Manfred Weber: "Die Belastungsgrenzen sind erreicht"

    Flucht-Debatte bei Illner :Weber: "Die Belastungsgrenzen sind erreicht"

    von Torben Schröder
    |

    Bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems will Omid Nouripour über Fluchtursachen, Manfred Weber über Außengrenzen und Stephan Weil nicht nur über Geld reden.

    von links: Mariam Lau, Omid Nouripour, Maybrit Illner, Stephan Weil, Manfred Weber, Birgit Glorius
    Lassen sich allein mit Geld die Probleme rund um Migration und Integration lösen? Wird am Ende ausgerechnet die selbsternannte „Fortschritts-Koalition“ für mehr Abschiebung und Abschottung sorgen? 11.05.2023 | 63:07 min
    Von einem "Placebo-Gipfel" spricht der Film-Einspieler. "Ich bin nicht zufrieden mit dem Ergebnis insgesamt, aber wir haben ein Etappen-Ergebnis erzielt", pflichtet der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bei.
    Nein, die Zusammenkunft von Bund und Ländern zur Fluchtmigration hat nicht das an Ergebnissen gebracht, das viele sich erhofft hatten. In der ZDF-Sendung "maybrit illner" ging die Debatte weiter.
    Flüchtlingsgipfel am 10.05.2023 in Berlin
    Beim gestrigen Flüchtlingsgipfel haben sich Bund und Länder auf zusätzlich eine Milliarde Euro zur Versorgung der Flüchtlinge geeinigt. Eine Arbeitsgruppe soll drüber hinaus weitere Entlastungsvorschläge erarbeiten.11.05.2023 | 2:02 min

    Weil will Kommunen nicht allein lassen

    Weil rechnet mit weiter steigenden Flüchtlingszahlen. Am Ende der Debatte müsse ein richtiges Ergebnis stehen. Dringend gelte es zu vermeiden, dass die Kommunen, die die Hauptlast tragen, den Eindruck haben alleine gelassen zu werden.
    "Beim Thema Unterbringung von Asylbewerbern geht es nicht nur ums Geld, es geht es auch um das Klima in der Gesellschaft", sagt Weil. Sollte die Zahl an Asylanträgen stark wachsen, bekomme Deutschland ein Problem.

    Dann müssen wir auf Europa setzen.

    Stephan Weil, SPD-Politiker

    Es gelte irreguläre Zuwanderung effektiv zu verhindern und Aufenthaltsberechtigte fair zu behandeln. Für gesteuerte Zuwanderung sieht Weil das System Kanadas als Optimallösung an. Der Plan der Bundesregierung habe starke Parallelen.
    Die Zahl der Binnenflüchtlingen sei im vergangenen Jahr auf mehr als 71 Millionen gewachsen.
    Die Zahl der Binnenflüchtlinge sei im vergangenen Jahr auf mehr als 71 Millionen gewachsen. Das zeigt ein Bericht der internationalen Beobachtungsstelle für Vertriebene.11.05.2023 | 0:22 min

    Nouripour: Auch Länder müssten noch einiges leisten

    Von notwendiger Planungssicherheit für die Kommunen spricht Grünen-Chef Omid Nouripour. "Hilfe für die Kommunen muss organisatorisch und finanziell sein. Dabei haben wir noch Dissens in der Koalition", bekennt Nouripour. Auch die Länder müssten noch einiges leisten. Richtschnur müsse sein, dass diejenigen, die Schutz brauchen, auch Schutz bekommen. Und die, die sie aufnehmen, Unterstützung.
    "Der erste Gedanke muss sein, alles dafür zu tun, dass die Leute sich nicht auf den Weg machen", sagt Nouripour. Ankerzentren könne es nur in Verbindung mit einem europäischen Verteilungsmechanismus geben.

    Das Konzept "sichere Herkunftsstaaten" halte ich für extrem überschätzt.

    Omid Nouripour, Grünen-Chef

    Weber: Bürger erwarten Sicherheit

    "Die Belastungsgrenzen sind erreicht, nicht nur bei uns in Deutschland", sagt Manfred Weber (CSU), der EVP-Vorsitzende im Europaparlament. Auf EU-Ebene seien viele überrascht von der "beispiellosen" Höhe der Unterstützungsleistungen für Flüchtlinge in Deutschland. "Die Bürger erwarten von uns, dass wir endlich sicherstellen, dass die, die kommen, Flüchtlinge oder Asylbewerber sind, und Illegale nicht mehr kommen", sagt Weber.
    Die Bundesregierung komme allmählich in der Realität an, dafür gebühre ihr Lob. Und sie nähere sich, wie die "Zeit"-Journalistin Mariam Lau anmerkt, dem an, was einst CSU-Innenminister Horst Seehofer gefordert hatte.
    Zu sehen ist Bundeskanzler Olaf Scholz, flankiert von Stephan Weil, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, sowie Henrik Wüst, Ministerpräsident von NRW.
    Wie soll die Unterbringung von Geflüchteten finanziert werden? Darüber beraten heute Bund und Länder. ZDFheute live zeigt die Pressekonferenz aus dem Kanzleramt nach dem Gipfel.10.05.2023 | 74:46 min

    Glorius: Brauchen Arbeitsmigration

    Die Fluchtforscherin Birgit Glorius moniert, es sei verpasst worden, aus der Flüchtlingssituation 2015/16 zu lernen. Infrastruktur sei, als die Zahlen zurückgingen, wieder zurückgefahren worden. Nun sei ein kumulativer Punkt der Überlastung erreicht. Glorius betont:

    Wir sind eine alternde Gesellschaft in Europa, die Arbeitsmigration braucht.

    Birgit Glorius, Fluchtforscherin

    Zugleich kämen Menschen, die sich ein besseres Leben aufbauen wollen.

    Teggatz: Grenzkontrollen auch zu Polen und Tschechien

    "Mit Geld und guten Worten werden wir die Situation ad hoc nicht in den Griff bekommen. Ich erwarte jetzt ein zügiges Handeln", sagt Heiko Teggatz, Bundes-Vize der Deutschen Polizeigewerkschaft.
    Grenzkontrollen sollten auch nach Polen und Tschechien eingeführt werden, um den Migrationsdruck zu lindern. Denn die Außengrenzen des Schengen-Raumes seien nicht wirksam geschützt.
    Marta Kurzyniec ist freiwillige Flüchtlingshelferin an der polnischen Grenze
    Viele Flüchtlinge stranden an der polnischen Grenze zu Belarus und suchen ihren Weg nach Europa. Sie verstecken sich vor den Grenzschützern, manche überleben nicht im polnischen Winter. 19.12.2022 | 2:30 min

    Weber: Europa braucht solidarische Lösung

    Mehr Kontrollen im Inneren Europas würde Weber gern vermeiden. Europa müsse eine solidarische Lösung finden und, auch mit wirtschaftlichem Druck, Herkunftsländer zur Rücknahme ihrer Staatsbürger drängen.
    "Das Migrationsproblem wird mit legaler Zuwanderung nicht lösbar sein. Wir brauchen die Ehrlichkeit dazu, dass wir an der Außengrenze Recht und Ordnung durchsetzen müssen", sagt Weber. Da seien manchmal auch Zäune notwendig.

    Mehr zur Sendung "maybrit illner"