Menschenrechtsreport: "Meer von menschlichem Leid"

    Bericht von Human Rights Watch:Menschenrechte: "Meer von menschlichem Leid"

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    Krisen und Menschenrechtsverletzungen: Das Jahr 2022 brachte laut Human Rights Watch ein unermessliches Ausmaß an Leid. Die Politik sei gefragt - nicht nur im Globalen Norden.

    Archiv: Ein afghanisches Kind erhält vor einer Bäckerei in Kabul, Afghanistan, am 31. 01. 2022 einen Laib Brot
    Die Wirtschaftskrise in Afghanistan trifft auch Millionen Kinder.
    Quelle: Reuters

    Die globalen Machtverschiebungen erfordern aus Sicht von Human Rights Watch neue Allianzen zum Schutz der Menschenrechte. Das entsprechende Engagement der Regierungen müsse "über die derzeitigen politischen Bündnisse hinausgehen", sagte die geschäftsführende Exekutiv-Direktorin Tirana Hassan zur Veröffentlichung des Jahresberichts in London.
    Das vergangene Jahr habe gezeigt, dass alle Regierungen Verantwortung für die Wahrung der Menschenrechte weltweit trügen. Es sei nicht mehr möglich, sich dabei auf eine kleine Gruppe von Regierungen, größtenteils aus dem Globalen Norden, zu verlassen. Hassan sagte, die Reihe der Krisen 2022 habe "ein Meer von menschlichem Leid hinterlassen", aber auch neue Chancen für Länder eröffnet, eine Führungsrolle bei den Menschenrechten zu übernehmen.
    Der gut 360 Seiten umfassende "World Report", der zum 33. Mal erscheint, beleuchtet die Menschenrechtslage in knapp 100 Ländern weltweit.

    Dramatische Lage in Afghanistan

    Eine dramatische Verschlechterung der Menschenrechtslage beklagt der Report für Afghanistan. Die wirtschaftliche und humanitäre Lage in dem Land habe sich verschärft. Die Taliban, die im August 2021 die Macht übernommen hatten, seien "mehr an der Verfolgung von Frauen und der Inhaftierung von Journalist*innen interessiert" als an der Bewältigung dieser Krise, mahnte Fereshta Abbasi, Afghanistan-Forscherin bei Human Rights Watch.
    Proteste von Frauen seien gewaltsam aufgelöst, zahlreiche Demonstrierende und Medienschaffende festgenommen worden. Zudem seien Hunderte Menschen bei Attentaten des ISKP ("Islamischer Staat in der Provinz Khorasan") ums Leben gekommen, insbesondere Angehörige religiöser Minderheiten. Auch die massive Wirtschaftskrise in Afghanistan halte an: Millionen Kinder seien akut unterernährt; mehr als 90 Prozent der Bevölkerung seien von Ernährungsunsicherheit betroffen.

    "Rücksichtslose Behandlung" von Geflüchteten angeprangert

    Im Hinblick auf den Ukraine-Krieg betont der Bericht, dass die Europäische Union in ihrer Reaktion darauf Werte vorgelebt habe. Mit entsprechendem politischen Willen sei die EU durchaus bereit, entsprechenden Herausforderungen "mit Menschlichkeit und Würde zu begegnen", sagte der stellvertretende Direktor für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch, Benjamin Ward.
    Zugleich stehe die "schnelle und größtenteils effiziente" Reaktion auf die Vertreibungen aus der Ukraine in starkem Widerspruch dazu, wie Asylsuchende aus anderen Teilen der Welt an vielen EU-Außengrenzen behandelt würden. Nun gelte es, "vergleichbare Antworten zu finden, wenn es um die Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn oder Polen, um die rücksichtslose Behandlung anderer Geflüchteter an den EU-Außengrenzen oder um horrende Lebenshaltungskosten geht."
    Für Deutschland verzeichnet der Bericht unter anderem die nach amtlichen Angaben gestiegenen Fälle politisch motivierter Gewalt sowie 965 antisemitische Vorfälle, die im ersten Halbjahr gemeldet wurden, aber auch Verbote pro-palästinensischer Kundgebungen in Berlin.
    Quelle: KNA

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