100 Tage im Amt: Wie fällt Lulas erste Zwischenbilanz aus?

    100 Tage als Präsident im Amt:Wie fällt Lulas erste Zwischenbilanz aus?

    von Tobias Käufer und Ramona Samuel
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    Lula da Silvas erste Bilanz fällt gemischt aus: Seine Anhänger feiern die sozialen Errungenschaften, doch der Amazonas wird weiter abgeholzt. Im Ausland sorgt er für Irritationen.

    Lula da Silva
    Lula da Silva - nach seinem neuerlichen Wahlsieg ist er 100 Tage Präsident von Brasilien.
    Quelle: epa

    Versöhner, Klimaretter, Brückenbauer: Nach seinem hauchdünnen Wahlsieg über den rechtspopulistischen Vorgänger Jair Bolsonaro wurde Luiz Inácio Lula da Silva (77) als neuer Präsident Brasiliens zum Hoffnungsträger erkoren.
    Über die Ostertage ist der Linkspolitiker 100 Tage im Amt und der Euphorie ist bisweilen Ernüchterung gewichen, die Zustimmungsrate liegt bei 41 Prozent.

    Lula punktete mit gesellschaftspolitischen Antworten

    Die Verwendung von Vulgär-Sprache in einem Interview über den ehemaligen Richter Sergio Moro hat auch viele Lula-Anhänger enttäuscht. Die Tageszeitung "O Globo" kommentierte jüngst, Lula übernehme die schlechten Seiten Bolsonaros. "O Estadao" warf ihm sogar die gezielte Verbreitung von Fake-News vor.
    Seine besten Momente hatte Lula da Silva, der schon einmal von 2003 bis 2010 regierte, in gesellschaftspolitischen Fragen. Die Stärkung der Rechte der afrobrasilianischen Bevölkerung, die nun einen verbesserten Zugang zum Arbeitsmarkt in der öffentlichen Verwaltung erhalten soll sowie die Einrichtung von Ministerien für indigene Völker und ethnische Gleichstellung sind Schritte nach vorne, die von seinen Anhängern auf der Straße auch gewürdigt werden.

    Lulas Außenpolitik ist eher neutral

    "Die Arbeit der Regierung hat sich positiv im sozialen Bereich ausgewirkt", sagt Lula-Anhänger Ricardo Ferreira gegenüber ZDFheute. Die Stimmungslage im Land habe sich verbessert.

    Brasilien ist in einer besseren Position als vorher und ich hoffe, dass es so weitergeht.

    Ricardo Ferreira

    Sieht Brasilien auf dem richtigen Weg: Ricardo Ferreira.
    Sieht Brasilien auf dem richtigen Weg: Ricardo Ferreira, Lula Anhänger.
    Quelle: Tobias Käufer

    Außenpolitisch hatte Lula da Silva für das westliche Bündnis einige Überraschungen parat. Brasiliens Präsident grenzt sich in seiner Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bewusst von den Europäern und den USA ab, stimmte im UN-Sicherheitsrat zuletzt an der Seite Russlands und Chinas.

    Brasilien soll eine unabhängige regionale Supermacht werden

    Die Anlege-Erlaubnis für zwei iranische Kriegsschiffe in Rio de Janeiro, während im Iran das Mullah-Regime brutal gegen Frauen und Mädchen vorgeht, hat in westlichen diplomatischen Kreisen für Irritationen gesorgt.
    Seine Anhänger argumentieren, mit der Annäherung an antiwestliche Regierungen und Autokratien wie Venezuela, Kuba, Nicaragua, dem Iran, Russland oder China wolle Lula da Silva das Land als unabhängige regionale Supermacht etablieren.

    Brasilien wendet sich China zu

    In einer sich abzeichnenden neuen Weltordnung setzt Lula da Silva vor allem auf China als starken Wirtschaftspartner. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte sich der wegen der Regenwaldabholzung umstrittene Soja-Export in Richtung China vervielfacht.
    Mit Spannung wird deshalb auf die bevorstehende mehrtägige Reise ins Reich der Mitte geblickt, die als richtungsweisend gilt.
    "Die Arbeitslosigkeit, die Inflation steigt, der Aktienmarkt fällt, weil man einer sozialistischen Regierung nicht trauen kann. Man sieht, dass Lula im Geiste mit Fidel Castro von Kuba, Maduro von Venezuela, Daniel Ortega von Nicaragua vereint ist. Sozialistische Regierungen haben noch nie etwas Gutes für irgendjemanden in der Welt gebracht", sagt Deoclecio Nunes (60), ein Bolsonaro-Anhänger aus Rio de Janeiro, der gegen die neue Regierung demonstriert, im Gespräch mit ZDFheute. Er gibt damit das Stimmungsbild im anderen Teil der brasilianischen Gesellschaft wider.
    Sorgt sich um die brasilianische Wirtschaft: Deoclecio Nunes.
    Sorgt sich um die brasilianische Wirtschaft: Bolsonaro-Anhänger Deoclecio Nunes.
    Quelle: Tobias Käufer

    Der Amzonas wird auch unter Lula weiter abgeholzt

    Ernüchternd ist die Umwelt-Startbilanz. Die Abholzungszahlen im Amazonas sind im Februar wieder gestiegen. Hinzu kommen umstrittene Vorhaben wie die Erdölexploration im ökologisch hochsensiblen Amazonasmündungsbecken, die Vollendung von Straßen- und Eisenbahnbauprojekten in Amazonasprovinzen, der Ausbau des Rindfleischexports in alle Welt.
    Auch die Versenkung eines mit Giftmüll belasteten Kriegsschiffes im Ozean ließ Umweltorganisationen aufschrecken. Kraft seines Amtes kann Lula da Silva aber geplante Projekte noch stoppen und die in ihn gesetzten Hoffnungen damit erfüllen.