Wohnungsnot in den Niederlanden: Untermiete immer beliebter

    Wohnungsnot in den Niederlanden:Die Neuerfindung der Untermiete

    von Marie Sophie Hübner
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    Ein WG-Zimmer für monatlich 1.000 Euro ist in Amsterdam normal. Und nicht nur dort. Immer mehr junge Menschen in den Niederlanden greifen darum zu einer alten Lösung.

    Im Hintergrund ist ein Backsteingebäude zu sehen und im Vordergrund viele Fahrräder.
    Auch in Unistädten wie Gronigen oder Nimwegen werden die Mieten immer teurer.
    Quelle: dpa

    "Das ist mein Zimmer!" Ciara Robeau steht auf dem Dachboden eines Einfamilienhauses. "Ich wohne hier seit ungefähr einem Monat, und bislang war es echt nett." Ciara hat Glück gehabt: Für dieses Zimmer in der Nähe von Nimwegen zahlt sie grade mal 375 Euro im Monat - ein Schnäppchen, während überall in den Niederlanden die Mieten steigen.
    Die 24-Jährige studiert Umweltwissenschaften. Weil sie in Nimwegen ein Praktikum macht, hat sie ein Zimmer gesucht. Statt einer hippen, überteuerten WG hat sie sich bei der 62-jährigen Marian van Laanen eingemietet. Die üblichen, astronomischen Mieten könnte sie sich nicht leisten. Ciara blickt auf den Bildschirm ihres Laptops. Zimmerpreise auf einer niederländischen Plattform.

    1.600, 1.400, 900 Euro im Monat. Das ist echt viel Geld für eine Studentin.

    Ciara, Studentin

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    947 Euro kostete ein WG-Zimmer in Amsterdam 2023 durchschnittlich. Das ergab eine Studie der Plattform Kamernet.nl vom Januar. Innerhalb von zwei Jahren stieg demnach der Preis für ein WG-Zimmer um fast 40 Prozent. Auch in anderen niederländischen Universitätsstädten steigen die Mieten: Im vergangenen Jahr kostete ein Zimmer in Utrecht im Durchschnitt 704 Euro pro Monat, in Rotterdam 671 Euro und in Nimwegen 517 Euro.

    Quelle: Kamernet.nl

    Ein Haus, zwei Generationen

    Ciara und Marian haben sich über eine Plattform kennengelernt, die Menschen, die ein günstiges Zimmer suchen, mit denen zusammenbringt, die sich Gesellschaft wünschen.
    "Mein Mann Peter ist im Herbst gestorben. Nach der Trauer stehst du auf einmal allein da", sagt Marian.

    Ich mag es nicht, allein zu sein. Ich habe Platz und ich finde es jetzt echt schön, dass jemand da ist, wenn ich nach Hause komme.

    Marian, Witwe

    So wird aus der altbekannten Wohnform mit Zimmerwirtin und Untermieterin eine generationsübergreifende Win-win-Situation.

    Untermiete - aber digital organisiert

    Joost Bokkers will mehr davon schaffen. Er sitzt an einem großen Holztisch, in der Ecke seines Büros in Utrecht steht ein graues Rennrad, auf einem Wandplakat kleben bunte Post-Its. Start-up-Atmosphäre. Bokkers gründete 2019 die Vermittlung, über die sich Ciara und Marian kennenlernten.
    "Wir sehen, dass es immer mehr Menschen gibt, die ein Zimmer vermieten möchten, und auch immer mehr Studenten oder junge Leute, die ein Zimmer suchen", sagt Bokkers. Menschen, die ein Zimmer untervermieten, verdienen sich damit etwas dazu. Trotzdem glaubt der Gründer, dass das nicht die einzige Motivation sei: "Wir sehen heutzutage zum Beispiel junge Familien, die gerne jemanden im Haus haben, der den Kindern etwas von seiner Kultur zeigt" - denn viele der Untermieter seien internationale Studenten.
    Bokkers nimmt, anders als auf solchen Plattformen oft üblich, nur dann eine Gebühr, wenn die Zimmersuche Erfolg hat. 700 Menschen hat er schon zusammengebracht. "Wir sehen die Zukunft sehr rosig. Aber ob das die Wohnungsknappheit lösen wird? Das werden wir sehen."
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    (Teil-)Lösung für Wohnungsknappheit

    Zur Untermiete zu wohnen, könnte künftig noch beliebter werden. Denn der im September veröffentlichte Student Housing Monitor 2023 zeigt, dass in Niederlanden fast 24.000 Studentenwohnungen fehlen. Und es wird erwartet, dass dieser Mangel in den nächsten Jahren noch zunimmt.
    Menschen wie Marian, die ein großes Haus haben und ein Zimmer untervermieten - das könnte vor allem für junge Menschen schnell günstigen Wohnraum schaffen. Ciara findet: "Leute in meinem Alter teilen sich ein Haus mit anderen Mitbewohnern, leben in Studentenwohnheimen oder bei ihren Eltern." Für sie sei das Zusammenleben mit Marian ganz ähnlich: "Ich habe einfach eine Mitbewohnerin, mit der ich mir ein Haus teile."

    "Das Leben ist ein Geben und Nehmen"

    Bevor Ciara und Marian zusammenzogen, nahmen sie sich einen Nachmittag zum Kennenlernen. Sie führten Marians zwei Hunde aus - und alle verstanden sich gut. Seit einem Monat wohnen sie nun zusammen. Abends kochen die beiden gerne gemeinsam.
    Für Marian ist diese Wohnform ein Wiedersehen: "Wir haben zu Hause immer Zimmer vermietet. Meine Eltern sagten: Man muss nicht alles für sich haben, man kann mit anderen teilen. So trafen wir ganz unterschiedliche Menschen", sagt Marian. "Das ganze Leben ist ein Geben und Nehmen."
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