genehmigung des russischen Außenministeriums, die Akkreditierung genannt wird.
Das Ganze ist zentral bei den staatlichen Behörden angesiedelt - und nicht wie in Deutschland auf Länderebene. Das heißt auch, das russische Außenministerium kann deutschen Journalisten die Arbeitserlaubnis entziehen, das Auswärtige Amt russischen Journalisten aber nicht.
Auswärtige Amt weist russische Behauptungen zurück
In der Bundespressekonferenz beeilte sich das Auswärtige Amt festzustellen, dass die russischen Behauptungen falsch seien, die Bundesregierung habe das Büro dieses Senders nicht geschlossen.
Russische Journalistinnen und Journalisten können in Deutschland frei und ungehindert berichten.
Auswärtiges Amt
Also alles eine von russischen Staatsmedien aufgeblasene Posse? Mitnichten.
Der Sprecher des Auswärtigen Amtes fügte hinzu: "Ich kann nur mutmaßen, dass das zusammenhängt mit aufenthaltsrechtlichen Fragen." Regierungssprecher Steffen Hebestreit ergänzte: "Wenn man aufenthaltsrechtliche Vorgaben nicht erfüllt, dann nützt es auch nichts, sich als Journalist beruflich zu betätigen, sondern man muss schon die Auflagen erfüllen."
Russischer Sender mit EU-Sanktionen belegt
Auflagen erfüllen. Das klingt erstmal nach reinen Formalien, die die russischen Journalisten nicht erfüllt haben. Eine ZDFheute-Anfrage an das Landesamt für Einwanderung beantwortet zunächst die Berliner Senatsverwaltung des Inneren. Dort erklärt man, dass den beiden russischen Journalisten die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert werde, weil der Sender Perwy Kanal im neunten EU-Sanktionspaket gelistet werde.
Der Vorwurf: Der Erste Kanal verbreite Propaganda und Desinformation. Das betreffe auch zwei weitere russische Journalisten, denen ihre ablehnenden Bescheide bereits früher im Jahr zugestellt worden seien. Es geht also um das turnusgemäße Auslaufen von Aufenthaltstiteln, die wegen der Sanktionspakete der EU nicht verlängert werden.
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Waren Bundesbehörden involviert?
Das klingt nicht nach Formalien, sondern nach handfesten Vorwürfen, die auf EU-Ebene entschieden und vom Landesamt umgesetzt wurden. Das LEA geht also mit Aufenthaltsrecht gegen Propaganda vor. Rechtlich möglich, aber mit politisch weitreichenden Konsequenzen.
Fragt sich, ob die Bundesbehörden eingebunden waren. Die Antwort des Landesamts für Einwanderung in Berlin auf eine Anfrage von ZDFheute lautet:
Nein. Es handelt sich um eine aufenthaltsrechtliche Einzelfallentscheidung aufgrund eines Bundesgesetzes, ohne dass das LEA einen Spielraum bei der Entscheidung hätte.
Landesamt für Einwanderung Berlin
Und weiter: "Im Übrigen gäbe es für eine solche Beteiligung schon keine (datenschutz-)rechtliche Grundlage."
Auge um Auge, Zahn um Zahn: Folgen für deutsche Journalisten in Russland
Es ist davon auszugehen, dass das Amt wusste, welche Folgen eine solche Entscheidung für deutsche Journalisten in Russland haben kann. Am 4. Februar 2022 schloss das russische Außenministerium als Reaktion auf das Verbot des deutschsprachigen Programms des Staatssenders RT DE das Büro der Deutschen Welle in Moskau. Das russische Außenministerium handelt in Medienfragen immer nach dem Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Für deutsche Journalisten in Moskau ist das Vorgehen des deutschen Amts ein Problem. Auch wenn es datenschutzrechtlich geboten und eine Zuständigkeit des Landes Berlin ist, hängt von diesen Einzelfallentscheidungen mutmaßlich der Verbleib der deutschen Korrespondenten in Russland ab. Das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft könnten in dem Fall nur noch reagieren, wenn das Kind längst in den Brunnen gefallen ist.
Landesbehördliche Entscheidung mit brisanten Konsequenzen
Zwar ist das Aufenthaltsrecht in Deutschland Sache der Länder. Doch genauso klar ist, dass hier die Entscheidung einer Landesbehörde außenpolitische und diplomatisch brisante Konsequenzen hat, für die die Landesbehörde nicht zuständig ist. Es könnte also bei der Entscheidung einen Ermessensspielraum geben, den die Berliner Behörde durchaus hat, aber nicht nutzt.
Sie könnte in Zukunft weiteren russischen Journalisten die Aufenthaltsgenehmigung verweigern, was weitere Ausweisungen deutscher Korrespondenten nach sich ziehen würde. Das könnte dann auch das ZDF betreffen, das zurzeit mit Armin Coerper nur noch einen Korrespondenten in Russland hat.
Quelle: dpa
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