Ecowas trifft Niger-Machthaber und abgesetzten Präsidenten

    Nach Putsch im Niger:Ecowas-Mission unternimmt Vermittlungsversuch

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    Eine Ecowas-Mission ist am Samstag in den Niger gereist. Die Abordnung habe den Machthaber Tiani und den abgesetzten Präsidenten Bazoum getroffen.

    Treffen der Ecowas in Ghana
    Die Ecowas-Staaten unterstreichen ihre Drohungen einer Militärintervention gegen die Putschisten im Niger. Eine diplomatische Lösung soll aber auch weiter möglich sein.19.08.2023 | 0:16 min
    Viel Spielraum gibt es nicht mehr. Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas hat sich nach dem Putsch im Niger zu einer Militärintervention bereiterklärt. Demnach steht ein Zieldatum für den Einsatz zwar fest, es soll aber nicht veröffentlicht werden. Der Niger, gemeinsam mit seinen Nachbarländern Mali und Burkina Faso, hat als Antwort darauf eine Verteidigungstrategie mit "konkreten Maßnahmen" entwickelt, falls sich die Ecowas für "die Ausbreitung eines Krieges" entscheide, teilte das nigrische Staatsfernsehen mit.

    Wir sind für einen Angriff vorbereitet

    Kassoum Coulibaly, Verteidigungsminister Burkina Faso

    Das sagte Coulibaly nach einem Treffen von Vertretern der drei Länder in der nigrischen Hauptstadt Niamey. Mali und Burkina Faso werden wie der Niger seit Putschen in ihren Ländern vom Militär regiert. Am Fußballstadion von Niamey standen am Samstag Tausende junge Männer Schlange, um der Armee beizutreten.
    Mousa Tourey, Präsident der ECOWAS-Kommission, Abdulsalami Abubakar, ECOWAS-Sonderbeauftragte für die Republik Niger, Mohamed Bazoum, abgesetzter nigrische Präsident, und Alhaji Muhammad Saad Abubakar III, Sultan von Sokoto
    Nach dem Militärputsch in Niger ist die Zukunft des Landes weiter unklar. Vertreter der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS bemühen sich um eine Lösung.20.08.2023 | 1:36 min

    Ecowas-Eingreiftruppe ist bereit

    Am späten Freitag hatte die Ecowas verkündet, ihre Einsatztruppen seien bereit, nach dem Putsch vor gut drei Wochen im Niger zu intervenieren, "sobald der Befehl erteilt" sei. Ein Zieldatum für einen Einsatz sei gesetzt, werde aber nicht öffentlich genannt, sagte der Ecowas-Kommissar für politische Angelegenheiten, Frieden und Sicherheit, Abdel-Fatau Musah.
    Dennoch solle die Suche nach einer friedlichen Lösung weiter Vorrang haben. Alle Optionen, einschließlich einer diplomatischen Lösung, blieben auf dem Tisch, so Musah. Militärchefs von neun der 15 Mitgliedsländer hatten sich am Donnerstag und Freitag in Ghanas Hauptstadt Accra beraten.
    Eine Ecowas-Mission reiste am Samstag umgehend in den Niger. Falls diese scheitere, werde der Staatenbund auf eine militärische Lösung zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung im Niger zurückgreifen, sagte Musah. Alle Mitgliedsstaaten außer den von Militärs regierten Staaten sowie Kap Verde wollten sich beteiligen.
    Schaltgespräch mit Jan Fritsche
    Der nigerianische Präsident betone die diplomatischen Wege, auf der anderen Seite behalte er sich aber "eine Militärintervention als letztes Mittel vor“, so ZDF-Reporter Fritsche.11.08.2023 | 1:52 min
    Was steckt hinter der Doppelstrategie des Ecowas-Vorsitzenden?

    Delegation in Niger eingetroffen

    Nach Angaben der nigrischen Militärjunta traf sich die Delegation der westafrikanischen Staatengemeinschaft mit dem neuen Machthaber Abdourahamane Tiani. Anschließend habe die Delegation den von den Putschisten festgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum besucht. Bislang hatte Tiani Gespräche mit der Ecowas verweigert.
    Ebenfalls am Samstag sprach eine UN-Delegation in Niamey mit dem nigrischen Premierminister Lamine Zeine. Es gebe "keine Krise ohne Lösung, und im Dialog findet man immer eine Lösung", sagte der UN-Sonderbeauftragte für Westafrika, Leonardo Santos Simão, im staatlichen Fernsehen.
    Auch die neue US-Botschafterin Kathleen FitzGibbon traf am Samstag in Niamey ein, um die Bemühungen zur Lösung der politischen Krise zu verstärken. "Als hochrangige Diplomatin mit langjähriger Erfahrung in Westafrika ist sie in der einzigartigen Lage, die Bemühungen der US-Regierung zur Unterstützung der amerikanischen Gemeinschaft und zur Bewahrung der hart erarbeiteten Demokratie in Niger anzuführen", so das US-Außenministerium.

    Neokolonialismus im Sahel
    :Niger: Negativbeispiel europäischer Politik

    Niger, bis 1960 französische Kolonie, und der gestürzte Präsident Bazoum, standen eng an der Seite der EU. Zurück kam dafür wenig: Ein Negativ-Beispiel europäischer Politik.
    von Thilko Gläßgen
    Autos auf einer Straße in Nigers Hauptstadt Niamey. Archivbild; 07.08.2023; Niamey, Niger

    Offene Fragen vor einem Militäreinsatz

    Tatsächlich stellen sich hinsichtlich eines Militäreinsatzes noch viele offene Fragen. In Nigeria müsste das Parlament erst einem Einsatz zustimmen. Vor allem in den an den Niger grenzenden Bundesstaaten gibt es großen Widerstand. Eine Intervention wäre auch in der Bevölkerung extrem unbeliebt. Auch in Ghana sperrt sich bislang das Parlament gegen eine Entsendung von Truppen.
    Der Einsatz selbst dürfte für die Ecowas ein schwieriges Unterfangen werden. Der Flugraum über dem Niger ist seit dem Putsch geschlossen, der Flughafen in der Hauptstadt Niamey von der Junta kontrolliert. Diese gilt als gut trainiert und ausgerüstet.

    Entmachteter Präsident unter Hausarrest

    Als Partner des Westens hatten die USA, Kanada, Italien, Belgien, Deutschland und teils auch Frankreich Tausende nigrische Soldaten ausgebildet und ausgerüstet. Eine Interventionstruppe der Ecowas könnte in einer Konfrontation durchaus unterlegen sein, warnen Experten. Sie könnten stattdessen einen regionalen Konflikt in Westafrika entfachen.
    Die Ecowas fordert nach dem Putsch vom 26. Juli im Niger eine Wiedereinsetzung der Verfassung und des entmachteten Präsidenten Mohamed Bazoum, der unter Hausarrest steht. Der Niger, ein Sahel-Staat mit rund 26 Millionen Einwohnern und einer der ärmsten Bevölkerungen der Welt, war bis zu dem Putsch einer der letzten demokratischen Partner der USA und europäischer Staaten am südlichen Rand der Sahara. In einem Interview mit der "New York Times" versprach ein ziviles Mitglied der Junta, dass Präsident Bazoum keinen Schaden erleiden werde. Die neuen Machthaber hatten Bazoum zuvor des Hochverrats bezichtigt. Darauf steht im Niger die Todesstrafe.
    Quelle: dpa
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