Die Not der Wohnungssuchenden - Protokolle von Betroffenen

    Protokolle von Betroffenen:Das sind die Nöte der Wohnungssuchenden

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    Sie ist groß, die Wohnungsnot in Deutschland. Vor allem in Ballungsräumen fehlt Wohnraum. Junge Menschen, sozial Schwache und Familien trifft es oftmals besonders hart.

    Zwei Studentinnen betrachten die Wohnungsanzeigen am Schwarzen Brett in der Mensa der Ludwig-Maximilians-Universität
    Wohnungsuchende nutzen meist alle Möglichkeiten, um neuen Wohnraum zu finden - vom Schwarzen Brett über Online-Suchen bis hin zu direkter Ansprache.
    Quelle: dpa

    Die Not derjenigen, die auf der Suche nach neuem Wohnraum sind, ist groß: Lesen Sie hier einige Protokolle Betroffener in unterschiedlichen deutschen Großstädten:

    Fabian Fremuth, 23, Student - sucht in München

    Ich habe immer gedacht, in der Großstadt wird schon genug Platz sein für ein paar Studenten mit mittelmäßigem Budget. Von dieser Idee verabschiede ich mich gerade immer mehr. Ende Juli müssen meine Mitbewohner und ich raus aus unserer Wohnung – der Mietvertrag läuft aus.

    Die Wohnung wird renoviert und die Miete erhöht – wir können sie uns dann nicht mehr leisten.

    Fabian Fremuth, Student

    Seit fünf Monaten schaue ich nach Angeboten auf WG-Gesucht und ImmoScout24 – mittlerweile täglich. Sofort wenn es eine neue, passende Wohnung gibt, schicke ich eine Bewerbung. Oft bekomme ich nicht einmal eine Absage. Das demotiviert extrem, aber es hilft nichts, die Suche muss weiter gehen.
    Fabian Fremuth
    Fabian Fremuth ist Student und sucht in München eine Wohnung.
    Quelle: ZDF

    Hohe Ansprüche habe ich nicht mehr – Hauptsache die Wohnung ist bezahlbar und hat eine Anbindung zur Uni.

    Fabian Fremuth, Student

    Auch von der Idee, mit meinen jetzigen drei Mitbewohnern wieder zusammen zu ziehen, habe ich mich schweren Herzens verabschiedet. Wir haben uns jetzt aufgeteilt und sind bereit weitere Abstriche zu machen, damit wir überhaupt eine Wohnung finden. Dabei befinde ich mich noch in einer privilegierten Position: Meine Eltern können mich finanziell unterstützen. Und wenn es hart auf hart kommt, könnte ich auch wieder bei ihnen einziehen. Aber das wäre nur eine absolute Notlösung.
    Unbebaute Grundstücke und Häuser in Wohnsiedlung in Tübingen
    Viele Grundstückseigentümer in Tübingen werden demnächst Post von ihrem grünen Oberbürgermeister Boris Palmer erhalten mit der Aufforderung, ihren Grund und Boden zu bebauen. Sollten sie das nicht tun, könnten sie in letzter Konsequenz enteignet werden.23.03.2019 | 3:58 min

    Sonja Zügner, 22, Gaming-Journalistin - sucht in München

    Im Juli fange ich meinen ersten Job nach dem Studium an. Die Vorfreude ist groß, wird aber vom Münchner Wohnungsmarkt extrem gedämpft. Seit Monaten bin ich auf der Suche und habe schon jedes Register gezogen – WG-Gesucht, ImmoScout24, Newsletter, Gruppen und ein Hilferuf auf Twitter – bisher ohne Erfolg.

    Der Druck, eine Wohnung zu finden, steigt mit jedem Tag.

    Sonja Zügner, Gaming-Journalistin

    So habe ich mir das am Anfang meiner Suche nicht vorgestellt. Dass Wohnungen in München heiß begehrt sind, war mir klar. Aber ich dachte, mit genügend Zeit werde ich sicher fündig.
    Sonja Zügner,
    Sonja Zügner, 22, Gaming-Journalistin - sucht in München eine Wohnung.
    Quelle: ZDF

    Doch bis jetzt habe ich nur mein Budget hoch- und meine Ansprüche heruntergeschraubt.

    Sonja Zügner, Gaming-Journalistin

    Inzwischen schaue ich ununterbrochen nach neuen Wohnungsangeboten und kann an nichts anderes mehr denken. Hauptsache so schnell wie möglich eine Bewerbung verschicken, wenn es ein neues Angebot gibt. Schwierig ist auch, dass ich von außerhalb suche und nicht so schnell in München sein kann. Wenn ich schon mal eine Einladung zu einer Besichtigung bekomme, ist diese oft gleich am nächsten Tag. Durch einen längeren Anfahrtsweg und familiäre Verpflichtungen bin ich aber nur mäßig flexibel. Dann ist man bei den Vermietern gleich unten durch. Ich habe große Angst, bis Juli keine Wohnung zu finden.

    Madlin, 22, Studentin - sucht in Berlin

    Ich suche seit einem Jahr eine Wohnung. Dabei bin ich nicht auf einen bestimmten Bezirk in Berlin festgelegt. Gerade wohne ich zur Untermiete in einer WG.

    Ich bin froh, wenigstens auf diese Weise ein Dach über den Kopf gefunden zu haben, aber ständig zur Untermiete zu wohnen, ist keine Lösung auf Dauer.

    Madlin, Studentin

    Man kommt dadurch nicht richtig an, es fühlt sich nicht an wie ein Zuhause, weil man halt die ganze Zeit im Hinterkopf hat, dass man bald etwas Neues finden muss. Weil ich dringend aus meiner alten Wohnung ausziehen musste, habe ich eine Zeit lang sehr intensiv gesucht. Ich habe unzählbar viele Leute auf eBay Kleinanzeigen angeschrieben und Push Notifikationen bei den Onlineportalen eingestellt, sodass ich direkt benachrichtigt wurde, wenn ein neues Angebot reingekommen ist, um dann direkt am besten in den ersten Minuten den Anbieter anzuschreiben.
    Madlin
    Madlin ist Studentin und sucht in Berlin eine Wohnung, egal in welchem Bezirk.
    Quelle: privat

    Ich stand ständig unter Strom, habe eigentlich durchgängig aufs Handy geschaut.

    Madlin, Studentin

    Um Zeit zu sparen, hatte ich bereits einen vorgeschriebenen Text als Vorlage. Und trotzdem habe ich darauf geachtet, diesen immer wieder individuell an die Ausschreibung anzupassen. Ich habe nämlich auch schon gehört, dass es negativ aufgenommen wird, wenn der Text zu allgemein verfasst ist. Lange hält man diese intensive Suche nicht durch.

    Weil ich auf diesem Weg keinen Erfolg hatte, habe ich bei meiner Suchanzeige eine Belohnung von 800€ für die erfolgreiche Vermittlung einer Wohnung ausgesetzt.

    Madlin, Studentin

    Das ist für mich als Studentin sehr viel Geld – aber das ist es mir wert. Gebracht hat das bisher aber dennoch nichts. Ich bleib dran, ich bleibe positiv und optimistisch - was anderes wird mir nicht helfen. Irgendwann werde auch ich Glück haben. Oder ich ziehe in eine andere Stadt - was tatsächlich auch meine Überlegung war. Und das alles nur, weil ich hier keine bezahlbare Wohnung finde.

    Moritz, 49, Familienvater - sucht in Berlin

    Unser Vermieter hat Eigenbedarf angemeldet, deshalb suche ich mit meiner Familie jetzt unter Zeitdruck nach einem neuen Zuhause. Wir wohnen in Kreuzberg und wollen auch hier bleiben. Meine ältere Tochter geht hier in die erste Klasse und wir wollen natürlich einen Schulwechsel vermeiden.

    In diesem Viertel wohnen die Freunde unserer Kinder und auch die Musikschule befindet sich hier. Das alles spielt eine unheimlich große Rolle im Alltag von Familien.

    Moritz, Familienvater

    Je weiter diese Dinge quer durch die Stadt verteilt sind, desto weniger davon ist überhaupt möglich im Alltag. Die Wohnungssuche ist für mich zu einer Art Fulltime-Job geworden. Auf Onlineportalen kommt vielleicht einmal im Monat ein passendes Angebot rein, das nach ein paar Minuten auch schon wieder deaktiviert ist, wahrscheinlich wegen der Masse an Anfragen. Also musste ich kreativ werden.
    Familie mit drei Kindern sitzt auf der Couch
    Sie gehören zur Mittelschicht, haben ein gutes und sicheres Einkommen – Familien, die zur Miete wohnen, aber eine neue Wohnung suchen. Oft bleibt ihre Wohnungssuche erfolglos.28.03.2023 | 7:36 min

    Das heißt, ich bin wirklich durch die Straßen gegangen und habe Leute, die aus Häusern kamen, angesprochen, bin in Geschäfte rein und habe einfach überall versucht Kontakt aufzunehmen.

    Moritz, Familienvater

    Ich habe Flyer erstellt und in Briefkästen der Umgebung geworfen. Ich bin auch heimlich in Treppenhäuser gegangen, um die Kontaktdaten von Hausverwaltungen herauszufinden.

    Ich habe wahrscheinlich um die 50 Hausverwaltungen direkt angerufen, die mir aber alle mitteilten, dass sich hier einfach 'nichts bewegt'.

    Moritz, Familienvater

    Diese Feststellung kam einhellig von allen Hausverwaltungen sowie von den Mietern und Wohnungseigentümern, die ich angesprochen habe. Insgesamt sind bisher drei Optionen zustande gekommen, die aber alle noch sehr vage sind. Die intensive Wohnungssuche nimmt 200 Prozent des Bewusstseins in Anspruch und die Konzentration leidet. Man kann sich ganz schwer auf andere Sachen einlassen, wenn man nicht weiß, wo man in ein paar Wochen wohnt. Wenn wir tatsächlich nicht in Kreuzberg bleiben können, stellt sich die Frage, ob wir dann nicht ganz aus Berlin wegziehen. Wobei die Hoffnung schon noch da ist, irgendeine Lösung in unserem Viertel zu finden.

    Ann-Christin Hein (23) und Malin Börger (22) aus Hamburg, suchen in Köln

    Wir sind beide frisch ausgebildete Physiotherapeutinnen, vor drei Wochen haben wir in Hamburg unser Examen bestanden. Nun haben wir Jobs gefunden in Köln, wo wir auch berufsbegleitend studieren - wir machen einen Bachelor in Therapiewissenschaften, dadurch werden wir noch besser qualifiziert sein. Anfang Mai soll es losgehen mit unseren neuen Arbeitsstellen in Köln, wir freuen uns. Richtig suchen wir nun seit zwei Monaten. Mehr als hundert Anfragen haben wir schon verschickt - bei Immoscout, Ebay Kleinanzeigen, WG-gesucht, außerdem haben wir selbst Such-Anzeigen verfasst bei Instagram und Ebay Kleinanzeigen. Und wir haben uns bei Freund*innen in Köln umgehört und auch bei unseren künftigen Kolleg*innen in den Praxen, in denen wir arbeiten werden. Ohne Erfolg.

    Die eine Hälfte der Vermieter, auf deren Anzeigen wir uns melden, sagt immerhin ab. Von der anderen Hälfte hören wir einfach gar nichts.

    Ann-Christin Hein, Malin Börger, Physiotherapeutinnen

    Dass wir noch in Hamburg leben, rund 400 Kilometer von Köln entfernt, macht die Suche nicht einfacher. Wir haben uns von unseren Ansprüchen sowieso schon verabschiedet. Wir suchen eine Zweizimmer-Wohnung mit Küche und Bad.
    Ann-Christin Hein (l.) und Malin Börger
    Die beiden befreundeten Physiotherapeutinnen Ann-Christin Hein (links) und Malin Börger (rechts) suchen zusammen in Köln eine Wohnung.
    Quelle: ZDF

    Wir glauben, dass die allermeisten Vermieter keine WG wollen, und wir wären ja eine.

    Ann-Christin Hein, Malin Börger, Physiotherapeutinnen

    Dass es so schwierig würde, hat uns schon überrascht. In Hamburg eine Wohnung zu finden war auch nicht so leicht - aber jetzt, Köln…. Am Anfang hat es uns noch Spaß gemacht, Wohnungsanzeigen durchzuschauen, das war cool. Aber nun ist das ganze Thema einfach belastend.

    Wenn wir in den nächsten zwei bis drei Wochen nichts finden, werden wir uns jeder ein WG-Zimmer zur Untermiete suchen müssen.

    Ann-Christin Hein, Malin Börger, Physiotherapeutinnen

    Da gibt es immerhin ein paar Angebote von Studierenden, befristet, zur Zwischenmiete. Eigentlich wollen wir das nicht, aber das hätte immerhin den Vorteil, dass wir dann vor Ort in Köln und flexibler sind. Das wäre der Notfallplan. Wir dürfen einfach nicht zulassen, dass uns die Freude verloren geht. Wir sind gute Freundinnen, wir starten ins Berufsleben, wir ziehen zusammen in eine neue Stadt. Das ist ein sehr großer Schritt für uns.
    Die Protokolle wurden aufgezeichnet von: Elena Kossiva-Rapp, Dominik Müller-Russell und Nina Wieking
    Quelle: ZDF

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