Flüchtlingskosten: Im Kanzleramtspapier klafft eine Lücke

    Streit um Flüchtlingskosten:Im Kanzleramtspapier klafft eine Lücke

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Viele Stunden sind es nicht mehr. Dann treffen sich Bund und Länder zum Flüchtlingsgipfel. Streitpunkt bleibt die Finanzierung. Das Kanzleramt lässt in einem Papier eine Lücke.

    Niedersachsen, Laatzen: Geflüchtete aus der Ukraine laufen nach ihrer Ankunft durch die Eingangshalle vom Messebahnhof Laatzen. Archivbild
    Vor dem Flüchtlingsgipfel haben die Länder eine gemeinsame Beratungsgrundlage verfasst. Sie fordern vom Bund unter anderem eine Kostenerstattung für Flüchtlingsunterkünfte.09.05.2023 | 0:22 min
    Zumindest eine ist optimistisch: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hofft, dass es eine "Einigung im Sinne der Kommunen" beim Flüchtlingsgipfel an diesem Mittwoch geben wird. "Ich hoffe, dass es dort zu einer Einigung kommt“, betonte sie heute gleich zweimal. Allerdings: Dafür sieht es momentan nicht besonders gut aus.

    Länder betonen "Hilferuf", Bund lässt ihn weg

    Bei den derzeit kursierenden Beschlusspapieren zwischen den Ländern und dem Bundeskanzleramt gibt es noch bei einigen Punkten Unterschiede. Es klafft aber auch eine erhebliche Lücke: Die Länder haben sich abgestimmt und fordern ein neues Finanzierungsmodell. In der Antwort des Bundeskanzleramts in der Version gestern um kurz vor Mitternacht fehlt dieser Passus. Beide Papiere liegen dem ZDF vor.
    Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen.
    Niedersachsen Ministerpräsident Weil erklärt zum kommenden Flüchtlingsgipfel: Wenn die Flüchtlingszahl steigt, "dann muss auch der Bund sich beteiligen - ebenso wie die Länder."09.05.2023 | 7:27 min
    Die Länder betonen darin die Überlastung der Kommunen, "der Hilferuf" müsse "ernstgenommen werden". Sie fordern mehr Planungssicherheit. Die vom Bund zugesagten Gelder in Höhe von 2,75 Milliarden Euro und die Weiterzahlung für Menschen aus Drittstaaten ab 2024 würden, so heißt es in dem Papier, "den steigenden Zahlen von Geflüchteten nicht gerecht". Sie fordern ein "atmendes System", das sich den sich verändernden Flüchtlingszahlen anpasst.
    Das hatte auch Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil im ZDF gefordert. "Wir können das Risiko wachsender Zahlen nicht den Kommunen überlassen", sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz.
    Die Länder wollen laut Papier:
    • die vollständige Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung für Geflüchtete, die nach Sozialgesetzbuch bezahlt werden.
    • die Pro-Kopf-Pauschale für Menschen, deren Asylverfahren noch läuft, die geduldet sind oder die abgeschoben werden sollen.
    • die Kosten für die komplette Integration und auch die von unbegleiteten Minderjährigen sollten "dynamisiert", sprich vom Bund übernommen werden.
    Im Papier des Bundeskanzleramts ist lediglich die Rede davon, dass dem Kanzler die großen "Herausforderungen vor Ort in den Kommunen bewusst" seien. Deswegen unterstütze der Bund "Länder und Kommunen finanziell in Milliardenhöhe".

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    AfD: "Sie drehen bei"

    Dass es beim morgigen Treffen zu einer Einigung kommt, daran zweifelt Weil nicht, ist aber vorsichtig: Er halte sie "zumindest für möglich". Sein SPD-Kollege aus Brandenburg, Dietmar Woidke, sagte dem RBB: "Ich gehe davon aus, dass wir zu einer Einigung kommen." Wie die Debatte derzeit geführt werde, sei aber "massiv schädlich". Sie spiele den falschen Kräften in die Hände.
    Gemeint sein dürfte damit die AfD. In der Bundestagsfraktion heißt es an diesem Dienstag, die Ampel übernehme AfD-Politik. "Sie drehen jetzt bei", so Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion.
    Andere versuchen mittlerweile, den Faktor Geld herunterzuspielen, vor allem in den Ampel-Fraktionen. "Wir erwarten nicht, dass über mehr Geld gesprochen wird", sagt FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Es gehe viel mehr um eine "Wende in der Migrationspolitik". Das findet auch die SPD: "Es ist mehr als nur die Frage von finanziellen Zuwendungen", so SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Jedoch bleibt für die Grünen laut Fraktionschef Katharina Dröge die Frage der Kosten "der zentrale Streitpunkt".
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    Zumindest scheint bei anderen bisherigen Streitpunkten eine Einigung in Sicht: In beiden Papieren von Bundeskanzleramt und Ländern findet sich der Passus, dass an allen deutschen Binnengrenzen im Schengenraum wieder Grenzkontrollen und Schleierfahndung möglich sein soll. So wie es bislang auch an der Grenze zu Österreich gehandhabt wird und verlängert werden soll.
    Außerdem sind beide Seiten dafür, dass Georgien und Moldau sichere Herkunftsstaaten werden sollen. Für CDU-Vorsitzendem Friedrich Merz gehört jedoch beides zusammen: Wenn die Ampel die illegale Migration nicht begrenze, "muss sie mehr zahlen".
    Nach mehreren Vorgesprächen beginnt der Flüchtlingsgipfel am Mittwoch am frühen Nachmittag. Die Kommunen sind nicht dabei. Noch ist Zeit, die Positionen weiter abzustimmen. Ob die Finanzfragen drin bleiben oder ob das Fehlen in den den Beschlussentwurf vielleicht schon der Kompromiss ist, scheint derzeit so offen wie das Ende des Abends. Alle gehen bisher jedenfalls von einer langen Sitzung aus.

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