Haldenwang: Krieg "stachelt Extremismus zusätzlich an"

    Interview

    Verfassungsschutzpräsident warnt:Krieg "stachelt Extremismus zusätzlich an"

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    Chinesische Einflussnahme, russische Propaganda und der Verdachtsfall AfD: Verfassungsschutzpräsident Haldenwang erklärt, vor welchen Herausforderungen seine Behörde steht.

    SGS Thomas Haldenwang und Christian Sievers
    Thomas Haldenwang im Interview mit ZDF-Moderator Christian Sievers.20.06.2023 | 6:34 min
    Die Zahl der extremistisch motivierten Straftaten in Deutschland ist gestiegen, von rechts stärker als von links. Zudem warnt der Verfassungsschutz vor erhöhter Spionage im Land. Am Dienstag haben Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang den Jahresbericht des Inlandsnachrichtendienstes vorgestellt.
    Im ZDF heute journal spricht Haldenwang über aktuelle Gefahren für die deutsche Demokratie und neue Phänomene, die den Verfassungsschutz herausfordern.
    Sehen Sie das ganze Interview oben im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Thomas Haldenwang ...

    ... zu neuen Bedrohungen für die Sicherheit in Deutschland

    Der Verfassungsschutzpräsident spricht von einer "sehr dynamischen Lage", die sich bereits durch das Jahr 2022 zog. Der Verfassungsschutz hatte "in allen Extremismusbereichen, aber natürlich auch im Bereich Spionageabwehr, Cyberabwehr, große Herausforderungen zu bewältigen".

    Wir sehen immer jünger werdende Akteure, wir sehen eine hohe Gewaltaffinität in vielen Bereichen. Wir sehen eine Entwicklung von Mischszenen, weil die Protagonisten nicht mehr sehr ideologiefest sind.

    Thomas Haldenwang, Bundesverfassungsschutzpräsident

    Das alles seien Entwicklungen, die zu einer Radikalisierung beitrügen und dem Verfassungsschutz Sorgen bereiten müssten, sagt Haldenwang. Zudem beobachte die Behörde eine wachsende Einflussnahme Chinas, vor allem im Feld der Wirtschaftsspionage. "Je abhängiger bestimmte Konzerne, Firmen von China sind, desto offener sind die Ohren auch für Kritik aus China und desto mehr geht man vielleicht auch auf Kritik aus China ein", so Haldenwang.
    Faeser und Haldenwang mit dem Verfassungsschutzbericht 2022 in den Händen.
    Politische Extremisten werden laut Verfassungsschutzbericht gewaltbereiter. Auch staatliche Spionageaktivitäten von Ländern wie Russland, Iran, Türkei oder China seien gestiegen.20.06.2023 | 2:22 min

    ... zu den Gründen für die Zunahme von Extremismus in Deutschland

    Der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine "stachelt auch die verschiedenen Extremismusbereiche zusätzlich an", sagt Haldenwang.

    Putin versucht, die verschiedenen Gruppierungen in Deutschland anzusprechen - mit seinen Narrativen, mit seiner Propaganda.

    Thomas Haldenwang, Bundesverfassungsschutzpräsident

    Das gelinge teilweise "recht gut". Vor allem Rechtsextremisten würden in der Mehrheit Partei für Putin ergreifen und seine Narrative verbreiten. Im Linksextremismus distanziere man sich einerseits von der russischen Gewalt, suche die Verantwortung aber bei der Nato, den USA und dem Imperialismus im Allgemeinen, sagt Haldenwang.

    ... zu den aktuellen Umfragewerten der AfD, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird

    Die Chance, dass die AfD bald in deutschen Parlamenten an Einfluss gewinnen könnte, erfüllt Haldenwang "mit Sorge". Aus "guten Gründen" habe der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall eingestuft.

    Wir sehen in der AfD tatsächlich starke Strömungen, die verfassungsfeindlich agieren. Da geht es unter anderem um Hass und Hetze gegenüber Minderheiten aller Art: Migranten, Muslime, aber auch Menschen mit anderer sexueller Orientierung.

    Thomas Haldenwang, Bundesverfassungsschutzpräsident

    Zudem beobachte die Behörde in der AfD ein "völkisch-nationales Staatsbürgerverständnis mit Staatsbürgern erster und zweiter Klasse".
    Tino Chrupalla spricht im Bundestag
    Zu viel Nähe zum Kreml? Wie steht die AfD zum russischen Präsidenten Wladimir Putin?10.05.2022 | 5:43 min
    Angesichts der hohen Umfragewerte für die AfD will die Behörde über "diese Partei und ihre Bestrebungen aufklären: Über das, was die Gefahr dieser Partei für unsere Demokratie, für unsere freiheitliche Grundordnung ausmacht. Und natürlich soll das auch die gesellschaftlichen Kräfte mobilisieren, sich diesem Trend stärker entgegenzustellen." Dafür sei nicht allein der Verfassungsschutz zuständig.

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