Rentenexperte zu Ampelplänen: Junge werden zu stark belastet

    Pläne der Bundesregierung:Rentenexperte: Junge werden zu stark belastet

    Bernd Benthin
    von Bernd Benthin
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    Die Bundesregierung will das Rentenniveau garantieren, bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts. Die Älteren können aufatmen, die Jüngeren schon mal den Gürtel enger schnallen.

    Typical: Generationen
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    Dass sich die Jugendverbände von Grünen und FDP einig sind, ist nur sehr selten der Fall. Das Rentenpaket der Ampel ist so ein Fall. "Was die Bundesregierung da jetzt mit dem Rentenpaket II vorgelegt hat, ist im Prinzip Augenwischerei, weil das wahnsinnig viele Fragen überhaupt nicht beantwortet", sagt die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, gegenüber ZDFheute.
    "Ich gehe davon aus, dass die FDP-Fraktion diesem Vorschlag, wie er jetzt auf dem Tisch liegt, nicht zustimmen kann. Denn er wäre eine zusätzliche Belastung für zukünftige Beitragszahler und das kann eigentlich mit der FDP-Fraktion nicht zu machen sein", sagt Franziska Brandmann, Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen.
    Zwei Vertreterinnen der Jungen, ein Problem: Das neue Rentenpaket der Regierung sei ein Geschenk an die Älteren und zusätzliches Gewicht auf dem Rücken der Jungen.

    Versprechen der Regierung: Gleiches Rentenniveau bis 2039

    Im Kern geht es um ein Versprechen. Bis 2039, bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts, will die Regierung das sogenannte Rentenniveau festschreiben. Dieses Rentenniveau ist eine statistische Größe, die das Verhältnis einer angenommenen Standard-Rente zur Lohnentwicklung darstellt.
    Schon jetzt garantiert der Staat, dass dieses Niveau nicht unter 48 Prozent fällt. Und er soll es, so der Plan, auch noch 15 weitere Jahre garantieren - trotz allem. Trotz Verrentung der enorm vielen Babyboomer, trotz höherer Lebenserwartung, trotz deutlich weniger Jungen, die dann Beiträge zahlen.
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    Rentenpaket: Fair oder zu viel?

    Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) feiert die Haltelinie bis 2039 als großen Erfolg und als Grundlage für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Bei der Vorstellung des neuen Rentenpakets sagt er: "Die Menschen, die in Deutschland hart arbeiten, die heute Beiträge zahlen, müssen sich auch in Zukunft auf die gesetzliche Rente verlassen können."
    Tatsächlich kann die Garantie für mehr Gelassenheit und Vertrauen bei denjenigen sorgen, die die Rente schon mehr oder weniger in Sicht haben. Aber das hat seinen Preis. Um das System am Laufen zu halten, müssen die Beitragssätze für jeden Beschäftigten steigen. Durch die Garantie des Rentenniveaus fällt dieser Anstieg noch höher aus. Heute liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent - im Jahr 2035 rechnet das Arbeitsministerium mit 22,3 Prozent.

    Wirtschaftsweiser Werding: Viel Last für die Jungen

    Martin Werding ist Mitglied im Sachverständigenrat für Wirtschaft, also ein sogenannter Wirtschaftsweiser und der Rentenexperte im Gremium. Für ZDFheute rechnet Werding vor, was das garantierte Rentenniveau die Beitragszahler künftig kosten könnte. Bis zum Jahr 2045 geht er von einer addierten Mehrbelastung von 520,5 Milliarden Euro aus. Ein sehr, sehr teures Versprechen also.
    Konkret heißt das: Wer noch lange arbeitet, zahlt noch lange in die Rentenkasse ein - und zwar deutlich höhere Beträge als bisher. Ein höheres Rentenniveau erreicht man damit allerdings nicht, es gelten bestenfalls die 48 Prozent wie für die Älteren auch. Der Wirtschaftsweise Werding sagt:

    Zum Generationenvertrag gehört eigentlich auch, dass man schaut, dass die Jungen nicht zu stark belastet werden. Und diesen Teil des Vertrags, den nimmt die Regierung jetzt nicht ernst.

    Martin Werding, Wirtschaftsweiser und Rentenexperte

    Prof. Martin Werding
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    Rürup: "Intergenerative Unwucht"

    Bei jeder Rentenreform stellt sich die Frage der Generationengerechtigkeit. Bert Rürup hat für die Regierung Schröder im Jahr 2003 ein Reformpaket erdacht. Bestandteil war dort unter anderem ein sogenannter Nachhaltigkeitsfaktor, der die Jungen schützen und das Rentenniveau dämpfen sollte. Die Garantie von einem Rentenniveau bei 48 Prozent setzt diesen Faktor außer Kraft. Im ZDF-Interview spricht sich Rürup dafür aus, ihn wieder einzusetzen:
    "Der Nachhaltigkeitsfaktor hatte die Funktion, das Rentenniveau moderat absinken zu lassen im Interesse der langfristigen Finanzierbarkeit. Ein Senken bedeutet natürlich keine Rentenkürzung, sondern das der Rentenanstieg kleiner ist als die Lohndynamik. Das ist jetzt weg und dadurch haben wir im Vergleich zur Situation vorher eine gewisse intergenerative Unwucht."

    Hilft der Aktienmarkt dem Rentensystem?

    Einen anderen Lösungsansatz hat die Ampel jetzt in ihr Rentenpaket geschrieben. Ein sogenanntes "Generationenkapital" will die Regierung am Aktienmarkt anlegen. Die Rendite soll irgendwann dabei helfen, das Rentensystem zu stützen.
    Schweden und andere Länder gehen seit langem erfolgreich ähnliche Wege. Allerdings reichen die zu erwartenden Erträge - optimistisch gerechnet - in Zukunft nur für einen Bruchteil des Systems. Rentenexperte Werding sagt, möglich seien daraus dann die Rentenzahlungen für ungefähr eine Woche.
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