Maier muss in Ruhestand: Wie politisch dürfen Richter sein?

    AfD-Politiker muss in Ruhestand:Wie politisch dürfen Richter sein?

    von Samuel Kirsch, Karlsruhe
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    Der ehemalige AfD-Abgeordnete Jens Maier darf nicht mehr als Richter arbeiten. Das höchstrichterliche Urteil zeigt Richtern, die sich als Politiker betätigen, eine Grenze auf.

    Ein Hinweisschild mit Bundesadler und der Aufschrift Bundesgerichtshof vor dem BGH in Karlsruhe.
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    Zur Urteilsverkündung wollte sich Jens Maier dann offenbar doch nicht erneut den Blicken der Öffentlichkeit aussetzen.
    War er zur Verhandlung über seinen Fall am Vormittag noch persönlich nach Karlsruhe gekommen, blieb sein Stuhl am Nachmittag leer, als der Vorsitzende des Dienstgerichts des Bundes in Karlsruhe, Rüdiger Pamp, die Versetzung Maiers in den Ruhestand als Richter bestätigte. Dass Maier nicht wieder als Richter im Namen des Volkes Recht sprechen darf, steht nun rechtskräftig fest.

    Maier war Mitglied der AfD-Gruppierung "Flügel"

    Der Fall Maier ist zum Präzedenzfall geworden für die Frage, wie wehrhaft die Demokratie gegenüber Richterinnen und Richtern ist, die durch zweifelhafte politische Äußerungen auffallen.
    Maier hat nach Auffassung des Dienstgerichts selbst dafür gesorgt, aufzufallen. Über seinen Twitter-Account wurden Äußerungen abgesetzt, die der Vorsitzende Richter in der Begründung des Urteils als "abwertend, menschenverachtend und rassistisch" bezeichnete. Außerdem war Maier exponiertes Mitglied der AfD-Gruppierung "Flügel" bis zu dessen Auflösung 2020. Den "Flügel" der AfD stuft der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein.
    Schon das Dienstgericht beim Landgericht Leipzig hatte in erster Instanz dem Antrag des sächsischen Justizministeriums, Maier in den Ruhestand zu schicken, maßgeblich deswegen stattgegeben, weil Maier in der Öffentlichkeit als "rechtsextremistisch" wahrgenommen werde.
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    Justiz soll geschützt werden

    Das ist deswegen von Bedeutung, weil die Maßnahme, einen Richter gegen dessen Willen in den Ruhestand zu versetzen, nach § 31 des Deutschen Richtergesetzes nur gerechtfertigt ist, wenn Tatsachen außerhalb der richterlichen Tätigkeit dies zwingend gebieten, "um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden."
    Es geht also bei der Versetzung in den Ruhestand - anders als in einem gegen Maier ebenfalls laufenden Disziplinarverfahren - nicht um eine Sanktion für Fehlverhalten, sondern um den Schutz der Justiz. Sie soll davor bewahrt werden, dass das Verhalten einzelner Richter das Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erschüttert.
    Auf dem Bild sind der Moderator Szepanski und die Redakteurin Nicole Diekmann zu sehen.
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    Richter müssen auf Boden des Grundgesetzes stehen

    Wann eine Versetzung aus diesem Grund geboten ist, hat das Dienstgericht des Bundes nun in einem seiner seltenen Urteile konkretisiert. Die Maßnahme komme in Betracht, wenn nicht mehr sichergestellt sei, dass ein Richter auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, etwa, weil er sich bei einer politischen Gruppierung betätigt, die Grundlagen des demokratischen Verfassungsstaats ablehnt.
    Außerdem könne eine Versetzung in den Ruhestand gerechtfertigt sein, wenn ein Richter durch sein Auftreten in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecke, er werde künftig orientiert an seinen politischen Überzeugungen und nicht objektiv und rechtstreu urteilen, so der Vorsitzende Rüdiger Pamp bei der Urteilsverkündung.
    Darin liegt eine rote Linie, die auch für Richter mit Abgeordnetenmandat gilt, wenn sie sich etwa auf Wahlkampf-Kundgebungen oder über die sozialen Medien politisch äußern. Jens Maier, das ist nun höchstrichterlich bestätigt, hat diese rote Linie überschritten und ist als Richter nicht mehr tragbar.
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    Versetzung in Ruhestand letztes Mittel

    Vor Gericht argumentierte er am Vormittag, Richter könnten zu Abgeordneten zweiter Klasse werden, wenn sie fürchten müssten, wegen politischer Äußerungen nicht mehr in den Richterberuf zurückkehren zu dürfen.
    Das Gericht hat heute indes auch deutlich gemacht: Die Versetzung in den Ruhestand ist ein scharfes Schwert und darf nur das letzte Mittel sein. Auf dem weitflächigen Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung dürfte insofern Raum auch für zugespitzte politische Äußerungen bleiben, ohne dass ein verordneter Früh-Ruhestand droht.
    Samuel Kirsch ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
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