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Neue katholische Friedensethik:Krieg und Krisen: Bischöfe positionieren sich
von Jürgen Erbacher
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Christlicher Pazifismus versus bedingte Legitimation militärischer Gewalt. In diesem Spannungsfeld nehmen die katholischen Bischöfe eine Neupositionierung ihrer Friedensethik vor.
Die katholischen Bischöfe positionieren sich zu aktuellen Kriegen und Krisen.
Quelle: dpa
Die deutschen katholischen Bischöfe haben bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Augsburg ein neues Dokument vorgelegt, in dem sie sich ausführlich mit den Themen Gewalt, Krieg und Frieden auseinandersetzen.
Das 175-Seiten umfassende Papier gibt weniger Handlungsanweisungen zu konkreten politischen Entscheidungen, vielmehr wollen die Kirchenvertreter Leitlinien für eine grundsätzliche Debatte zum Thema vorlegen.
Militärische Gewalt als ultima ratio möglich
Dabei steckt das Dokument voller Spannungen und trägt nach Ansicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, der Tatsache Rechnung, dass die aktuelle Weltlage komplex ist und keine schnellen und einfachen Antworten möglich sind.
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So stellen die Bischöfe fest, christlicher Realismus erfordere einerseits, dem Gebot der Liebe folgend, "alles Erdenkliche zu tun, um Gewalt strukturell zu überwinden". Derselbe Realismus zwinge aber auch, "die Verteidigungsfähigkeit für den Fall eines militärischen Überfalls als äußerstes Mittel vorzubereiten". Bätzing kommentierte bei der Vorstellung des Papiers:
Der Einsatz militärischer Gewalt bleibe als Ultima Ratio möglich oder könne sogar geboten sein.
Bischöfe verurteilen Gewalt in Nahost scharf
Mit dem Papier stellen sich die Bischöfe hinter die militärische Unterstützung der Ukraine nach dem Angriff Russlands vor zwei Jahren. Sie verurteilen aufs Schärfste den Überfall der Hamas auf Israel in Nahost, rufen zugleich zum Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza auf:
Zuletzt hatten die deutschen katholischen Bischöfe im Jahr 2000 mit dem Grundsatzpapier "Gerechter Friede" zum Thema Position bezogen. Seitdem hat sich die Weltlage grundlegend verändert, weshalb sie das neue Papier ausgearbeitet haben. Die Welt befinde sich in einer "neuen Unordnung".
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Als Beispiele für Herausforderungen und Konfliktpotentiale nennen sie unter anderen weltwirtschaftliche Verwerfungen, das "Sicherheitsrisiko Klimakrise", die Schwächung der internationalen Institutionen sowie das Aufkommen von identitären Bewegungen und Populismus.
Nein zum Wettrüsten und zu atomarer Aufrüstung
Ihr Papier verstehen sie als Diskussionsbeitrag zu friedens- und sicherheitsrelevanten Debatten. Dabei setzten sie sehr grundsätzlich an. Der Frieden werde in den Herzen und Köpfen der Menschen gewonnen oder verloren, sind die Bischöfe überzeugt.
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Entsprechend setzen sie zwar einerseits Akzente bei Fragen der großen Politik wie einem Nein zum Wettrüsten und einer Forderung zur atomaren Abrüstung, nehmen aber auch jeden einzelnen Menschen in den Blick. Sie sprechen sich für ein Revival der Tugenden aus.
Sie wollen damit deutlich machen, dass bereits beim gesellschaftlichen Diskurs die Frage nach Konflikten und Rissen beginne und sich dann in den großen internationalen politischen Fragen fortsetze.
Politischer Realismus wichtig in katholischer Friedensethik
Dabei haben sie auch das Konfliktpotential, das von religiösem Fundamentalismus ausgeht, im Blick. Zugleich unterstreichen die Bischöfe die Bedeutung des Umgangs mit gewaltbelasteter Vergangenheit und Versöhnung für den Frieden.
Pazifismus und politischer Realismus haben aus Sicht der katholischen Bischöfe beide einen Platz in der katholischen Friedensethik. Sie wollen mit dem neuen Papier auch eine innerkirchliche Polarisierung auflösen.
Zugleich ist für sie das Thema Krieg und Frieden nicht allein auf militärische Fragen begrenzt, sondern umfasst ökonomische, ökologische, kommunikative, soziale und kulturelle Dimensionen.
Jürgen Erbacher ist Leiter der ZDF-Redaktion Kirche und Leben katholisch.
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