FDP-Parteitag: Liberale wollen ihren Kompass neu justieren

    FDP-Parteitag in Berlin:Liberale wollen ihren Kompass neu justieren

    Frank Buchwald
    von Frank Buchwald
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    Beim Parteitag in Berlin will die FDP eine Wachstumsagenda beschließen: liberale Programmatik, frei von einengender Koalitionsdisziplin. Das soll ein deutliches Signal aussenden.

    Christian Lindner (Archivbild)
    Schwache Umfragewerte, schlechte Ergebnisse bei den letzten Landtagswahlen: Die FDP hat seit Eintritt in die Ampelkoalition zu kämpfen. Der Parteitag in Berlin soll das Profil schärfen - es stehen diverse Landtagswahlen bevor.21.04.2023 | 2:45 min
    Langweilig wird es nicht. Die FDP versammelt sich an diesem Wochenende in Berlin zu ihrem Bundesparteitag; auf die Delegierten warten bei dem dreitägigen Treffen ein programmatischer Leitantrag und eine umfangreiche Agenda: Neuwahl von Präsidium und Bundesvorstand, Rechenschaftsberichte - vor allem von Christian Lindner.

    Lindner stellt sich zur Wiederwahl

    Der Chef der Freien Demokraten steht seit 2013 unangefochten an der Spitze seiner Partei. Von Amtsmüdigkeit keine Spur: Lindner stellt sich zur Wiederwahl und da keiner ihm das Amt streitig macht, gilt seine Bestätigung als sicher. Von seiner Rede an diesem Freitag erwarten viele eine Kursbestimmung für die FDP als Regierungspartei.
    Auch bei der Wahl seiner drei Stellvertreter scheint die Bewerberliste sorgfältig abgestimmt: Wolfgang Kubicki und Johannes Vogel treten wieder an, Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger will zur Parteivize aufrücken. Dafür verzichtet Nicola Beer, als Nummer eins der deutschen Liberalen im Europaparlament aber gehört sie weiterhin dem Präsidium an. Beide Politikerinnen stammen aus Hessen; dort stehen im Herbst Landtagswahlen an. Das alles klingt nach solider Parteitagsregie, Liberale aber debattieren gern. 
    Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, FDP
    "Wir messen uns nicht an anderen Parteien" und "wir geben unsere Überzeugungen nicht an der Tür zum Kabinett ab", so die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger vor dem FDP-Bundesparteitag.21.04.2023 | 5:24 min
    "Wir messen uns nicht an anderen Parteien" sagt die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger vor dem FDP-Bundesparteitag.

    Liberale sehen sich als Garanten der Vernunft

    Viel Zeit dürften sich die Delegierten deshalb für inhaltliche Orientierung nehmen: Das Antragsbuch ist mehr als 300 Seiten Seiten stark - liberale Programmatik, frei von einengender Koalitionsdisziplin. Nicht wenige in der FDP fremdeln zwar nach wie vor mit der Ampel. Besonders die verbotsfixierte Polit-Pädagogik vieler Grüner nervt viele Liberale.
    Im Regierungsbündnis mit SPD und Grünen aber sind die Freien Demokraten zum gemeinsamen Erfolg verurteilt. Die von beiden Partnern wechselseitig immer mal wieder bemühte Vorhaltung, die FDP wirke als "Bremser" oder "Störenfried", lassen die Liberalen deshalb nicht gelten. Sie sehen sich als Garanten für Vernunft: Gegen eine aus ihrer Sicht zu ideologische Haltung der Grünen, wie auch gegen allzu spendable Ausgabenprogramme der Sozialdemokraten.

    FDP: Agenda für Innovation und Wachstum

    Der Parteitag dürfte deshalb ein deutliches Signal der programmatischen Selbstvergewisserung als Regierungspartei senden. In seinem Leitantrag etwa plädiert der Bundesvorstand für ein "ambitioniertes Innovations- und Wachstumsprogramm", das den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfähig machen soll. Die Energie, die Deutschland zur Krisenbewältigung aufgebracht habe, zeige "die Kraft und das Potential unseres Landes".
    Daraus leitet sich ein klares Bekenntnis zum technischem Fortschritt ab. Kernfusion und "Kernenergie der nächsten Generation" sollen ebenso dazugehören wie Wasserstoffwirtschaft und E-Fuels. Eine "funktionierende  Infrastruktur", die neben Schienen und Energienetzen eben auch Straßen umfasst, müsse ausgebaut werden. Das liberale Bürgergeld und großzügigere Hinzuverdienst-Regeln sollen "Anreize zur Erwerbstätigkeit weiter steigern" - ein "smarter und gerechter Sozialstaat".

    Leitantrag: FDP-Sound pur

    Grundlage einer solchen "Wachstumsagenda" seien jedoch vor allem solide Finanzen: "Zu lange wurde der Wohlstand in Deutschland nur verteilt, ohne zu fragen, wo er herkommt oder wie wir den Wohlstand der Menschen und der Gesellschaft mehren können", heißt es in dem Leitantrag. Das ist FDP-Sound pur. Klar, dass die Freien Demokraten allen Plänen für Steuererhöhungen eine deutliche Absage erteilen. Entsprechende Vorhaben, die die Union unlängst vorgestellt hat, nehmen die Liberalen deshalb durchaus als Steilvorlage wahr.
    Die FDP schaut nach vorn, das schlechte Karma des vergangenen Jahres, als wichtige Landtagswahlen für die Freien Demokraten enttäuschend endeten, will sie hinter sich lassen. Engagierte Diskussionen sind also zu erwarten.

    "Letzte Generation" kündigt Proteste an

    Viele Delegierte aber dürften sich nicht nur deshalb mit etwas Herzklopfen auf den Weg zum Parteitag nach Berlin machen. Radikale Klimakleber der sogenannten Letzten Generation haben umfangreiche Blockade- und Protestaktionen rund um den Parteitag angekündigt. Schon deshalb wird es also sicher nicht langweilig.

    Baustellen der FDP
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