Was denken die Menschen in Hubert Aiwangers Heimatort?

    Flugblatt-Affäre in Bayern :Roadtrip ins Aiwanger-Country

    Alexandra Hawlin
    von Alexandra Hawlin, Rottenburg
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    Unterwegs in Hubert Aiwangers Heimatort wollen wir wissen: Was denken die Menschen hier über den Chef der Freien Wähler, die Flugblatt-Affäre und seinen Umgang mit den Vorwürfen?

    Der bayrische Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger schweigt bei einer Sondersitzung zur Flugblattaffäre im bayrischen Landtag
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    Tagelang haben ein Flugblatt und Hubert Aiwangers Umgang mit Antisemitismus-Vorwürfen Medien und Politik dominiert - aber was denken die Menschen in dem Ort, wo der Chef der Freien Wähler und Bayerns stellvertretender Ministerpräsident groß geworden ist?
    Von München geht's los nach Niederbayern ins 90 Kilometer entfernte Rottenburg an der Laaber - die Heimat von Hubert Aiwanger. Der erste Eindruck: grün, ländlich, beschaulich. Rund 8.500 Menschen leben in dem Ort. Bei den vergangenen Landtagswahlen gingen hier fast die Hälfte aller Stimmen an Aiwangers Freie Wähler.
    Sehen Sie hier die Reportage zum Roadtrip ins Aiwanger-Country im Video:
    Reporter Alexandra Hawlin und Julian Schmidt-Farrent im Gespräch mit Menschen in Rottenburg a.d. Laaber
    Was Menschen in Hubert Aiwangers Heimatort über die Flugblatt-Affäre denken. Alexandra Hawlin und Julian Schmidt-Farrent mit einem Stimmungsbild aus Rottenburg an der Laaber. 09.09.2023 | 9:26 min

    Unterwegs in Hubert Aiwangers Heimatort

    Wir parken vor dem alten Rathaus. Die erste, die wir beim Wäscheaufhängen im Hauseingang ansprechen, ist Magdalena Hertwig. Sie und viele andere hier hätten es satt, Journalisten im Ort zu sehen. Die Aufregung um Hubert Aiwanger kann sie nicht nachvollziehen.

    Ich halte das alles für Schwachsinn, das ist eine richtige Schmutzkampagne.

    Magdalena Hertwig, 68, Rentnerin

    "Alle schimpfen über seinen Bruder, dass das eine richtige Schweinerei ist, was da los ist", erzählt die 68-jährige Rentnerin, die sich als Grabpflegerin was dazu verdient. Zu Helmut Aiwanger sei es von hier aus gar nicht weit.

    Der Waffenladen von Bruder Helmut Aiwanger

    Der Bruder von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat sich als Verfasser des antisemitischen Pamphlets bekannt, worüber die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte und betreibt in Rottenburg a.d. Laaber einen Waffenladen.
    In der Auslage von "H. Aiwanger Waffen und Ausrüstung" vor allem Taschenmesser, dahinter an der Wand: Rehgehörn und andere Jagdtrophäen. Viel mehr ist nicht zu erkennen, der Laden ist geschlossen. Die Nachbarin von nebenan lässt vom Balkon aus wissen, der Bruder sei erst weggefahren, komme so schnell nicht wieder.
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    Zweifel an Aiwangers Glaubwürdigkeit?

    Was die Anwohnerin von Hubert Aiwanger hält? "Herr Aiwanger ist gut, er vertritt auch einiges", sagt Susanne Gorfer. Das mit dem Flugblatt sei Jahre her, das müsse nun nicht gerade wenige Wochen vor den Landtagswahlen herauskommen.
    Ob sie das Flugblatt und die Antworten auf Markus Söders 25 Fragen gelesen habe? Nein. Sie wirft einen Blick darauf, seufzt und sucht nach Worten. "Das ist sehr, sehr ... unschön, sag' ich jetzt mal". Das Flugblatt sei "eine Frechheit, eine bodenlose Frechheit", so die Einzelhandelskauffrau.
    Und was sagt sie zu Hubert Aiwangers Umgang mit den offenen Fragen und seinen Antworten? "Soll ich Ihnen ganz ehrlich sagen?", fängt sie an. "Ich find's nicht glaubwürdig. Er kann sich nicht mehr daran erinnern, ob er mit dabei war."

    Er will sich rausmanövrieren aus der ganzen Sache.

    Susanne Gorfer, Einzelhandelskauffrau

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    Ob der Umgang mit den Vorwürfen ihre Sicht auf Hubert Aiwanger von den Freien Wählern ändert? "Ob ich jetzt noch ein Kreuzchen mach', weiß ich nicht", sagt Susanne Gorfer. Sie bleibt die einzige auf dem Roadtrip in die Heimat von Hubert Aiwanger, die an seiner Glaubwürdigkeit und seinem Umgang zweifelt.

    "Hubsi" - einer von ihnen

    Viele stehen hier hinter Aiwanger - nicht nur in seinem Heimatort, wie das aktuelle ZDF-Politbarometer zeigt. Die Jungen in Rottenburg a.d. Laaber treffen sich fast täglich nach Feierabend auf einem leeren Parkplatz nahe der Ortseinfahrt - mit Campingsesseln und einem Energy-Drink lassen sie den Tag ausklingen.
    "Bescheuert, dass man jetzt so alte Themen wieder hochholt, vor allem jetzt, wo es um was geht", sagt die 18-jährige Nicole. "Manchmal werden Sachen größer gezogen als sie sind", findet auch Steve.

    Jeder hat in seiner Jugend schon Scheiße gebaut.

    Steve

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    "Ich kenne Hubert Aiwanger persönlich, ich kann nichts Schlechtes gegen ihn sagen und das Ganze mit der Flugblatt-Affäre, das ist 35 Jahre her", erzählt Julian.
    Wenn es nach ihnen geht, scheint es, sollte die Flugblatt-Affäre und Aiwangers Umgang damit längst Geschichte sein. Geschichte, die man besser nicht aus der Vergangenheit hervorholt.
    Andere wollen gerade nach der Flugblatt-Affäre über Geschichte und Erinnerungskultur sprechen. Aber um diese anderen zu treffen, muss man dann wohl wieder rausfahren aus "Aiwanger-Country".

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