Slowakei: Wird Fico nach Orban zum nächsten Problem der EU?

    EU-Gipfel :Slowakei: Wird Fico zum nächsten EU-Problem?

    Britta Hilpert
    von Britta Hilpert
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    Ende September kam Robert Fico zum vierten Mal an die Macht in der Slowakei. Seine ersten Schritte erinnern an Viktor Orban: Bekommt die EU ihren nächsten Problemfall?

    Heute in Europa Bilder
    Robert Fico, der neue Premierminister der Slowakei, beginnt bereits das Land umzubauen - und geht dabei nicht sonderlich demokratisch vor. Unter anderem sollen mehrere Medien nicht mehr in das Regierungsbüro gelassen werden. 04.12.2023 | 2:13 min
    Die Staats- und Regierungschefs der EU werden sich auch diese Woche wieder mit Viktor Orbans Forderungen auseinandersetzen. Sein antieuropäischer Kurs ist fast schon Normalität und nun könnte der EU neuer Ärger drohen - aus der Slowakei.
    Ein Video liefert einen Eindruck über die neue Regierung des Landes: Man sieht Ľuboš Blaha wie er aus seinem neuen Parlamentsbüro erst einmal die EU-Fahne entfernt, und dann das Bild der Präsidentin der Slowakei. An ihre Stelle hängt er ein Che Guevara-Porträt.

    Robert Ficos Kampfansage an die Medien

    Das Video gibt denen recht, die die neue Regierung unter Robert Fico "linkspopulistisch" nennen. Nach den ersten Wochen nach der Slowakei-Wahl überwiegen die populistischen Elemente, zum Beispiel dieses: Fico teilt die Presse ein in feindliche und freundliche Medien, nur die freundlichen, so kündigt er an, will er zu Pressekonferenzen zulassen.

    Es werden auf meine Anweisung hin die Akkreditierungen aller Medien (…) überprüft.

    Robert Fico

    So sagte er kürzlich im Nationalrat: "Die Zeit ist zu Ende, in der Medien diesen Staat geführt haben. Vor allem feindliche Medien werden das nicht mehr tun können."

    Korruptionsermittlungen gegen frühere Regierung

    Damit ist auch die Zeitung SME gemeint, die schon mal getitelt hatte: "Muss Fico hinter Gitter?" Sie berichtete über Korruption und mafiöse Strukturen einer früheren Fico-Regierung. SME-Chefredakteurin Beta Balogova erzählt, Fico spreche schon lange nicht mehr mit ihrer Zeitung. Anfragen werden nicht beantwortet, Interviewbitten ignoriert. Aber eine amtlich verfügte Ausgrenzung sei eines EU-Landes unwürdig.
    "Wir sind der Wachhund der Demokratie", sagt Beta Balogova, "das gefällt Robert Fico natürlich nicht. Feindliche Medien, das sind für ihn die, die sein Regieren kritisieren, und an die Korruptionsskandale erinnern."

    CZECH-SLOVAKIA-POLITICS-DIPLOMACY
    Quelle: AFP

    Ficos Partei wurde bei den Wahlen Ende September mit rund 23 Prozent stärkste Kraft. Er bildete eine Koalition mit einer weiteren Links-Partei und ultrarechten Nationalisten. So konnte er zum vierten Mal Ministerpräsident werden, nur fünf Jahre nachdem ihn Massendemonstrationen gegen Korruption und mafiöse Verstrickungen seiner Regierung aus dem Amt gedrängt hatten. 

    Fico will die Macht nicht so schnell wieder verlieren, deshalb wohl nimmt er sich kritische Medien, NGOs und Korruptionsermittlungen als erste vor. Denn Korruptionsermittlungen könnten seinen Machtzirkel wieder gefährden.

    Umstrukturierung nach Orbans Vorbild

    In der Polizei wurde insbesondere die Führung bereits ausgetauscht. Ähnliche Prozesse beobachtet Politologe Jozef Bátora von der Comenius Universität Bratislava in den Ministerien: "Da werden Beamte massenweise ausgetauscht in unterschiedlichen Ministerien und dadurch geht natürlich eine Menge Expertise verloren. Das ist politisch motiviert, man will politisch Kontrolle erzwingen."
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    Auch bei Gesetzen setzt Fico an: Ein schwächeres Strafrecht gegen Korruption soll es geben und ein NGO-Gesetz. Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, wie die Korruptionsbekämpfer von Transparency International, müssen sich künftig als "ausländische Agenten" registrieren lassen. So sollen sie besser kontrolliert werden können.

    Viktor Orbans neuer EU-Verbündeter?

    Vieles, was Fico ankündigt, erinnert an Orbans Ungarn, auch dort gibt es ein NGO-Gesetz, auch dort macht die Regierung Druck auf kritische Medien. Fico orientiert sich an Orban, das zeigte sich auch beim letzten EU-Gipfel: In der Runde europäischer Staats- und Regierungschefs hatte Orban zuletzt demonstrativ allein gestanden. Dann stellte sich Fico zu ihm, die beiden verstanden sich sichtlich gut.
    Beide lehnen eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik ab, beide gelten als russlandfreundlich, beide sperren sich gegen weitere Militärhilfen für die Ukraine oder Russland-Sanktionen. Fico hat kürzlich allerdings ein wenig eingelenkt: Waffen und Munition kaufen könnten die Ukrainer schon. Die Slowakei habe nur nichts mehr zu verschenken. Und auch als Orban die EU-Hilfen für die Ukraine blockiert, fällt Fico als Verbündeter Orbans aus.
    Gespräch zwischen Sievers und Strack-Zimmermann, Mainz 01.10.2023
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    Gibt es Grund zur Sorge?

    Fico sei pragmatischer als Orban, meint Politologe Bátora. Denn er brauche die EU und ihr Geld und er regiere nicht allein: "Jetzt ist die Slowakei noch nicht Ungarn. Das Land und das System sind anders gebildet. Die Slowakei hat eine Tradition der Koalitionsregierungen, das heißt, die Macht wird schon einmal geteilt, das ist schon ein wichtiger Unterschied.
    Ein weiterer: Die slowakische Zivilgesellschaft hat eine starke Tradition und die Presselandschaft ist auch sehr stark und durch Freiheit geprägt." Er ist zuversichtlich, dass sich Fico dagegen nicht so schnell durchsetzen könne.
    Doch die slowakische Zivilgesellschaft wirkt zurzeit auch erschöpft: die letzten fünf Jahre waren politisch turbulent und ineffizient. Auch die Schwäche seiner Gegner hat Fico zurück an die Macht gebracht.
    Britta Hilpert ist Leiterin des ZDF-Studios in Wien und berichtet aus Südosteuropa.

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