Frankreich: Wieder Massenproteste gegen Rentenreform

    Frankreich:Wieder Massenproteste gegen Rentenreform

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    Frankreich kommt nicht zur Ruhe: Weitere Massenproteste gegen die Rentenpläne von Präsident Macron sind angekündigt. Sollte das Vorhaben gekippt werden, würde das Macron schwächen.

    Frankreich: Proteste gegen Rentenreform
    Proteste in Frankreich gegen die von Präsident Macron angestrebte Rentenreform, bei der das Rentenalter von 62 auf 64 Jahre angehoben werden soll - dem Rentensystem drohe sonst der finanzielle Kollaps.07.02.2023 | 1:30 min
    Die Rentenreform gilt als eines der wichtigsten Vorhaben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron - aber in der Bevölkerung stoßen seine Pläne auf Unverständnis, Wut und Protest.

    Streik und Proteste gegen geplante Reform

    Erneut sind für den heutigen Dienstag Massendemonstrationen und ein großer Streik angekündigt. Knapp zwei Drittel der Französinnen und Franzosen sprachen sich in Umfragen gegen das Reformvorhaben aus. Vergangene Woche beteiligten sich an Streiks und Protesten laut Innenministerium 1,27 Millionen Menschen, laut Gewerkschaft CGT waren es 2,8 Millionen Beteiligte - mehr als beim ersten Aktionstag zwei Wochen vorher.
    Der Protestforscher Johannes Maria Becker von der Uni Marburg sagt:

    Die Menschen fühlen sich im Augenblick von der Regierung schlecht behandelt.

    Johannes Maria Becker, Protestforscher von der Uni Marburg

    Die Bewegung könnte anhalten. Macron dürfe sich nicht allzu sicher sein.

    Regierung schraubt am Rentenalter

    Die Reformpläne sehen vor, das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anzuheben. In Deutschland darf man sich von den vermeintlich niedrigen Altersangaben aber nicht täuschen lassen. Längst nicht alle Menschen in Frankreich gehen mit 62 Jahren in den Ruhestand.
    Abschlagsfrei wird die Rente erst, wenn lange genug eingezahlt wurde oder der Arbeitnehmer 67 Jahre alt wird.
    Doch nicht nur am Rentenalter will die Regierung schrauben. Die bereits vor Jahren beschlossene Anhebung der nötigen Einzahldauer für eine volle Rente soll beschleunigt werden. Außerdem sollen Einzelrentensysteme mit Privilegien für bestimmte Berufsgruppen abgeschafft werden. Die Mindestrente soll auf etwa 1.200 Euro steigen.

    Prognosen: Defizite in der Rentenkasse

    Dass es eine Änderung braucht, legen offizielle Prognosen nah, die für die kommenden Jahre Defizite der Rentenkasse aufzeigen. Macron und die Regierung pochen mit Verweis auf die Zahlen darauf, dass eine Anhebung des Rentenalters notwendig sei.
    Monika Queisser, Sozialpolitikexpertin bei der Industriestaatenorganisation OECD, gibt zu bedenken: "In jedem Umlagesystem gibt es grundsätzlich drei Stellschrauben: das Rentenalter, die Rentenhöhe und den Beitragssatz. Zusätzlich können Länder natürlich auch Steuerzuschüsse leisten, wie das in Deutschland mit dem Bundeszuschuss der Fall ist."
    Queisser erklärt, dass der Beitragssatz in Frankreich mit rund 28 Prozent vom Bruttolohn schon hoch sei, und die Renten den Prognosen zufolge langfristig sinken würden. Die Anhebung des Rentenalters bringt gleichzeitig mehr Beiträge in die Rentenkassen und reduziert die Ausgaben für Renten, da diese erst später ausgezahlt werden.

    Werben um Stimmen der Républicains

    Dass die Rentenpläne so viele Menschen auf die Straße bringen, liegt Becker zufolge auch an einer anderen Demonstrationskultur, die eine völlig unkalkulierbare Dynamik berge.
    Und die Proteste zeigen Wirkung: Selbst in Macrons Fraktion gibt es Abgeordnete mit Vorbehalten, ebenso bei den konservativen Républicains, mit deren Stimmen die Regierung die Reform durchs Parlament zu bringen hofft.
    Regierungschefin Élisabeth Borne versucht nun, die Républicains mit Zugeständnissen zum Ja zu bewegen. Am Montag begann die Debatte in der Nationalversammlung dazu. Nach deren Abschluss wird der Senat als zweite Parlamentskammer am Zug sein.

    Scheitern des Reformvorhabens würde Macron schwächen

    Macron lässt Borne die Kämpfe ausfechten. Von den Protesten scheint er unbeeindruckt. Vielleicht, weil er mit Ablauf seiner zweiten Amtszeit ohnehin nicht erneut zur Wahl antreten kann. Vielleicht, weil er trotz etlicher Krisen und dem Massenproteste in seiner ersten Amtsperiode noch einmal gewählt wurde und sich nun immun gegen allen Protest wähnt.
    Dennoch, sollte das Reformvorhaben scheitern, wäre Macron für seine im Amt verbleibenden vier Jahre geschwächt.
    Quelle: Rachel Boßmeyer, dpa

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