Joschka Fischer wird 75: Grünen-Urgestein feiert Geburtstag

    Joschka Fischer wird 75:Grünen-Urgestein feiert Geburtstag

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    Joschka Fischer hat die Grünen groß gemacht, in seiner eigenen Partei war er aber oft umstritten. Zahlreiche Ereignisse prägen die Erinnerung an ihn. Heute wird er 75 Jahre alt.

    Joschka Fischer, aufgenommen am 16.03.2022 in Köln
    Joschka Fischer (Archivfoto) wird 75 Jahre alt.
    Quelle: dpa

    Manche Sätze in der Politik haben einen langen Nachhall. "Excuse me, I am not convinced", hält ein erregter Joschka Fischer im Februar 2003 bei der Münchner Sicherheitskonferenz Donald Rumsfeld entgegen. Es geht um die Frage, ob gegen den angeblich Chemiewaffen besitzenden Irak und seinen Diktator Saddam Hussein nur noch ein Krieg als Mittel bleibt.
    Der US-Verteidigungsminister drängt, doch der deutsche Außenminister ist nicht überzeugt ("not convinced") und hält die Diplomatie für "mitnichten ausgeschöpft".
    Diese Auseinandersetzung über Krieg und Frieden im Hotel Bayerischer Hof in München ist eine Art Schlüsselszene im politischen Leben von Joschka Fischer, der an diesem Mittwoch 75 Jahre alt wird.
    Joschka Fischer
    Der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer spricht im Frontal21-Interview über den Aufstieg und Erfolg seiner Partei bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen sowie über die Verantwortung der Grünen in einem sich verändernden Parteiensystem.30.10.2018 | 2:15 min
    Joschka Fischer im frontal-Interview 2018:

    Attacke mit Farbbeutel

    In seiner pazifistisch ausgerichteten Partei ist er hoch umstritten. Einer der zahlreichen Gegner schleudert einen Farbbeutel auf den Außenminister und trifft ihn am rechten Ohr. Fischer ist nicht nur mit roter Farbe bespritzt, er trägt auch einen Riss des Trommelfells davon.
    Die Bilder vom Parteitag 1999 sind bis heute präsent - so wie auch der Satz von der Sicherheitskonferenz 2003.

    Kein Abschluss, keine Lehre

    Bis dahin hatte Fischer einen weiten Weg zurückgelegt. Er wird am 12. April 1948 in Gerabronn in Baden-Württemberg (Landkreis Schwäbisch Hall) als Sohn eines Metzgers geboren. Das Gymnasium verlässt er schon in der 10. Klasse ohne Abschluss, eine Fotografenlehre bricht er ab.
    Fischer wird ab 1967 in der Studentenbewegung und in der Außerparlamentarischen Opposition (APO) aktiv, siedelt nach Frankfurt/Main über. Dort besucht er an der Universität als Gasthörer Vorlesungen linker Vordenker wie Theodor Adorno, Jürgen Habermas und Oskar Negt.
    Die Osterweiterung hat die EU stark verändert, sagt der ehemalige Außenminister Joschka Fischer.
    In der Sendung "Zeugen des Jahrhunderts" erinnert sich Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer an seine Zeit als linksradikaler Straßenkämpfer in den 60er und 70er Jahren. Und äußert sich zur Gewalt bei Protesten.08.07.2017 | 0:47 min
    Seinen Lebensunterhalt verdient Fischer mit Gelegenheitsjobs, später als Taxifahrer. In diesen aufgewühlten Jahren der Republik gründet er zusammen mit Daniel Cohn-Bendit die militante Gruppe Revolutionärer Kampf, nimmt auch an Straßenkämpfen und Hausbesetzungen teil.

    Ich habe auch mal hingelangt.

    Joschka Fischer

    1982 tritt Fischer bei den Grünen ein. Schon ein Jahr später wird der Realo in den Bundestag gewählt. Nur zwei Jahre lang gehört er der ersten Grünen-Bundestagsfraktion an - die Rotationsregeln sind noch streng.
    Von der "Antipartei-Partei" an die Regierung - Grüne 40 Jahre im Bundestag:
    Grüne 1983: Otto Schily, Lukas Beckmann, Petra Kelly
    Ludger Volmer (Grüne) auf dem Vereinigungsparteitag Bündnis 90 und Grüne in Leipzig 1993
    Rot-Grün 1998: Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine, Joschka Fischer
    Claudia Roth auf Anti-Atom-Demonstration 2010
    Jamaika-Sondierung 2017: Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht mit den Grünen Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sowie Wolfgang Kubicki von der FDP
    Robert Habeck und Annalena Baerbock

    1983: Grüne ziehen in Bundestag ein

    Mit 5,6 Prozent schaffen die Grünen den Sprung ins Parlament. Mitgründerin Petra Kelly (r.) nennt sie eine "Antipartei-Partei". Kanzler Helmut Kohl regiert mit einer schwarz-gelben Koalition.

    Quelle: AP, ZDF


    Doch die nächste Aufgabe wartet schon. In Hessen bilden 1985 SPD und Grüne die erste rot-grüne Koalition Deutschlands. Fischer wird bundesweit erster Grünen-Minister, zuständig für Umwelt und Energie. In Jeans und weißen Turnschuhen schreitet er damals im Landtag zur Vereidigung - noch so ein Bild mit Ewigkeitscharakter.
    1994 wechselt er wieder in den Bundestag. Seine große Stunde kommt 1998 mit dem rot-grünen Sieg bei der Bundestagswahl. Kanzler Schröder ernennt Fischer zum Außenminister und Vizekanzler, was er bis zum Scheitern von Rot-Grün bei der Bundestagswahl 2005 bleibt.
    Deutsche Politik ist immer europäische Politik gewesen, sagt der ehemalige Außenminister Joschka Fischer.
    Deutsche Politik ist immer europäische Politik gewesen, sagt der ehemalige Außenminister Joschka Fischer.02.06.2016 | 0:31 min
    Fischer im Interview 2016:
    Seiner eigenen Partei, insbesondere ihrem linken Flügel, macht er es in dieser Zeit nicht leicht. Doch als Fischer 2006 sein Bundestagsmandat aufgibt und sich aus der Politik zurückzieht, verlieren die Grünen ihre langjährige Führungsfigur, einen brillanten Kopf und exzellenten Redner.

    Fischer kämpfte mit seinem Gewicht

    So wandlungsfähig wie in der Politik ist Fischer auch im Privaten. Davon zeugen fünf Ehen ebenso wie der Kampf gegen seine Leibesfülle. Seine 112 Kilo im Sommer 1996 bringt er durch intensives Joggen in gut einem Jahr auf 75 Kilo runter.
    Zu einer Rückkehr in die Politik kommt es nicht. Fischer übernimmt eine Gastprofessur an der Princeton University, gründet eine Beraterfirma, hält Vorträge und schreibt Bücher sowie Gastbeiträge für Zeitungen.

    Lob vom Grünen-Chef

    Lob erhält er anlässlich seines 75. Geburtstags vom aktuellen Parteichef Omid Nouripour. Fischer habe die Grünen sehr geprägt und "früh erkannt, dass Macht auf Zeit für eine demokratische Partei nichts Verwerfliches ist", sagte Nouripour "Rheinischer Post" und Bonner "General-Anzeiger". Macht sei vielmehr "das Instrument, Ziele zu erreichen und Programmatik in Handeln zu verwandeln".
    Quelle: Von Ulrich Steinkohl, dpa
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