Will Putin atomar betriebene Raketen testen?

    Russische "Wunderwaffe":Will Putin atomar betriebene Raketen testen?

    Oliver Klein
    von Oliver Klein
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    Satellitenbilder deuten darauf hin, dass Russland neue "Wunderwaffen" testen will - atomar betriebene Marschflugkörper. Es wäre nicht das erste Mal. Bisher ging es immer schief.

    Wladimir Putin
    Russlands Präsident Wladimir Putin - auffällige Bewegungen an Atomteststandorten.
    Quelle: dpa

    Russland plant offenbar, erneut eine "Wunderwaffe" zu testen - atomar betriebene Marschflugkörper, die sogenannten Burewestniks. Von der Nato werden sie "SSC-X-9 Skyfall" genannt, auf Deutsch heißt Burewestnik so viel wie Sturmvogel: Es sind atomar betriebene Marschflugkörper, die selbst Atombomben tragen können.
    Satellitenbilder und auch Flugbewegungen an einem Stützpunkt in der abgelegenen russischen Arktisregion Nowaja Semlja deuten jetzt auf Vorbereitungen für neue Tests hin. Die entsprechenden Aktivitäten jedenfalls ähneln denen, die bereits früheren Tests vorausgingen, wie die "New York Times" in einer Analyse berichtet.

    Putin gelten sie als Wunderwaffe: Burewestnik-Marschflugkörper sollen über einen Kernreaktor als Antrieb verfügen. Laut einem Bericht der Organisation Nuclear Threat Initiative handelt es sich um eine "Zweitschlagwaffe", die dann noch abgefeuert werden soll, wenn eine Welle nuklearer Angriffe Ziele in Russland bereits zerstört hat. Burewestniks sollen vermutlich ebenfalls nukleare Sprengköpfe tragen und über 20.000 Kilometer weit fliegen. Sie könnten damit die halbe Welt umrunden und jeden Ort in den USA treffen - in der Theorie.

    In der Praxis hat die angebliche Wunderwaffe bisher offenbar jedes Mal kolossal versagt: 13 Tests hatte Russland laut Nuclear Threat Initiative zwischen 2017 und 2019 bereits durchgeführt - alle erfolglos. Meist seien die Raketen bereits nach wenigen Kilometern abgestürzt, der erfolgreichste Flug dauerte dem Bericht zufolge etwa zwei Minuten.

    2019 kam es zu einer Nuklearexplosion auf dem russischen Marinetestgelände Njonoksa - vermutlich als eine abgestürzte Burewestnik-Rakete aus dem Meer geborgen werden sollte. Fünf Wissenschaftler und zwei Militärs seien dabei getötet worden, berichtete die Deutsche Welle. Damals war auch eine erhöhte Radioaktivität in der Gegend am Weißen Meer gemessen worden. Der frühere US-Präsident Donald Trump schrieb bei Twitter, es habe sich um die berüchtigte Burewestnik gehandelt - eindeutig erwiesen ist das jedoch bis heute nicht.

    Auf einem Satellitenbild vom 20. September 2023 sind mehrere Fahrzeuge an der Abschussrampe zu sehen, auch ein Anhänger in einer ähnlichen Größe wie die Rakete.
    Am Nachmittag des selben Tages ist der Bereich um die Abschussrampe fast leer, nur noch ein Fahrzeug ist zu sehen.

    Bereich um die Abschussrampe am Morgen des 20. September 2023

    Auf einem Satellitenbild vom 20. September 2023 sind mehrere Fahrzeuge an der Abschussrampe zu sehen, auch ein Anhänger in einer ähnlichen Größe wie die Rakete.

    Quelle: Planet Labs PPC


    Satellitenbilder offenbaren Bewegungen an Abschussrampe

    Mehrere Beobachtungen sprechen dem Bericht zufolge für neue Tests: So standen beispielsweise am Morgen des 20. September dieses Jahres zahlreiche Fahrzeuge an der Abschussrampe, darunter auch ein Lastwagen mit einem Anhänger in der Größe des Marschflugkörpers. Zudem wurde ein Wetterschutzdach, das die Rampe normalerweise bedeckt, verschoben. Bereits am Nachmittag war sowohl der Anhänger weg und auch das Schutzdach stand wieder auf dem sonst üblichen Platz.
    Satellitenbilder, die acht Tage später aufgenommen wurden, zeigen erneut die gleichen Bewegungen auf der Militärbasis - die nach Analysen der "New York Times" auch übereinstimmen mit Satellitenbildern von Russlands Tests in den Jahren 2017 und 2018.

    Mehr Indizien für Tests auf dem Gelände

    Für bevorstehende oder bereits durchgeführte Tests spricht dem Bericht zufolge außerdem:
    • Warnung für den Luftverkehr: Russische Behörden gaben für die Luftfahrt Ende August eine Gefahrenwarnung heraus - Piloten sollen das Gebiet umfliegen. Ähnliche Warnungen gab es vor einem Test im Jahr 2019.
    • US-Aufklärungsflüge: In den vergangenen zwei Wochen wurden in der Region mindestens zwei Flüge von US-Aufklärungsflugzeugen bei flightradar.24 registriert.
    • Rosatom-Flugzeuge landeten in der Nähe: Laut einer Analyse von Satellitenbildern der norwegischen Umweltorganisation Bellona waren Anfang August zwei Flugzeuge des russischen Atomenergiekonzerns Rosatom etwa 160 Kilometer südlich des Testgeländes auf einem Luftwaffenstützpunkt gelandet. Ihre Funktion: Sammeln von Daten von Raketenstarts. Auch bei Burewestnik-Tests im Jahr 2018 befanden sich Flugzeuge des gleichen Typs in der Nähe.
    Es würde zwar noch Jahre dauern, bis die Burewestnik einsatzfähig sei, zitiert die "New York Times" Daryl G. Kimball, Geschäftsführer der Arms Control Association. Sie sei jedoch auch schon während der Test- und Entwicklungsphase gefährlich. Zudem: Die Rakete könnte "ein unkontrolliertes Wettrüsten" auslösen, wenn kein neues Abkommen geschlossen werde.

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    Kreml lässt Bericht dementieren

    Allen Indizien zum Trotz: Moskau ließ den Bericht der "New York Times" umgehend dementieren. "Ich weiß nicht, woher die Journalisten das haben", sagte Kreml-Sprecher Peskow der Nachrichtenagentur Reuters zufolge. Es sei "offenbar notwendig, Satellitenbilder genauer zu untersuchen". Vom Weißen Haus bekam die "New York Times" keine Stellungnahme.
    Erst Ende September war bekannt geworden, dass Russland das Atomtestgelände in der Region Nowaja Semlja seit Jahren umfangreich ausbaut - das belegen Satellitenbilder, über die der US-Nachrichtensender "CNN" berichtete.
    Diese Bilder zeigen, wie Russland sein Atomtestgelände erweitert:
    Atomtestgelände auf Nowaja Semlja in Russland am 7. Juli 2021 - bevor umfangreiche Baumaßnahmen begannen.
    Atomtestgelände "Semlja Oblast Archangelsk" in Russland am 22.06.2023.

    Atomtestgelände "Semlja Oblast Archangelsk" in Russland

    Atomtestgelände "Semlja Oblast Archangelsk" in Russland am 07.07.2021.

    Quelle: Planet Labs PBC


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