Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe: Wo es noch hapert

    Zwei Jahre nach NRW-Hochwasser:Wiederaufbau nach der Flut: Wo es noch hapert

    ZDF-Korrespondent Ralph Goldmann
    von Ralph Goldmann
    |

    Bei der Flutkatastrophe vor zwei Jahren wurden viele Orte zerstört. Der Wiederaufbau läuft trotz Milliardenhilfen schleppend. Auch beim Hochwasserschutz hat sich wenig getan.

    Schaltgespräch mit Professor Schüttrumpf.
    Eine wirkliche Verbesserung beim Hochwasserschutz könne noch Jahre dauern, so Professor Schüttrumpf. "Richtige Anreize" für den Wiederaufbau auch anderenorts seien daher wichtig.14.07.2023 | 3:22 min
    34,3 Millionen Euro für Zülpich und Mechernich, 66 Millionen Euro für das Marien-Hospital in Erftstadt, 28,5 Millionen für den Wupperverband in Solingen: Die nordrhein-westfälische Bau- und Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) tingelt derzeit durch das Land und verteilt einen Förderbescheid nach dem anderen.
    Geld für all die Kommunen, die von der verheerenden Flut im Sommer 2021 betroffen waren und es immer noch sind. Insgesamt sollen Privathaushalte, Unternehmen sowie die fünf betroffenen Kreise und die Stadt Hagen mehr als 12 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe vom Bund und anderen Bundesländern erhalten.
    Ein teilweise abgerissenes Haus neben einem Fluss, dahinter Wald
    Die Flutkatastrophe im Ahrtal und in NRW jährt sich zum zweiten Mal, der Gesamtschaden war immens. Von den bewilligten Hilfen kam bisher weniger an als vorgesehen.11.07.2023 | 1:42 min

    3,1 Milliarden in NRW bewilligt

    Doch bisher sind erst 3,1 Milliarden Euro in NRW bewilligt worden, der Großteil davon für den Wiederaufbau städtischer Einrichtung, Straßen oder Brücken, ein kleiner Teil für Privatpersonen.

    Es ist in Teilen noch ein weiter Weg, aber wir gehen ihn gemeinsam, und dann ist es nur ein halber Weg.

    Ina Scharrenbach, nordrhein-westfälische Bau- und Kommunalministerin

    Die Opposition im Düsseldorfer Landtag wirft der Landesregierung "Untätigkeit" vor: "Die Fluthilfen kommen immer noch nur stockend an", sagt René Schneider, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Sein Kollege Werner Pfeil (FDP) ergänzt: "Wir sind mit der Aufarbeitung der Katastrophe nicht weit genug".
    "We Ahr Family"-Plakat im Ahrtal
    Auch zwei Jahre nach der Flut im Ahrtal sind einigen Betroffenen noch immer keine Versicherungs- oder staatlichen Gelder bewilligt worden. Bei anderen fehlen die Handwerker. Ein kräftezehrender Wiederaufbau.01.07.2023 | 6:33 min

    Stillstand auch beim Hochwasserschutz

    Beispiel Stolberg: Die 45.000-Einwohner-Stadt wurde von der Flut besonders hart getroffen und wird alleine mit 225 Millionen Euro unterstützt. Die sind auch dringend nötig. In der engen Fußgängerzone wurde der kleine Fluss Vicht zu einem reißenden Strom und zerstörte jedes Geschäft in der Innenstadt. Viele Gewerbebetriebe meldeten "Land unter" und das Rathaus stand 20 Zentimeter unter Wasser, kann nicht mehr genutzt werden.
    Seit zwei Jahren läuft der Wiederaufbau allerdings nur schleppend. Auch beim Hochwasserschutz ist nicht viel passiert. Noch immer stapeln sich Sandsäcke dort, wo einmal die Ufermauer der Vicht war. Zwei Regenrückhaltebecken zwölf Kilometer weiter flussaufwärts gibt es bisher nur als Video-Animation. Langwierige Planungsverfahren oder Förderanträge wirken wie eine Bremse.

    Da sollten wirklich Verbesserungen kommen, so dass wir dort schneller werden, weil die Menschen sich schon unsicher fühlen.

    Patrick Haas, SPD-Bürgermeister Stolberg

    Zuständig für den Hochwasserschutz ist der Wasserverband Eifel-Rur. Abteilungsleiterin Antje Goedeking kann die Kritik nachvollziehen, sagt sie, vorgeschriebene Verfahrenswege könne man aber nicht einfach aushebeln: "So eine Genehmigungsphase, die braucht natürlich ihre Zeit. Wir machen das mit Hochdruck."
    Markierungen von Hochwasserständen
    Experten bezweifeln, dass sich das Ahrtal zukünftig vor Fluten effektiv schützen lässt. Zwar gibt es Konzepte für einen besseren Hochwasserschutz, doch es dauert noch Jahre, bis diese umgesetzt werden können.01.07.2023 | 3:14 min

    Bürokratie sorgt für Leerstände bei Läden

    Jetzt erst haben in Stolberg die Bauarbeiten in der Fußgängerzone begonnen, wo neue Leitungen verlegt und die Straßendecke erneuert werden. Viele Geschäfte stehen noch leer. Stadt und Land versuchen jetzt, mit billigen Mieten wieder Geschäftsleute anzulocken. 60 Prozent der Miete übernimmt das Land, auf 20 Prozent verzichten die Vermieter. So zahlen die Mieter nur noch 20 Prozent. "Ende des Jahres wollen wir 20 Läden wieder voll haben", erzählt Bürgermeister Haas.
    Stolberg zum Jahrestag der Flutkatastrophe in NRW
    In der Fußgängerzone in Stolberg haben die Bauarbeiten begonnen, es werden neue Leitungen verlegt und die Straßendecke erneuert.
    Quelle: Ralph Goldmann

    Dabei erlebt er auch den Ärger der Menschen, die sich vor allem über zu viel Bürokratie beschweren. Heinrich Brandt ist Vermieter und hat sein Ladenlokal wieder aufgebaut, braucht aber dennoch eine neue Baugenehmigung.

    Wir hätten uns da mehr Unterstützung von der Stadt gewünscht. Ich empfinde das fast schon als Schikane.

    Heinrich Brandt, Vermieter

    Patrick Haas kann den Frust verstehen, aber ihm seien oft die Hände gebunden, weil auch die Stadt landesrechtliche Vorschriften einhalten müsse, egal, ob es um Denkmalschutz oder Brandschutz geht: "Da muss vieles verschlankt werden. Da muss dringend etwas passieren", fordert er in Richtung Landesregierung.
    Stolberg zum Jahrestag der Flutkatastrophe in NRW
    Mit radikal verbilligten Mieten sollen bis Jahresende 20 Läden vermietet werden.
    Quelle: Ralph Goldmann

    Politische Aufarbeitung der Katastrophe stockt

    Auch politisch ist die Aufarbeitung der Katastrophe mit fast 50 Todesopfern in NRW immer noch nicht aufgearbeitet. Sie beschäftigt inzwischen sogar den Verfassungsgerichtshof des Landes. Die SPD hatte dort geklagt, weil Bauministerin Scharrenbach im Untersuchungsausschuss des Landtags Akten zurückhalte, die für die Aufarbeitung benötigt würden.
    Die Ministerin aber ist der Meinung, die geforderten Unterlagen seien für den Auftrag des Ausschusses irrelevant. Wann der Abschlussbericht vorliegen wird, ist auch zwei Jahre nach der Flut völlig offen.

    Mehr zur Flut von 2021