Warum die Jugend in Frankreich protestiert

    Rentenreform in Frankreich:Warum die Jugend die Proteste unterstützt

    von Johanna Vuadens
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    In Frankreich nehmen immer mehr junge Menschen an dem Protest gegen die Rentenreform teil. Was treibt sie an?

    Ein Jugendlicher wirft ein Straßenschild bei Zusammenstößen im Rahmen einer Demonstration, aufgenommen am 28.03.2023 in Nantes (Frankreich)
    Unter den Demonstrierenden in Frankreich sind auch viele Jugendliche und junge Erwachsene.
    Quelle: dpa

    Die Schule schwänzen, um zu demonstrieren. "Einen Unterrichtstag zu verpassen ist weniger wichtig, als unsere Grundrechte und die Demokratie zu verteidigen, angesichts einer Regierung, die die Demokratie mit Füßen getreten hat, und die die Abgeordneten nicht wählen ließ", sagt Benjamin Jeuvrey, gerade 18 Jahre alt. In Frankreich fand diese Woche der zehnte Protesttag gegen die Rentenreform statt. Der nächste folgt am 6. April. Die Jugend marschiert immer zahlreicher neben älteren Demonstranten.
    Die Jugendbewegung bleibt schwer zu quantifizieren. Laut dem Innenministerium sind am 23. März 30.000 Jugendliche auf die Straße gegangen. "Die Ankündigung der Verwendung von Artikel 49.3 hat wirklich einen Teil der Jugend um demokratische Forderungen mobilisiert, die über diese Reform hinausgehen", erklärt der Soziologe Camille Peugny, der von France Info interviewt wurde.
    Mit diesem Artikel drückt die Regierung die Reform durch das Parlament, ohne die Abgeordneten darüber abstimmen zu lassen.

    Gründe für den jugendlichen Protest

    Hinter dem Transparent an der Spitze des Zugs ist Imane Ouelhadj, Präsidentin der Studentengewerkschaft Unef, ziemlich genervt. "Junge Menschen mobilisieren sich, um die Welt von morgen und eine Zukunft aufzubauen. Denn heute können wir uns dafür nicht auf die Regierung verlassen." Hinter dem Protest gibt es aber tiefere Gründe. Junge Menschen würden auf die Straße gehen, weil sie finanzielle Schwierigkeiten hätten.

    Sie können nicht mehr essen, sie können nicht mehr ihre Miete bezahlen und haben keine andere Wahl, neben ihrem Studium zu arbeiten.

    Imane Ouelhadj, Präsidentin der Studentengewerkschaft Unef

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    Fortschritte gibt es aber. Kurz nach dem zehnten Protesttag hat die Regierung angekündigt, Stipendien um 37 Euro pro Monat zu erhöhen.

    Regierung hält Rentenerhöhung für notwendig

    Solène Hemart, Kunststudentin, hat wenig Hoffnung für die Zukunft. "Ich denke nicht an meinen Ruhestand, ich weiß, dass ich keinen haben werde, oder nicht bevor ich 70 Jahre alt bin." Solène arbeitet noch nicht, möchte aber trotzdem demonstrieren.

    Wir machen das, um die anderen zu unterstützen, die Menschen, die fast in Rente sind. Man muss solidarisch sein.

    Solène Hemart, Studentin

    Die Regierung sagt, dass die Reform das Rentensystem stabilisieren müsse, angesichts der demographischen Entwicklung. Deswegen möchte sie das Rentenmindestalter von 62 auf 64 erhöhen. Dieses Argument überzeugt die jungen Menschen nicht.

    Zunehmende Gewalt und gesperrte Schulen

    Die Protestbewegung wird radikaler. Brennende Mülltonnen, geworfene Pflastersteine und Szenen von Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei sind in den letzten Wochen immer häufiger geworden. In ganz Frankreich sind dazu mehreren Schulen und Universitäten gesperrt. Doch junge Menschen haben die Radikalität der Bewegung nicht verstärkt, sagt der Soziologe Camille Peugny. Sie hätten mit den Gewerkschaften demonstriert.

    Was wir letzte Woche beim Pariser Zug sehen konnten, ist, dass die überwiegende Mehrheit der jungen Menschen vollkommen friedlich war.

    Camille Peugny, Soziologe

    Die Präsidentin der Studentengewerkschaft Unef, Imane Ouelhadj, geht noch weiter. Laut ihr sei die Regierung verantwortlich für die Gewalt: "Es gibt eine Repression gegen die Jugend, die enorm ist. Man sieht eine Regierung, die versucht, die Jugend durch Schläge mundtot zu machen."

    Kann die Jugend einen Unterschied machen?

    Es ist nicht das erste Mal, dass junge Menschen in Frankreich auf die Straße gehen. 2006 haben sie erwirkt, dass ein Gesetz über Arbeitsverträge zur Ersteinstellung zurückgenommen wurde. Dieser Vertrag plante eine zweijährige Probezeit, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.

    Für eine Regierung ist es keine gute Nachricht, die Mobilisierung der Jugend zu sehen, die die treibende Kraft von morgen ist

    Camille Peugny, Soziologe

    Premierministerin Elisabeth Borne hat die Gewerkschaftsführer zu einem Gespräch nächste Woche eingeladen. Ob die Jugendgewerkschaft von Imane Ouelhadj eingeladen wird ist noch offen.

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    Johanna Vuadens berichtet für das ZDF-Studio Paris.

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