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Faktencheck

Kritik am Hartz-IV-Nachfolger : Warum sich Arbeit trotz Bürgergeld lohnt

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Der Streit um das Bürgergeld, das den Bundesrat noch passieren muss, wird scharf geführt. CDU und CSU kritisieren, dass sich ein Niedriglohn-Job nicht mehr lohne. Ist da was dran?

Mit dem Bürgergeld bekomme man mehr Geld als für einen Job mit Mindestlohn, so lautet ein Vorwurf der Union. Doch stimmt das wirklich?

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"Spaltung der Gesellschaft", "Fake News" und ein "Schäbigkeitswettbewerb": Der Streit um das von der Ampel-Koalition geplante Bürgergeld wurde in den letzten Wochen scharf geführt. Der Bundestag hat das Bürgergeld nun beschlossen, die Debatte um das Hartz-IV-Nachfolgesystem ist damit aber keinesfalls beendet: Am Montag muss das Gesetz noch durch den Bundesrat - CDU und CSU haben aber schon angekündigt, die erforderliche Zustimmung zu verweigern.

Vorwurf der Opposition: Bürgergeld senkt Anreiz, arbeiten zu gehen

Im Kern geht es bei der Kritik um die Frage: Lohnt sich der Bezug von Bürgergeld mehr, als arbeiten zu gehen?

Die Union verweist immer wieder darauf, dass sich arbeiten nicht mehr lohnen würde, sollte das Bürgergeld eingeführt werden. CSU-Chef Markus Söder sagte etwa im ZDF, bestimmte Menschen in den unteren Einkommensgruppen würden "am Ende, wenn sie arbeiten, weniger haben, als wenn sie nicht arbeiten". Ähnlich äußerte sich CDU-Chef Friedrich Merz in der ARD.

Soll eigentlich derjenige, der in unserem Land arbeitet, grundsätzlich mehr Geld verdienen als derjenige, der nicht arbeitet und soziale Transferleistungen bekommt. Und dies stellt die Koalition auf den Kopf.
Friedich Merz

Der Bundestag hat heute dem Bürgergeld zugestimmt. Fraglich ist jedoch, ob auch der Bundesrat am Montag die Reform absegnet, denn CDU und CSU drohen die Neuregelung zu blockieren.

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Die CSU hat dazu auch noch eine Kampagne initiiert unter dem Titel "Leistung muss sich lohnen": Ein Beispielszenario soll zeigen, dass ein Paar mit zwei Kindern mit dem Bürgergeld mehrere Hundert Euro mehr zur Verfügung hätte, als wenn eine Person der Familie für den Mindestlohn arbeiten gehen würde.

Ähnliche Rechenbeispiele wurden vorher auch von der rechtskonservativen Wochenzeitung "Junge Freiheit" und mehreren AfD-Kreisverbänden verbreitet.

Expertin: Rechenbeispiele oft unvollständig

Das Problem der Rechenbeispiele: Sie seien meist unvollständig und verschwiegen staatliche Leistungen, die Menschen mit geringen Einkommen zustehen, sagt Susanne Gerull, Professorin für Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin.

Jemand, der arbeitet, kann nicht weniger haben, als jemand, der nicht arbeitet. Das geht rein rechnerisch nicht. Das ging bei Sozialhilfe nicht. Das geht bei Hartz IV nicht und kann beim Bürgergeld nicht so gehen.
Susanne Gerull, Armutsforscherin

Viele sind der Überzeugung, mit dem Bürgergeld bekäme man mehr Geld als für einen Job mit Mindestlohn. Doch geht diese Rechnung wirklich auf?

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Einzelpersonen und besonders Familien mit geringen Einkommen haben ein Anrecht auf verschiedene finanzielle Hilfen: Wohngeld, den Kinderzuschlag oder einen Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende. Diese Zahlungen sind sehr individuell und hängen vom Einkommen, der Größe der Wohnung und auch dem Wohnort ab. Sie können sich aber zu mehreren hundert Euro summieren und so dafür sorgen, dass Arbeitnehmer mehr Geld zu Verfügung haben als Bezieher des Bürgergelds.

Beim Bürgergeld werden außerdem keine Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt. Jeder Monat in der Grundsicherung schmälert also künftige Rentenzahlungen für die Betroffenen.

Berechnungen aus dem Hause Merz

Um genauer nachvollziehen zu können, wie zum Beispiel Friedrich Merz zu der Aussage kommt, dass sich Arbeit nicht mehr lohnen würde, wenn das Bürgergeld kommt, hat ZDFheute nachgefragt, welche Berechnungen dazu angestellt wurden. Das Beispiel, das uns aus seinem Büro genannt wurde, lautet wie folgt:

Eine vierköpfige Familie in Berlin, die in der Grundsicherung lebt, erhält ein Bürgergeld von 2.416 Euro. Sollte eine Person der Familie einen regulären Job haben, käme der Haushalt trotz Kindergeld, Wohngeld und einem Kinderzuschlag nur auf 2.517 Euro.

In dieser Konstellation einer vierköpfigen Familie würde es sich für den in einem regulären Arbeitsverhältnis stehenden Elternteil (z.B. Lkw-Fahrer oder Sozialarbeiter) finanziell nicht länger lohnen, dieser Beschäftigung weiter nachzugehen.
Büro Friedrich Merz

Wir haben diese Zahlen dem zuständigen Referatsleiter des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) gezeigt und der hat selbst nachgerechnet: Nach seiner Berechnung und unter Einbeziehung aller verfügbaren Leistungen käme die Familie mit eigenem Einkommen demnach auf knapp 900 Euro mehr als die Familie, die Bürgergeld bezieht.

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Martin Künkler, Arbeitsmarktexperte beim DGB Bundesvorstand, kommt zu dem Schluss:

Gemessen an den tatsächlichen Leistungsansprüchen betreibt die CDU hier schlicht Desinformation. Die Aussage, beim Bürgergeld und bei Erwerbsarbeit lägen die verfügbaren Einkommen etwa gleich auf, ist falsch.

Die Familie hätte zudem auch Anspruch auf das Bürgergeld, würde damit aber nur auf ein Einkommen von 2.845 Euro kommen, die Kombination von Wohngeld und Kinderzuschlag sei also sinnvoller.

Unbekannte Größe in den Berechnungen: die Scham

Man könnte der Union nun schlicht Oppositions-Populismus vorwerfen und in Teilen werden sicherlich auch falsche Tatsachen behauptet, um einen Punkt gegen die Ampel-Koalition zu machen: Die CSU verbreitet etwa, dass Bürgergeld-Empfänger ihre Energiekosten nicht tragen müssten, und vergleicht das mit sehr hoch angesetzten 500 Euro Energiekosten für einen Ein-Personen-Haushalt.

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Ein Argument gibt es aber doch, dass die Rechenbeispiele der Bürgergeld-Gegner plausibel macht: Scham. Es sei mit einem "stigmatisierenden Stempel" verbunden, wenn man trotz Vollzeitarbeit Hilfsleistungen des Staates annehmen müsse, erklärt Armutsforscherin Gerull:

Wenn ich mit meinem Job nicht viel verdiene, habe ich nur wenig Geld. Wenn ich aber aufstocke, bin ich arm.
Susanne Gerull, Armutsforscherin

Das sei auch der Grund, warum viele alte Menschen ihre kleinen Renten nicht aufstocken, obwohl ihnen das theoretisch zustehen würde.

Fazit: Es ist an sich strukturell ausgeschlossen, dass Menschen mit einer Erwerbstätigkeit weniger Geld zur Verfügung haben als Menschen ohne Arbeit, wenn sie unter denselben Rahmenbedingungen (Kinder, Wohnung, Wohnort etc.) leben. Möglich ist es jedoch, wenn staatliche Hilfen bewusst nicht angenommen werden.

Mit Material von dpa

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