Holt Schäfers Amtsverzicht Graichen aus der Schusslinie?

    Trauzeuge könnte verzichten:Holt das Graichen aus der Schusslinie?

    Diana Zimmermann
    von Diana Zimmermann
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    Die Personalaffäre im Wirtschaftsministerium erschüttert die Grünen. Mit einem Amtsverzicht könnte nun Dampf aus dem Kessel genommen werden. Ob das die Protagonisten entlastet?

    Michael Schäfer
    Michael Schäfer könnte auf das Amt des dena-Chefs verzichten und so die Wogen glätten.
    Quelle: BENJAMIN MALTRY/Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)/obs

    Der Vertrag stand schon. Michael Schäfer, bis im vergangenen Jahr Chef des Naturschutzbundes, hätte am 15. Juni Chef der Deutschen Energieagentur (dena) werden sollen. Nach Medienberichten heißt es jetzt, nicht nur stünde Michael Schäfer für das neu aufgerollte Bewerbungsverfahren nicht zur Verfügung, er verzichte auch auf eine Entschädigung. Die dena selbst hatte zunächst eine Pressemitteilung für den heutigen Tag angekündigt, ließ nun aber lediglich wissen, dass "die Gespräche laufen", und dass es im laufenden Verfahren keine weiteren Informationen gebe.

    Versuch, Graichen aus der Schusslinie zu nehmen

    Nach dem Skandal um seine Person ist es ohnehin hoch unwahrscheinlich, dass Schäfer trotz seiner hohen Qualifikation aus der Neuaufsetzung des Besetzungsverfahrens wieder als Gewinner für den Posten hervorginge. Sollte er nun auf die ihm zustehende Entschädigung verzichten, so ist dies wohl der Versuch, Patrick Graichen aus der Schusslinie zu bekommen.
    Wirtschaftsminister, Robert Habeck,  spricht bei der Pressekonferenz zum Photovoltaik-Gipfel in Berlin am 05.05.2023.
    Wirtschaftsminister Habeck will seinen in die Kritik geratenen Staatssekretär Graichen im Amt belassen und lobt erneut dessen Arbeit. Mit der Neuausschreibung eines Postens werde der "Fehler" korrigiert.08.05.2023 | 2:45 min
    Graichen, Staatssekretär im Bundewirtschaftsministerium hatte den ehemaligen Grünen-Politiker Schäfer einst zu seinem Trauzeugen gewählt und war Anfang des Jahres Mitglied der Findungskommission gewesen, die ihn zum neuen Chef der dena machen sollte. Von der Tatsache, dass Schäfer sein best man war, unterrichtete er Robert Habeck erst, als die Presse bereits begann zu recherchieren.

    Die dena versteht sich als "unabhängiger Treiber und Wegbereiter der Energiewende", die Anteile der dena GmbH liegen zur Hälfte beim Bund, zu 26 Prozent bei der KfW und zu 24 Prozent bei der Dena selbst. Der Thinktank finanziert sich zu 80 Prozent aus Aufträgen der vier für die Energiewende zuständigen Ministerien, die restlichen 20 Prozent kommen über Aufträge aus der Wirtschaft, der EU, Ländern und Kommunen zustande.

    Für die Opposition ist dies ein willkommener Anlass, gerade den häufig als moralinsauer empfundenen Grünen unsauberes Arbeiten vorzuwerfen und an einer wichtigen Säule in Habecks Ministerium zu rütteln. Patrick Graichen, der die Energiewende schon entwarf, als die Grünen noch lange nicht die Macht hatten, sie umzusetzen, ist ein anerkannter Experte - und extrem gut vernetzt. Seine Eltern waren in Bonner Ministerien beschäftigt, seine beiden Geschwister arbeiten im Öko-Institut.

    Schwere Vorwürfe gegen Minister Habeck

    Habeck wird von der Union vorgeworfen, sich "grünen Klüngel" ins Wirtschaftsministerium geholt zu haben. Dass es ihr nicht nur um die Besetzung Schäfers geht, sondern um die Chance, mit Patrick Graichen einen besonders rigorosen Verfechter der Klimapolitik loszuwerden, wird deutlich wenn der Generalsekretär der CDU, Mario Czaja, sagt, eine "kleine Familienbande" entscheide "über Wohl und Wehe der deutschen Heizkörper und der deutschen Industrie".
    Forderungen, Patrick Graichen müsse zurücktreten, zielen auf den zentralen Architekten der Energiewende und damit auf den Kern von Robert Habecks Politik. Beide, Staatssekretär und Wirtschaftsminister, wurden für Mittwochmittag vor die gemeinsam tagenden Ausschüsse zu Wirtschaft und Klima des Bundestages geladen. Am Nachmittag wird es eine von der CDU beantragte aktuelle Stunde zur "Trauzeugen-Affäre" geben.

    Merz attackiert Habeck

    Der CDU-Vorsitzende Merz eskalierte am Dienstag weiter, wenn Graichen nicht ginge, dann müsse das der Wirtschaftsminister tun. Das Gebäudeenergiegesetz sei "aus dieser Clique, aus dieser Vetternwirtschaft heraus" vorgeschlagen worden. Der CSU-Landesgruppenchef ging noch weiter. Es handle sich nicht um eine Affäre Graichen, sondern um eine "Affäre Habeck". "Robert Habeck ist der Pate des Graichen-Clans". Selbst einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss hält Alexander Dobrindt für denkbar.
    Habeck und Graichen auf dem Podium reden miteinander
    Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, besetzte den Chefposten der DENA mit seinem Trauzeugen Michael Schäfer. Die Union fordert einen Untersuchungsausschuss.04.05.2023 | 2:51 min
    Im Ausschuss und in der aktuellen Stunde wird das Thema vor allem die Vergabe des dena-Chefpostens an Michael Schäfer sein. Nachdem Graichen und Habeck mehrfach von einem "Fehler" gesprochen hatten, hat eine Bemerkung Graichens für Zweifel an dieser Version gesorgt. Laut "Spiegel" soll er sich bei einem Vorstellungsgespräch mit Schäfer extra zurückgehalten haben, damit die anderen Kommissionsmitglieder sich "ihr eigenes Bild von Schäfer machen" konnten. Das klingt nach bereits durchaus vorhandenem Problembewusstsein.

    Aufträge ans Öko-Institut

    Auch dass Graichens Geschwister beim Öko-Institut arbeiten, dürfte erneut Thema werden. Das allerdings hatte Graichen bei Amtsantritt öffentlich gemacht. Das Öko-Institut teilte dem ZDF auf Anfrage mit, Verena und Jakob Graichen arbeiteten als Senior Researcher, von denen es im Öko-Institut 80 gebe, koordinierten "keine Akquisen" und hätten "keine Projektleitungen für BMWK-Aufträge". Sie seien beide seit über 15 Jahren im Öko-Institut angestellt, mit Tarifverträgen.
    Das Wirtschaftsministerium hatte vergangene Woche Zahlen veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass es das Öko-Institut seit 2012 mit Studien und Aufträgen zu Klima- und Energiefragen beauftragt. Das Volumen ist unter der Ampel-Regierung um über eine Million Euro zurückgegangen.
    Doch noch eine andere Nachricht erweckte den Eindruck, Habecks best man habe die Neigung durchzuregieren. Das Handelsblatt berichtete, dass Graichen im Winter 2022, als das Wirtschaftsministerium wegen der Energiekrise unter der Arbeitsbelastung ächzte, versucht habe 60 Mitstreiter aus der dena "abzuziehen".
    Habeck und Graichen auf dem Podium reden miteinander
    Heizung, Klimapolitik, Filzverdacht: Für die Grünen geht es in den Umfragen bergab. Berlin direkt über die vielen Baustellen der Partei.07.05.2023 | 4:06 min
    Eine Sprecherin des Wirtschaftsministerium sagt dazu, man habe mehrere bundeseigene Gesellschaften gebeten zu prüfen, welche Form von Unterstützung es geben könnte. Von "Ausleihe" sei keine Rede gewesen, lediglich sei überlegt worden, ob die dena Mitarbeiter einstellen könne, die an Projekten für das Wirtschaftsministerium arbeiten könnten. Das aber sei aus "haushalterischen und finanzrechtlichen" Gründen verworfen worden. Die dena teilte dem ZDF mit, es habe keine "offiziellen Erwägungen und keine offizielle Angebotsaufforderung" gegeben, man habe lediglich "Ideenansätze" ausgetauscht.
    Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour in der Sendung Berlin Direkt
    Grünen-Chef Nouripour verteidigt Robert Habeck: Die Netzwerke bei den Grünen seien nicht mit denen anderer Parteien vergleichbar, sagt er - und erinnert an die CSU-Maskenaffäre.07.05.2023 | 4:43 min
    Bei den Grünen ließ die Anspannung übers Wochenende nach. Ricarda Lang und Omid Nouripour stellten sich bei ARD und ZDF hinter Patrick Graichen. Die Hoffnung scheint zu sein, dass er seinen Posten behalten kann - wenn nicht noch neue Verfehlungen ans Licht kommen.

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