Hate-Speech im Netz: Wie der Fall Künast Betroffenen hilft

    FAQ

    Hate-Speech im Netz:Wie der Fall Künast Betroffenen weiterhilft

    von Lara Leidig und Rebekka Solomon, Redaktion Recht und Justiz
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    Heute bestätigt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main: Meta ist weitgehend dazu verpflichtet, Hasskommentare aufzufinden und zu löschen.

    Grünen-Politikerin Renate Künast spricht im Deutschen Bundestag
    Renate Künast wehrt sich immer wieder gegen Hass im Netz. Nun hat sie vor Gericht gegen Meta gesiegt.
    Quelle: dpa

    Hate-Speech im Internet nimmt immer mehr zu. Jeder vierte Internet-User ist im Netz mit Hasskommentaren konfrontiert. Besonders politische und gesellschaftliche Themen sind anfällig für Hass. Vor allem Politiker müssen dies immer wieder am eigenen Leib erfahren.
    So auch Renate Künast (Grüne). Bereits mehrfach ging sie gegen Beleidigung und Falschdarstellung im Netz vor. Unter anderem verklagte Künast die Plattform Meta (ehemals Facebook) wegen persönlichkeitsverletzender Postings vor dem Landgericht Frankfurt am Main.

    Worum ging es in der ersten Instanz?

    Mit der Klage wendete sich Renate Künast gegen ein auf Meta verbreitetes Meme, also ein Bild mit einem kurzen markanten Text, das mit einem Falschzitat von ihr versehen war. Ihr wurde die Aussage "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal Türkisch lernen" unterstellt.
    Meta hatte davon Kenntnis erlangt und trotz mehrfacher Meldung auf der Plattform eine weitere Verbreitung des Memes nicht unterbunden. Das Landgericht Frankfurt am Main urteilte, dass Meta alle zum Zeitpunkt des Urteils auf der Plattform vorhandenen Inhalte aktiv auffinden und löschen muss. Dagegen legte Meta Berufung ein.
    02.02.2022: Ein Smartphone mit geöffneter Facebook-App
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    Was hat das Oberlandesgericht entschieden?

    Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies jetzt die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts im Wesentlichen zurück. Es bestätigte, dass Meta verpflichtet sei, die persönlichkeitsverletzenden Inhalte zu finden und diese zu löschen. Das Gericht sieht die Verantwortlichkeit für das Auffinden sinn- und kerngleicher illegaler Inhalte bei der Plattform selbst und nicht bei den Betroffenen.
    Dass es dem Unternehmen zumutbar sei, seine Inhalte in diesem Umfang zu überprüfen, begründete das Gericht auch mit der Möglichkeit des Einsatzes von KI-Systemen, die Inhalte automatisch vorfiltern können. Künast stehe daher ein vollumfänglicher Unterlassungsanspruch zu.

    Wie können sich Betroffene von Hate-Speech wehren?

    Grundsätzlich gilt: Im Internet ist beim Umgang mit eigenen Daten Vorsicht geboten. Selbst bei umsichtigen Umgang mit Social Media Plattformen kann man jedoch von Hass im Netz betroffen sein.
    In diesem Fall ist anzuraten, die Vorfälle sorgsam zu dokumentieren und am Ende zur Anzeige zu bringen. Auch Vorkehrungen der Plattform selbst können genutzt werden: Beleidigungen und Diffamierungen sollten dort gemeldet werden. So erlangt die Plattform überhaupt erst Kenntnis von Persönlichkeitsverletzungen und kann die relevanten Inhalte löschen.

    Was ist jetzt neu?

    Bislang mussten Betroffene von Hate-Speech die einzelnen Hasskommentare selbst suchen und jeweils melden. Gerade bei Postings in geschlossenen Gruppen, auf die Betroffene keinen Zugriff haben, stellte sich dies als unmöglich dar. Die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts bedeutet also eine große Erleichterung. Denn nun sind die Medienriesen wie Meta selbst in der Pflicht, Schritte zum Auffinden der rechtswidrigen Inhalte zu unternehmen, sofern sie einmal in Kenntnis von einem solchen Inhalt gesetzt wurden.

    Mit diesem Urteil bestätigt erstmals eine zweite Instanz, dass Social-Media-Konzerne das Auffinden verleumderischer Inhalte nicht auf die Betroffenen digitaler Gewalt auslagern können. Das Gericht setzt so neue Standards für den Schutz Betroffener und verpflichtet die Plattformen mehr zu tun, um unsere Gesellschaft und Demokratie vor systematischer Desinformation durch Verleumdungskampagnen zu schützen.

    Josephine Ballon, Geschäftsführerin von HateAid

    Zu beachten ist, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hat das Oberlandesgericht eine Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
    Lara Leidig und Rebekka Solomon sind Rechtsreferendarinnen in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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