Sozialwohnungs-Mangel: Staat wirft selbst Mieten-Turbo an

    Studie zu Miet-Überzahlung:Teure Sozialwohnungen: Staat zahlt zu viel

    von Sylvia Bleßmann
    |

    Der Staat betreibt ein Missmanagement bei der Unterstützung fürs Wohnen. So das Fazit einer Studie vom Pestel Institut. Jährlich werden 700 Millionen Euro Miete zu viel bezahlt.

    Nordrhein-Westfalen, Köln: Fenster werden in einen Rohbau eines Mehrfamilienhauses mit Mietwohnungen im Stadtteil Ehrenfeld eingebaut.
    Ein Bündnis aus Sozialverbänden und Mieterbund hat einen "dramatischen Mangel" an Sozialwohnungen beklagt. Seit 1990 ist die Zahl staatlich geförderter Wohnungen zurückgegangen.16.01.2024 | 0:27 min
    Das Bündnis für "Soziales Wohnen" wirft Bund und Ländern erneut vor, die Förderung von Sozialwohnungen massiv vernachlässigt zu haben.
    Die Folgen zeigen sich nun in aller Härte gerade in wirtschaftlich starken Regionen. Dort steigen die Kosten der Unterkunft für bedürftige Menschen massiv an, weil nicht genug Wohnungen da sind, auf die Kommunen zurückgreifen können.

    Um bedürftigen Haushalten das Wohnen überhaupt noch zu ermöglichen, ist der Staat mittlerweile gezwungen, stetig steigende Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt zu akzeptieren.

    Matthias Günther, Studienleiter Pestel-Institut

    "Dadurch zahlt er sogar Mieten, die oft über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen", so Studienleiter Matthias Günther. Die Untersuchung des Pestel-Instituts wurde vom Verbändebündnis "Soziales Wohnen" beauftragt.
    Berlin: Blick auf eine graue Hausfassade mit vielen Fenstern.
    Es habe Priorität, dass jede Person in Deutschland ein Dach über dem Kopf hat, so Lukas Siebenkotten. Soziales Wohnen müsse laut Mieterbund einen höheren Stellenwert erhalten.16.01.2024 | 0:37 min

    In 58 von 124 Regionen liegen Kosten für Unterkunft oberhalb der Durchschnittsmiete

    In nur 38 von 124 untersuchten Regionen in Deutschland lagen die Kosten der Unterkunft je Quadratmeter und Netto kalt um 5 Prozent unterhalb der im Mikrozensus ermittelten Durchschnittsmiete. In 58 Regionen aber oberhalb der Durchschnittsmiete.
    Bundesbauministerin Klara Geywitz, SPD, im Gespräch mit ZDF-Mima-Moderatorin Mirjam Meinhardt
    Es sei "Kernaufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Deutschland in der Lage sind, ihre Wohnung zu bezahlen", sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD).16.01.2024 | 4:51 min
    Die Top 10 Regionen mit der größten Überschreitung werden von der Stadt München angeführt. Hier lag die von den Job-Centern gezahlte Miete bei den Kosten der Unterkunft mit 19,20 Euro pro Quadratmeter rund 6,40 Euro über der Münchener Durchschnittsmiete von 12,80 Euro. Auch in Hamburg, wo die durchschnittliche Nettokaltmiete bei 9,30 Euro liegt, zahlt das Jobcenter deutlich mehr: nämlich 12,17 Euro. Vor allem in den alten Bundesländern liegen die Kosten der Unterkunft deutlich über den Durchschnittsmieten.
    Familie mit drei Kindern sitzt auf der Couch
    Sie gehören zur Mittelschicht, haben ein gutes und sicheres Einkommen – Familien, die zur Miete wohnen, aber eine neue Wohnung suchen. Oft bleibt ihre Wohnungssuche erfolglos.28.03.2023 | 7:36 min
    Im Osten Deutschlands gibt es noch immer eine sehr ausgeprägte kommunale und genossenschaftliche Wohnungswirtschaft mit stark preisdämpfender Wirkung am Mietmarkt. Bundesweit ermitteln die Macher der Studie eine staatliche Miet-Überzahlung von rund 700 Millionen Euro pro Jahr. Nur bei den Kosten der Unterkunft.

    Mieterbund: Vermieter profitieren

    "Es profitieren die Vermieter" so Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes.

    Am meisten verlieren die Menschen, die sich knapp oberhalb staatlicher Transferleistungen befinden, die kein Wohngeld bekommen.

    Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes

    "Sie sind von der Teuerung in vollem Maße erfasst", so Siebenkotten.
    Auf dem Bild sieht man zwei hohe Wohngebäude.
    Die Pestel-Studie für "Soziales Wohnen" zeigt, wie staatliche Mietzahlungen den Markt beeinflussen. 16.01.2024 | 2:02 min

    Staatsausgaben fürs Wohnen knacken 20 Milliarden Marke

    Für die Unterstützung bedürftiger Menschen beim Wohnen wurden im vergangenen Jahr gut 15 Milliarden Euro für Kosten der Unterkunft gezahlt - meist durch die Job-Center.
    Zusätzlich zahlte der Staat über fünf Milliarden Euro für Wohngeld. Dagegen stehen die Ausgaben von Bund und Ländern zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Die lagen bis 2023 bei 2,5 Milliarden pro Jahr.
    Anfang 2024 verfügte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) eine Erhöhung der Bundesmittel, so dass jetzt durch Co-Finanzierung der Länder rund vier Milliarden Euro Förderung für den Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen.
    Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetages
    Der Vizepräsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung, begrüßt die auf dem Wohnungsbaugipfel vorgestellten Maßnahmen. Die Pläne gingen "in die richtige Richtung".25.09.2023 | 4:20 min
    Das sei immer noch ein Verhältnis von 1:5 von Objekt- zu Subjektförderung, so Matthias Günter vom Pestel Institut. Die beste Kostenbremse in der Subjektförderung sei eine rasche und entschlossene Objektförderung. Da müsse wieder eine Balance her. Das Bündnis fordert erneut eine Fördersumme von 50 Milliarden Euro, um dem Ampel-Ziel von 100.000 neuen Sozialwohnungen gerecht zu werden.

    Bündnis fordert günstige Darlehen für Genossenschaften

    "Wenn der Staat perspektivisch in den Sozialausgaben sparen will, muss er jetzt - trotz kritischer Haushaltslage - Geld für den sozialen Wohnungsbau in die Hand nehmen", so das Bündnis. Gegensteuern könnte der Staat zum Beispiel mit kostengünstigen Darlehen für Genossenschaften, deren Wohnungen nicht schon nach 30 Jahren aus der Sozial-Bindung fallen oder mit einer Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent für den Neubau von Sozialwohnungen.
    Luftaufnahme von Wohnblöcken in München
    Besonders in Großstädten wie ist es seit Jahren schwierig, eine Wohnung zu finden. Vom Ziel, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, ist die Bundesregierung weit entfernt.16.01.2024 | 3:20 min

    Mehr übers Wohnen