Erdogan: Der türkische Staatspräsident wird 70

    Türkischer Präsident wird 70:Erdogan mobilisiert Massen und spaltet Volk

    Jörg-Hendrik Brase
    von Jörg Brase
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    Seit 20 Jahren ist Recep Tayyip Erdogan an der Macht. Als Ministerpräsident und seit 2014 als Staatspräsident. Er regiert die Türkei seitdem autokratisch und weiter unangefochten.

    Türkischer Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan
    Der türkische Staatspräsident wird 70 Jahre alt.
    Quelle: Reuters

    "Ich habe die Erfahrung eines 70-Jährigen und die Begeisterung und Energie eines 25-Jährigen." So lautet die Selbsteinschätzung von Recep Tayyip Erdogan - und die lässt nicht darauf schließen, dass der "ewige Präsident" amtsmüde sein könnte, auch nach 20 Jahren nicht. Im Gegenteil. Ob Erdogan allerdings auch körperlich in der Lage ist, das Amt noch lange auszuüben, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen.
    In der Vergangenheit musste Erdogan bereits mehrfach Termine aus gesundheitlichen Gründen absagen und Reisen verschieben. So im Jahr 2011, als er sich einer Darmoperation unterziehen musste, was sofort zu Spekulationen über eine Krebserkrankung führte.

    Wie geht es Erdogan?

    Genährt wurden diese Befürchtungen durch eine Magen-Darm-Infektion, mit der sich Erdogan entschuldigte, als er im Wahlkampf im Mai vergangenen Jahres ein Fernsehinterview nach wenigen Minuten sichtlich geschwächt abbrechen musste.
    Nach wenigen Tagen jedoch tauchte er wieder bei Wahlveranstaltungen auf. Zwar wirkt Erdogan bei öffentlichen Terminen gelegentlich sehr gebrechlich, doch zeigt er sich dann am Mikrofon meist wieder in gewohnter Form.

    Erdogan vor letzter Amtszeit?

    Ende Mai vergangenen Jahres schaffte Erdogan die erneute Wiederwahl zum Staatspräsidenten. Es solle seine letzte Amtszeit sein, hatte er vorher angekündigt. 2028 wolle er nicht noch mal antreten, sondern wolle die Geschäfte an einen Jüngeren übergeben, sagte Erdogan bereits im Dezember 2022. Noch ist allerdings nicht zu erkennen, wer als sein Nachfolger aufgebaut werden soll.
    Noch konzentriert sich alles auf die Person Erdogans, den seine Anhänger als starken Führer verehren, der die Türkei wieder zu einem Machtfaktor in der Region und in der Welt gemacht hat. Kaum ein anderer versteht es so wie Erdogan, die Massen anzusprechen und zu mobilisieren. Und kaum ein anderer hat das türkische Volk so sehr gespalten wie der autokratisch regierende Erdogan.
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    Seit einer Verfassungsreform 2018 und der anschließenden Einführung des Präsidialsystems herrscht Erdogan nahezu uneingeschränkt. Im Parlament hat eine nationalistisch-islamistische Koalition, angeführt von Erdogans AK-Partei, die Mehrheit. Die Opposition ist nach der Wahlniederlage vom vergangenen Mai zersplittert.
    Und Erdogan selbst steht mit dem Wahlsieg und dieser dritten Amtszeit im Zenit seiner Macht. Unbedingt wollte er die 100-Jahr-Feier der türkischen Republik Ende Oktober 2023 als Präsident ausrichten und sich als Nachfolger von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk inszenieren.
    Um dieses Ziel zu erreichen, wurde staatliches Geld für Wahlgeschenke ausgegeben, wurden in den Erdbebenregionen teure Wiederaufbauprogramme gestartet, von denen vorzugsweise die eigenen Unterstützer profitierten. So sagte Erdogan erst vor wenigen Wochen im von der Oppositionspartei CHP regierten und bei dem Beben fast völlig zerstörten Stadt Hatay, dass, wer nicht mit der Regierung kooperiere, auch nicht mit staatlicher Hilfe rechnen könne.
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    Erdogans nächstes Ziel sind die Kommunalwahlen Ende März. Und dabei vor allem die 16-Millionen-Metropole Istanbul. Dass seine AK-Partei dieses Macht- und Wirtschaftszentrum vor vier Jahren an den Oppositionskandidaten Ekrem Imamoglu verlor, war für Erdogan eine Demütigung. Er wird alles daran setzen, dass sein Kandidat Murat Kurum diese Bastion zurückholt. Dann wäre auch Istanbul wieder unter Kontrolle - und vier Jahre lang relative Ruhe.
    Denn gewählt wird erst wieder in 2028. Es ist das Jahr, das Erdogan für seinen politischen Ruhestand bestimmt hat. Doch seine politischen Gegner werden sich darauf nicht verlassen wollen, und seine Anhänger können es sich wohl auch gar nicht vorstellen, dass Recep Tayyip Erdogan mit dann 74 Jahren tatsächlich abdanken wird.

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