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Gewaltenteilung in Israel : Wie weit geht die umstrittene Justizreform?

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Mehr Macht für die Politik, weniger rechtsstaatliche Kontrolle, so die Kritik an der aktuellen Justizreform in Israel. Doch wie sehen die Änderungen im Einzelnen aus?

Israel, Tel Aviv: Viele Menschen nehmen an einer Demonstration gegen die von der Regierung geplante Justizreform teil.
Wie hier in Tel Aviv nahmen viele Menschen in den vergangenen Wochen an Demonstrationen gegen die von der Regierung geplante Justizreform teil.
Quelle: dpa

Tausende Menschen waren in den vergangenen Wochen auf die Straße gegangen und hatten in mehreren israelischen Städten gegen die Pläne der Regierung demonstriert. Anwälte und ehemalige Richter haben sich zum "Protest der schwarzen Roben" zusammengeschlossen. Sie warnen vor einem dramatischen Umbau des Justizsystems.

In erster Lesung hat das israelische Parlament bereits über wichtige Kernpunkte der Reform abgestimmt. Unter anderem soll die Richterwahl neu organisiert und die Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs, das landesweit höchste Gericht, eingeschränkt werden. Entwicklungen, die an umstrittene Justizreformen in anderen Ländern. wie etwa Polen und Ungarn, erinnern. Doch es gibt Besonderheiten.

In Israel hat die Knesset einen Teil der umstrittenen Justiz-Reform gebilligt. Damit könnten künftig Entscheidungen des höchsten Gerichts mit einfacher Mehrheit gekippt werden.

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Gewachsene Kompetenz des Obersten Gerichtshofs

Welche Rolle der Oberste Gerichtshof in Israel einnimmt, hatte sich erst in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildet. Der Staat verfügt über keine formelle Verfassung. Erst nach und nach waren mehrere sogenannte "Grundgesetze" ("Basic Laws") verabschiedet worden. Zuständigkeiten sind nicht immer eindeutig definiert.

Dennoch hatte sich der Gerichtshof selbst in die Lage versetzt, über Gesetze der Knesset, des israelischen Parlaments, zu entscheiden. In dem Land, in dem neben dem Einkammerparlament insbesondere die Regierung eine starke Position einnimmt, wurde der Gerichtshof so zu einer tragenden Säule rechtsstaatlicher Kontrolle.

Insgesamt 22 Mal haben die Richter bisher von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und bei Gesetzgebungsverfahren interveniert. Immer noch wenig im Vergleich zu Verfassungsgerichten anderer Länder.

Deutsch-Israelische Juristenvereinigung warnt vor Justizreform

Doch das Gericht genießt hohes Ansehen, sagt der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung Elmar Esser gegenüber dem ZDF. Seine Vereinigung warnt, die Pläne könnten das Gleichgewicht zwischen Legislative, Exekutive und Judikative in Israel radikal verschieben.

In Israel protestierten heute Zehntausende gegen die Justiz-Reform der Regierung Netanjahu. Sie fürchten um den Erhalt ihrer Demokratie.

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Parlament soll künftig Urteile aufheben können

Wird die Reform beschlossen, kann das Parlament Entscheidungen des Obersten Gerichts über Gesetze mit einfacher Mehrheit der 120 Abgeordneten aufheben. Dafür reichen die Stimmen der Regierungskoalition unter Benjamin Netanjahu mit seinen aktuell 64 Abgeordneten.

Erlässt das Parlament ein "Grundgesetz", können die Obersten Richter dieses nach der Reform zudem nur noch einstimmig aufheben. Auch bei der Vergabe von Ministerposten soll sich das Gericht künftig nicht mehr einmischen. Zuletzt musste Regierungschef Netanjahu den vorbestraften Minister Arje Deri aus dem Amt entlassen. Die Richter hatten gegen diese Besetzung entschieden.

Neues Verfahren für Richterwahl

Daneben soll die Richterwahl reformiert werden. Bisher bestimmt eine Wahlkommission alle Richter in Israel. Dieses Gremium umfasst derzeit Vertreter aus Parlament, Regierung, Anwaltskammer und Richterschaft.

Die Reform sieht eine andere Besetzung vor: Im Ergebnis verschieben sich die Machtverhältnisse zugunsten der Politik, sagt Esser. Besetzungen mit regierungsnahen Richtern würden damit wahrscheinlicher.

Streit um Justizreformen auch in Polen und Ungarn

Druck auf oberste Gerichte, mehr politische Einflussnahme bei der Besetzung von Richterposten - Israel wäre nicht das einzige Land, in dem Regierungen Hand an das Justizsystem legen.

Rechtskonservative Regierungen in Polen und Ungarn hatten auch dort versucht, die Unabhängigkeit der Rechtsprechung auf die Probe zu stellen, beispielsweise mit Änderungen des Ruhestandsalters oder der Einführung einer umstrittenen Disziplinarkammer.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bei seiner Ankunft zum EU-Gipfel.

Polnisches Unterhaus - Gesetz zur Justizreform verabschiedet 

In Polen wurde ein Gesetz zur Reform des Justizwesens verabschiedet. Auf diesem Wege könnte das Land an 35 Milliarden Euro Corona-Hilfsgelder kommen, die Brüssel bislang sperrt.

Esser: Pläne gehen über die von Polen und Ungarn hinaus

Was in Israel derzeit allerdings passiere, gehe deutlich darüber hinaus, sagt Esser. Unter israelischen Juristen besteht aktuell die Hoffnung, dass der Oberste Gerichtshof selbst die Reformpläne zur Überprüfung vorgelegt bekommt und eingreift, so Esser.

Es könnte zum Showdown kommen. Allerdings mit unklarem Ausgang, da es für einen solchen Fall keine Regularien gebe und der Gerichtshof auch nicht über eine eigene Vollstreckungskompetenz verfügt.

Jan Henrich und Gianna Pagliaro arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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