Wahlkampf: Erdogan will mit Außenpolitik punkten

    Wahlkampf in der Türkei:Erdogan will mit Außenpolitik punkten

    Jörg-Hendrik Brase
    von Jörg-Hendrik Brase
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    Die Türkei ist ein strategisch wichtiger Partner für den Westen. Präsident Erdogan weiß das. Gerade jetzt im Wahlkampf will er mit außenpolitischen Themen punkten.

    Türkischer Präsident Erdogan steht an einem Mikrofon
    Im Wahlkampf will der türkische Präsident seine außenpolitischen Muskeln spielen lassen. Archivbild
    Quelle: Reuters/Presidental Press Office

    "Zusammen werden wir das türkische Jahrhundert bauen", rief Recep Tayyip Erdogan tausenden jubelnden Unterstützern in Ankara zu. Bescheidenheit ist Erdogans Sache nicht. Als der Präsident bereits im Oktober in den Wahlkampfmodus schaltete, setzte er sich und der Nation hohe Ziele. Die Türkei werde binnen Jahren zu den zehn größten Wirtschaftsnationen aufsteigen, versprach er.
    Zum 100. Geburtstag der Staatsgründung will er sich im November 2023 als Anführer eines Landes präsentieren, das nach dem Untergang des Osmanischen Reiches wieder zu einem der großen Player auf der politischen Weltbühne aufgestiegen ist.

    Kein Zögern beim Anlegen mit Nato-Partnern

    Um die groß geplante Jubelfeier selbst inszenieren zu können, muss Erdogan jedoch erst mal die Wahlen Mitte Mai gewinnen. Dafür müssen die nötigen Stimmen seiner religiös-konservativen Stammwählerschaft eingesammelt werden. Und dafür ist ein geeignetes Mittel, außenpolitisch die Muskeln spielen zu lassen und nationale Stärke zu zeigen.
    Wie schon vor der letzten Wahl vor fünf Jahren zögert Erdogan dabei nicht, sich mit den Nato-Partnern anzulegen. Ging es damals vor allem um den Kauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400, um den Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien und den Streit mit Griechenland um Hoheitsgebiete im östlichen Mittelmeer, so stehen diesmal zwei Konflikte im Mittelpunkt.

    Erdogan verweigert Nato-Mitgliedschaft Schwedens

    Da ist zum einen der Streit um die Nato-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands. Bis auf Ungarn und die Türkei haben alle anderen Nato-Mitglieder die Aufnahme der beiden Nordeuropäer ratifiziert. Ankara verweigert dies bislang vor allem im Falle Schwedens wegen angeblich mangelnder Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von der Terrororganisation PKK - oder der Gülen-Sekte, die von der türkischen Regierung für den Putschversuch 2016 verantwortlich gemacht wird.
    Als in Stockholm kurdische Aktivisten eine Erdogan ähnelnde Stofffigur an einem Laternenpfahl aufknüpften, hagelte es wütende Kommentare in regierungsnahen türkischen Medien. Und als im Januar schließlich ein Rechtsextremer vor der türkischen Botschaft einen Koran verbrannte, schlug Erdogan den Schweden endgültig die Tür zu. Eine bessere Wahlkampfhilfe hätte sich der türkische Präsident nicht wünschen können.

    Erdogan will Rückführungsabkommen für syrische Flüchtlinge

    Zum anderen verfolgt Erdogan das Ziel, schrittweise syrische Flüchtlinge loszuwerden, von denen rund 3,6 Millionen in der Türkei aufgenommen wurden. Wenn es ihm gelänge, mit der syrischen Regierung ein Rückführungsabkommen zu verhandeln, wäre das ein innenpolitischer Coup.
    Außenpolitisch jedoch ist dieses Ziel hochproblematisch. Es müssten dafür Spitzentreffen mit den Schutzmächten des syrischen Regimes, Russland und Iran, und mit dem syrischen Machthaber Assad selbst stattfinden. Seit Monaten bereitet Ankara ein solches Treffen vor. Erste Verhandlungen auf Ministerebene hat es bereits gegeben. Direkte Gespräche mit dem syrischen Diktator Assad aber sind für den Westen bislang jedenfalls ein Tabu.

    Kontakte nach Kiew und Moskau

    Erdogan aber weiß um die geopolitische Bedeutung der Türkei und nutzt diese Position geschickt aus. Im russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat er sich als Vermittler aufgebaut, hat erfolgreich ein Getreideabkommen verhandelt. Erdogan pflegt diplomatische Kontakte sowohl mit Kiew als auch mit Moskau. Mit beiden Kriegsparteien verfolgt die Türkei Rüstungsprojekte. An den Sanktionen gegen Russland beteiligt sich Ankara nicht und ist zu einem der größten Ölabnehmer Moskaus geworden.
    Der Westen lässt den türkischen Störenfried gewähren, solange Erdogan nicht überzieht. An einem Konfrontationskurs wie noch vor fünf Jahren gibt es zurzeit weder in Washington noch in Brüssel ein Interesse. Zu wichtig ist die Türkei als zweitgrößte Militärmacht in der Nato. So hält man still und hofft, dass sich Erdogans außenpolitisches Gemüt nach der Wahl wieder beruhigen wird.

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