Grundsteuerreform: Warum eine Klagewelle droht

    FAQ

    Bewertung von Immobilien:Grundsteuer: Warum eine Klagewelle droht

    von Stephanie Barrett
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    Die meisten Immobilienbesitzer haben die neue Grundsteuererklärung abgegeben. Wie geht es nun weiter? Was droht Säumigen? Und warum werden nun Klagen erwartet?

    Niedersachsen, Sarstedt: Ein Wohngebiet mit Einfamilienhäusern aus der Luft aufgenommen. Archivbild
    Was ist mein Grundstück wert? Mit dieser Frage mussten und müssen sich Immobilienbesitzer in Deutschland akuell wegen der Grundsteuerreform beschäftigen.
    Quelle: dpa

    Mehr als die Hälfte aller 36 Millionen Grundstücks- und Immobilienbesitzer hat den Bescheid über den Grundsteuerwert bereits erhalten. Wie teuer die Bewertung aber tatsächlich wird, erfahren sie erst im kommenden Jahr, wenn die Kommunen ihre Hebesätze für die Grundsteuer festlegen. Damit ist jetzt noch unklar, wie hoch die neue Grundsteuer ausfallen wird.
    Allerdings sind die Kommunen ausdrücklich aufgefordert, sich nicht im Windschatten der Reform zu bereichern. Die meisten Bundesländer wollen ihnen einen Hebesatz nennen, der Aufkommensneutralität verspricht. Wie geht es nun weiter in Sachen Grundsteuer?

    Wann wird die neue Grundsteuer fällig?

    Insgesamt erhalten Grundstücks- und Immobilienbesitzer drei Bescheide:
    1. den Bescheid über den Grundsteuerwert,
    2. die Grundsteuermesszahl und
    3. den neuen Grundsteuerbescheid.
    Letzterer kommt erst in der zweiten Jahreshälfte 2024 und ergibt sich aus dem neuen Hebesatz der Kommune, multipliziert mit der Grundsteuermesszahl. Fällig wird die neue Grundsteuer dann 2025.
    Grundsteuer
    Seit einiger Zeit verschicken die Finanzämter die Antwortbescheide zur Grundsteuererklärung. Lohnt sich der Einspruch? Wie formuliert man diesen? Wie sinnvoll sind Musterbriefe?11.07.2023 | 14:28 min

    Was passiert, wenn man noch keine Erklärung abgegeben hat?

    Etwa 3,6 Millionen Besitzer (ca. zehn Prozent) haben noch keine Erklärung abgegeben. Trödler und Verweigerer müssen allerdings nach der Sommerpause mit einer Schätzung rechnen, die höher ausfallen dürfte. Denn Finanzämter gehen bei der Schätzung des Grundsteuerwertes laut deutscher Steuergewerkschaft (DStG) "an den oberen Rahmen, der schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig ist".
    Wer also immer noch nicht reagiert hat, sollte jetzt handeln. Die Pflicht, seine Grundsteuererklärung abzugeben, entfällt nämlich auch nach der Schätzung nicht. Solange sie nicht vorliegt, können Zwangsgelder festgesetzt werden und auch Verspätungszuschläge laufen weiter.

    Kann man Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid einlegen?

    Ja. Wer glaubt, dass der Berechnung für seinen Bescheid falsche Daten zugrunde liegen, oder wer schlicht auch verfassungsrechtliche Bedenken hat, kann innerhalb der Frist von vier Wochen Einspruch einlegen. Das gilt übrigens auch für Bescheide, die aufgrund einer Schätzung zustande gekommen sind.
    Derzeit wird laut Steuergewerkschaft gegen jeden vierten Bescheid Einspruch eingelegt. Wer jetzt Einspruch einlegt, sichert sich die Gelegenheit zur Korrektur. Experten gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht in einigen Jahren die Reform in zentralen Punkten korrigieren dürfte.
    Derzeit treiben der Hausbesitzerverband Haus & Grund sowie der Steuerzahlerbund Musterklagen voran. Doch der Klageweg kann sich noch Jahre hinziehen.

    Bescheide vom Finanzamt
    :Grundsteuerreform: Lohnt sich der Einspruch?

    Mehr als drei Millionen Wohnungs- oder Hauseigentümer haben bislang Einspruch gegen Grundsteuerbescheide eingelegt. Wann lohnt sich das und wie formuliert man ihn richtig?
    Typical: Einfamilienhäuser und Reihenhäuser stehen an einem Feldrand bei Frechen.
    FAQ

    Warum wird die Grundsteuer neu berechnet?

    2018 hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Reform der Grundsteuer auferlegt, weil Finanzämter derzeit die Immobilienwerte auf Grundlage völlig veralteter Daten kalkulieren: in Ostdeutschland von 1935, in Westdeutschland von 1964. Seitdem sind die Grundstücks- und Immobilienwerte jedoch stark gestiegen.
    Deshalb müssen für die Neuberechnung bundesweit fast 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Viele Immobilienbesitzer befürchten drastisch steigende Grundsteuern. Tatsächlich droht vielen Hausbesitzern eine deutlich höhere Grundsteuer, denn die bescheinigten Bewertungen der Häuser haben sich teilweise verdoppelt und verdreifacht, teils sogar verzehnfacht.
    Hier sehen Kritiker viele Ungereimtheiten. Da nicht mehr - wie bisher - der Zustand der Immobilie zur Berechnung herangezogen wird, sondern vor allem der Wert der Fläche des Grundstücks, wird unter Umständen die alte Gründerzeitvilla im noblen Außenbezirk vergleichsweise niedriger bewertet als eine kleine Wohnung zum Beispiel in Berlin-Neukölln. Wobei die Hauptstadt versprochen hat, flächendeckend höhere Belastungen von Mietern und Eigentümern verhindern zu wollen.
    Auch der Unterschied zwischen einer luxussanierten Wohnung und einer stark renovierungsbedürftigen im selben Haus spielt keine Rolle. Zudem werden unterschiedliche Berechnungskriterien angewandt: Während neun Bundesländer das kritisierte Bundesmodell nutzen, das dem Verkehrswert möglichst nahezukommen versucht, weichen Sachsen und das Saarland etwas davon ab.
    Ganz eigene Länderberechnungsmodelle haben dagegen Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen entwickelt.

    Wie wichtig ist die Grundsteuer und sind auch Mieter von der Reform betroffen?

    Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen. Sie deckt etwa 15 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen. Gezahlt wird sie von jedem Grundstück- und Immobilienbesitzer, Vermieter können sie aber über die Nebenkostenabrechnung auf Mieter umlegen. Deshalb sind auch Mieter von der Grundsteuerreform betroffen.
    Stephanie Barrett ist Wirtschaftsredakteurin beim ZDF

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