Warum die deutsche Verfassung Grundgesetz heißt

    75 Jahre Konvent Herrenchiemsee:Warum die Verfassung Grundgesetz heißt

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    Vor 75 Jahren kamen auf einer Insel im Chiemsee 30 Männer zusammen. Sie legten den Grundstein für unsere Demokratie, die Verfassung. Dort kam auch der Begriff Grundgesetz auf.

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    1948 erarbeiten Politiker und Experten die Grundlage für eine neue deutsche Verfassung. Über die Anfänge des Grundgesetzes.10.08.2023 | 1:17 min
    Der Auftrag kam von den Alliierten in den westdeutschen Besatzungszonen: Die USA, Großbritannien und Frankreich forderten im Juli 1948 die Ministerpräsidenten der Bundesländer auf, eine Verfassung auszuarbeiten. Hans Ehard (CSU) aus Bayern ergriff die Initiative und schlug einen "besonders ruhigen Ort" vor, um mit Experten eine Vorlage für den geplanten Parlamentarischen Rat zu schaffen: die Herreninsel im Chiemsee.
    Nicht nur mit der traumhaften Lage im Voralpenland lockte er die Kollegen, sondern auch mit dem Hinweis, dass es dort nur zwei Telefone gebe - Diskretion wäre gewährleistet und der Einfluss der Parteien minimiert.
    Zu sehen ist der damalige bayrische Staatsminister Anton Pfeiffer beim Verfassungskonvent im Alten Schloss der Insel Herrenchiemsee.
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    Zwölf Zigaretten, ein halbe Flasche Wein pro Tag

    Vom 10. bis 23. August 1948 reisten rund 30 Länderbevollmächtigte und Experten ins Chiemgau, darunter Staatsrechtler wie Carlo Schmid und Theodor Maunz, Verwaltungsbeamte und Finanzexperten. 13 Tage und Nächte diskutierten sie intensiv, wie eine Verfassung für das künftige Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aussehen sollte. Bei Spaziergängen wurden in kleinen Gruppe Fachfragen erörtert.
    Manche der Herren hatten ihre Ehefrauen und Kinder mitgebracht. Zur positiven Atmosphäre dürfte auch beigetragen haben, dass jeder Teilnehmer pro Tag das Anrecht auf drei Zigarren oder zwölf Zigaretten hatte. Zum Trinken waren eine halbe Flasche Wein oder ein Liter Bier zugesagt.
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    Bayern brachte eine Vorlage mit

    Die als Gastgeber fungierenden Bayern hatten eine Vorlage erarbeitet, in der Hoffnung, damit den Konvent gleich zu Beginn in die entsprechende Richtung treiben zu können. Eine der prägenden Persönlichkeiten war der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Anton Pfeiffer. Als "geschäftsführender Betreuer" hielt er mit Geschick alle Fäden in der Hand, wie der Historiker Manfred Treml notiert.
    Pfeiffer vertrat eine föderalistische Politik auf katholischer Grundlage. Der aus Hessen entsandte Hermann Brill charakterisiert ihn in seinem Tagebuc(h als eine "Mischung von naturwüchsiger, bajuwarischer Vitalität, einem politischen Barock und einer fleißigen, exakten, aber etwas trockenen bürokratischen Manier".

    Begriff Grundgesetz in Herrenchiemsee etabliert

    Die Experten beschäftigten sich mit den Grundrechten, der Rolle des Föderalismus und dem Schutz des Regierungssystems vor antidemokratischen Angriffen. Zugleich wurde die überragende Bedeutung der Menschenwürde als vorstaatliches Recht im Herrenchiemseer Verfassungsentwurf an prominenter Stelle erstmalig verankert.
    Am Ende des Treffens 1948 stand ein 93-seitiger Bericht, der dem Parlamentarischen Rat zugeleitet wurde. Angesichts der drohenden Spaltung Deutschlands in West und Ost schlugen die Experten den Begriff Grundgesetz vor, um alle Möglichkeiten einer späteren Vereinigung offen zu halten.

    Bundespräsident Steinmeier zum Jubiläum erwartet

    Zum Festakt zum 75. Jahrestag des Konvents wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Hauptredner erwartet. Gastgeber der Jubiläumsfeier im Spiegelsaal des neuen Schlosses sind Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU).

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