Illegale Migration: Welche Strafen drohen Schleusern?

    Illegale Migration:Welche Strafen drohen Schleusern?

    Samuel Kirsch
    von Samuel Kirsch
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    Mobile Grenzkontrollen sollen dazu beitragen, Schleusern das Handwerk zu legen. Welche rechtliche Handhabe gibt es gegen Schleuser, die an der Grenze aufgegriffen werden?

    Bundespolizei entdeckt Flüchtlinge in einem Kleintransporter
    Bei einer Kontrolle der Bundespolizei werden Dutzende Migranten in einem Kleintransporter entdeckt. (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Die aktuelle Migrationsdebatte wirft auch ein neues Schlaglicht auf Kriminelle, die die Flucht von Menschen zum Geschäftsmodell machen. Laut Bundesinnenministerium (BMI) registrierte die Bundespolizei für das Jahr 2023 bis August 1.700 Schleuser. Jeder vierte illegal Einreisende kam demnach mithilfe von Schleusern ins Land, so das Ministerium. "Für Flüchtlinge stellt das Schleuserwesen auch eine Infrastruktur dar, auf die sie mangels legaler Fluchtwege angewiesen sind, um Schutz zu suchen", sagt Jürgen Bast, Migrationsrechtler an der Universität Gießen.
    Doch das Einschleusen von Ausländern nach Deutschland ist eine Straftat. Wer bewusst eine Person darin unterstützt, illegal nach Deutschland einzureisen, macht sich strafbar, wenn er dafür entweder eine Gegenleistung nimmt, oder wiederholt oder zugunsten mehrerer Ausländer als Schleuser tätig wird.
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    Welche Strafen drohen Schleusern?

    Das Aufenthaltsgesetz legt einen Strafrahmen von fünf Monaten bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe fest. Wer gewerbsmäßig einschleust, also ein auf eine gewisse Dauer angelegtes Geschäft daraus macht, oder als Mitglied einer Bande schleust, dem droht eine Maximalstrafe von zehn Jahren Haft.
    Auch für die besonders gefährlichen so genannten Behältnis-Schleusungen gilt diese verschärfte Strafandrohung, wenn die Geschleusten in Lebensgefahr gebracht oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden, etwa weil sie auf engstem Raum in Lkws zur Grenze transportiert werden.
    Verschärfte Strafen drohen seit 2018 außerdem für das Einschleusen unbegleiteter Minderjähriger. Doch gerade diese Verschärfung droht ins Leere zu gehen.
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    Schleuser von Minderjährigen nur schwer zu belangen - warum?

    Beim Einschleusen von Kindern und Jugendlichen ist zweifelhaft, ob die Schleuser dafür überhaupt verurteilt werden können. Nach der derzeitigen Rechtslage muss nämlich dem eingeschleusten Ausländer, also auch einem Kind oder Jugendlichen, selbst bewusst sein, dass er eigentlich nicht einreisen darf. Nur wenn das der Fall ist, macht sich der Schleuser strafbar.
    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat angekündigt, diese Lücke durch eine Gesetzesänderung schließen zu wollen. Bekannt ist das Problem schon länger. Der Bundesgerichtshof gab bereits 2018 im Beschluss zu einem Strafverfahren gegen einen Schleuser einen entsprechenden Hinweis: "Es ließe sich durch die Schaffung eines eigenständigen Tatbestands sachgerecht vermeiden", so das Gericht damals.
    Auch die Justizministerkonferenz war auf Initiative Brandenburgs bereits im Mai dieses Jahres mit der Problematik befasst. Nach Angaben des brandenburgischen Justizministeriums hat die bestehende Rechtslage bereits mehrfach dazu geführt, dass Verfahren eingestellt werden mussten.
    Drei Polizisten mit gelben Westen stehen an einem weißen Schleuser-Van; links davon ein blau-weißes Polizeiauto.
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    Sind Grenzkontrolle trotz Schengen-Raum erlaubt?

    Um effektiver gegen Schleuser vorzugehen, hat Faeser in dieser Woche so genannte mobile Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien angeordnet. "Das sind juristisch gesehen keine Grenzkontrollen, sondern Fahndungsmaßnahmen im Grenzbereich. Die Bundesregierung weiß sehr gut, dass sie sich mit echten Grenzkontrollen rechtlich auf sehr dünnem Eis bewegt", ordnet Migrationsrechtler Jürgen Bast die Maßnahmen ein.
    Denn der Schengener Grenzkodex hat Kontrollen an den Binnengrenzen von Schengen-Staaten grundsätzlich abgeschafft. Sie wiedereinzuführen ist nur ausnahmsweise, nur zeitlich befristet und nur unter Einschaltung der EU-Kommission zulässig. "Ob Migrationssteuerung Grenzkontrollen überhaupt rechtfertigen kann, ist sehr umstritten", so Bast.

    Was geschieht mit Schleusern, die aufgegriffen werden?

    Ob bei einer Grenzkontrolle oder im Rahmen einer Fahndung im Grenzgebiet: Wenn beispielsweise ein Fahrzeug mit Geflüchteten an der Grenze von der Bundespolizei kontrolliert wird, kann insbesondere gegen den Fahrer der Verdacht bestehen, Schleuser zu sein.
    Sofern er auf deutschem Boden kontrolliert wird, sind die deutschen Strafverfolgungsbehörden zuständig und leiten ein Ermittlungsverfahren ein. Zur Identitätsfeststellung kann der Tatverdächtige festgenommen werden. Die Staatsanwaltschaft prüft zudem, ob sie einen gerichtlichen Haftbefehl beantragt, etwa weil Fluchtgefahr besteht.
    Drei Polizisten die vor einem Hochhaus stehen.
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    Können verurteilte Schleuser abgeschoben werden?

    Laut Bundeslagebild zur Schleusungskriminalität von Bundespolizei und Bundeskriminalamt waren im Jahr 2021 von 3.302 Tatverdächtigen wegen Schleusungsdelikten 519 Deutsche und 2.783 Nicht-Deutsche. Für verurteilte Schleuser, die selbst über keine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland verfügen, stellt sich die Frage, ob diese im Land bleiben dürfen.
    Rechtsprofessor Bast sieht hier keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf:

    Es ist rechtlich gesehen kein Problem, eine Person, die sich wegen Einschleusens strafbar gemacht hat, abzuschieben. Allerdings muss es praktisch auch einen Staat geben, der die Person nimmt.

    Prof. Jürgen Bast, Universität Gießen.

    Für Abschiebungen gilt zudem eine rote Linie. "Unser Recht ist ganz klar: Wir schicken niemanden in die Folter, auch keine verurteilten Schleuser", so Bast. Sofern ihnen in ihrem Herkunftsland Folter, Todesstrafe oder Lebensgefahr wegen eines bewaffneten Konflikts droht, erhalten Schleuser zwar gegebenenfalls keinen Schutzstatus, dürfen aber auch nicht ins Herkunftsland abgeschoben werden.
    Diese rote Linie findet sich im deutschen Verfassungsrecht, im EU-Recht und in der Europäischen Menschenrechtskonvention, lässt sich also auch nicht durch Änderungen im deutschen Recht verschieben.
    Samuel Kirsch ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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