Israel: Rechts-Koalition bestätigt - was nun drohen könnte

    Neue Regierung bestätigt:Netanjahu-Bündnis vertieft Spaltung in Israel

    ZDF-Korrespondent Thomas Reichart in Doha
    von Thomas Reichart, Tel Aviv
    |

    Für die Rückkehr an die Macht stützt sich Ministerpräsident Netanjahu auf Rechtsextremisten. Gravierende Folgen für Israels Demokratie und die Stabilität in der Region inbegriffen.

    Das Bündnis der Demonstranten, das sich heute Vormittag vor der Knesset versammelt, um gegen die neue Regierung zu protestieren, könnte kaum breiter sein. Ehemalige Generäle der Luftwaffe stehen da neben LGBT-Gruppen und Antikorruptions-Organisationen.
    Hunderte sind es insgesamt. Ungewöhnlich für Israel - so wie auch die neue Netanjahu-Regierung ungewöhnlich ist, die heute vom israelischen Parlament gebilligt worden ist.

    Neue Regierung verstärkt Spannung in Israel

    Netanjahu hat für seine Rückkehr ins Amt des Ministerpräsidenten einen hohen Preis bezahlt an rechtsextreme Nationalisten und an Ultra-Orthodoxe. Die können nun eine anti-liberale Politik durchsetzen. Und sie vertiefen damit erheblich die schon bestehende Spaltung im Land.
    Unter den Demonstranten vor der Knesset steht auch Relik Shafir. Er war General der Luftwaffe und einer jener acht Jagdbomber-Piloten, die Anfang der 80er Jahre in der Operation Opera den damals kurz vor der Fertigstellung stehenden Atomreaktor im Irak zerstörten.
    ZDF-Korrespondent Thomas Reichart
    Die Regierung sei "so weit rechtsstehend wie noch nie", so habe sich Benjamin Netanjahu "seine Rückkehr als Ministerpräsident erkauft", sagt ZDF-Korrespondent Thomas Reichart. Der Nahost-Konflikt drohe erneut zu eskalieren.29.12.2022 | 2:39 min

    Luftwaffen-Veteranen sehen Demokratie bedroht

    Shafir ist in Israel ein Kriegsheld. Nun geht er auf die Straße und warnt in einem offenen Brief davor, dass Israels Demokratie bedroht sei. Über 1.200 Veteranen der Luftwaffe haben inzwischen mitunterschrieben. Der Älteste von ihnen ist über 100 Jahre alt.
    "Wir Kampfpiloten", sagt Shafir im Interview mit dem ZDF, "haben von uns immer erwartet, dass wir die Ersten sind, die losfliegen und sich der Gefahr stellen, wenn sie sich abzeichnet." Jetzt drohe Israel wieder Gefahr. "Wir sollten etwas tun, so wie damals als wir jünger waren."

    Netanjahu-Bündnis will Obersten Gerichtshof einschränken

    Am meisten beunruhigt die Demonstranten, dass die neue Regierung die Unabhängigkeit der Justiz einschränken will. Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs - dem de facto Verfassungsgericht - soll Netanjahus Regierungsmehrheit in der Knesset mit einfacher Mehrheit überstimmen können.
    Geplant sind offenbar auch Änderungen im Strafrecht, von denen Netanjahu selbst in seinem noch laufenden Korruptionsverfahren profitieren könnte. Pensionierte Richter haben dagegen besonders vehement protestiert. Sie fordern, alle Maßnahmen zu stoppen, die "die Rechtsstaatlichkeit und die Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung beeinträchtigen könnten."

    Eskalation im Nahost-Konflikt droht

    Im Verhältnis zu den Palästinensern droht durch die neue Regierung Israels eine Eskalation im Nahost-Konflikt. Die Koalition hat am Mittwoch ihre Leitlinien festgelegt. Oberste Priorität hat der Siedlungsausbau. Und zwar auch in den Gebieten, die Palästinenser für sich und ihren künftigen Staat beanspruchen - also im von Israel besetzte Westjordanland.
    Hinzu kommt, dass in der neuen Regierung Nationalisten und Ultra-Orthodoxen machtvolle Positionen bekommen. Personen, die Netanjahu selbst noch vor Kurzem für völlig ungeeignet für Ministerämter hielt.

    Ziele der Netanjahu-Regierung provozieren Palästinenser

    Nun bekommen antiarabische Extremisten wie Itamar Ben-Gvir oder Bezalel Smotrich das Sagen bei wichtigen Belangen im Westjordanland. Sie wollen zum Beispiel auch Israels Sicherheitskräften mehr Freiraum bei der Anwendung von Gewalt geben.
    Auf palästinensischer Seite werden die Ziele der Netanjahu-Regierung von einigen als Aufruf zur Gewalt verstanden, die mit Gewalt beantwortet würden.

    Zeiten in Israel könnten stürmisch werden

    Die Lage im Westjordanland werde explodieren, fürchtet etwa Ibrahim Dalalsha von der Denkfabrik Horizon in Ramallah gegenüber dem ZDF. "Es ist einfach so, dass ich nicht glaube, dass irgendjemand ein anderes Ergebnis erwarten sollte, wenn eine dieser Politiken umgesetzt wird vor Ort."
    Auf dem Markt bei Jerusalems Damaskus-Tor hoffen die arabischen Händler deshalb darauf, dass Netanjahus Regierung gar nicht lange durchhalten werde. Im Moment aber stehen die Zeichen mit dieser neuen Regierung eher auf Sturm.

    Kritik an Netanjahu-Bündnis
    :Israel-Koalition: Gefahr für die Demokratie?

    Nach der gelungenen Regierungsbildung in Israel hat die Generalstaatsanwältin vor dem ultrarechten und -orthodoxen Netanjahu-Bündnis gewarnt. Es sei eine Gefahr für die Demokratie.
    Benjamin Netanjahu am 02.11.2022 in Jerusalem

    Mehr zu Israels neuer Regierung