So wird ein Staat Nato-Mitglied

    "Politik der offenen Tür":So wird ein Staat Nato-Mitglied

    Brüssel, 10.01.2022: Florian Neuhann
    von Florian Neuhann, Brüssel
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    Die Nato rühmt sich ihrer "Politik der offenen Tür". Bis ein Staat dem Verteidigungsbündnis beitreten kann, müssen viele Hürden genommen werden. Manche Länder schaffen es nicht.

    Archiv: Die NATO-Flagge flattert während der Ankunftszeremonie der US-Truppen in der Militärbasis Adazi, Lettland, am 25.02.2022
    Die Nato wurde 1949 gegründet. Ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, steht das Verteidigungsbündnis wieder im Fokus.
    Quelle: Reuters

    Am Ende steht eine Ratifizierungsurkunde. Sobald die im US-Außenministerium eintrifft, ist der Beitritt zur Nato besiegelt - und das Neu-Mitglied steht unter dem Schutz des berühmten Artikel 5 der Nato. Also der Beistandspflicht, die besagt, dass ein Angriff auf ein Mitgliedsland als Angriff auf alle verstanden wird.
    Doch vor diesem letzten Schritt muss jedes Neu-Mitglied einige Hürden nehmen. Manche erweisen sich für einige Staaten als zu hoch.

    Welche Länder können der Nato überhaupt beitreten?

    Prinzipiell kann jeder europäische Staat der Nato beitreten - das ist in Artikel 10 des Nordatlantikvertrags geregelt. Anders als bei der EU gibt es in der Nato keinen Katalog fester Kriterien für die Mitgliedschaft.
    Dennoch nimmt die Nato nicht jeden Staat einfach so auf. In einer 1995 von der Nato verabschiedeten "Studie zur Nato-Erweiterung" werden verschiedene Kriterien genannt:
    • eine funktionierende Demokratie und Marktwirtschaft
    • die faire Behandlung von Minderheiten
    • der Einsatz für friedliche Lösungen von Konflikten
    • die Bereitschaft, einen militärischen Beitrag zu Nato-Operationen zu leisten

    Ein No-Go: ungelöste territoriale Konflikte

    Eine Hürde für einen Beitritt sind ungelöste territoriale Konflikte im eigenen Staatsgebiet. Die Beilegung solcher Konflikte, so heißt es in der Studie, sei ein Faktor bei der Entscheidung über die Aufnahme.
    Übersetzt: Solange Russland noch einen Teil der Ukraine gewaltsam besetzt hat, ist ein Beitritt der Ukraine in die Nato undenkbar. Nicht zuletzt deshalb, weil dieser Krieg dann sofort zu einem Krieg der Nato werden würde.

    Es gilt das Prinzip der Einstimmigkeit

    Die Entscheidung über die Aufnahme neuer Mitglieder liegt allein bei den bisherigen Nato-Mitgliedstaaten - und zwar einstimmig. Sprich: Jedes Mitgliedsland hat jederzeit ein Veto-Recht.
    Stimmen alle Nato-Staaten der Aufnahme zu, ist die erste wichtige Hürde genommen. Bei Schweden und Finnland war dies auf dem Nato-Gipfel 2022 in Madrid der Fall: Seitdem gelten die beiden Staaten als "Eingeladene" und werden bereits zu allen Nato-Treffen eingeladen.

    Nach der Einladung folgt die Ratifizierung

    Doch erst mit einer Vollmitgliedschaft stehen sie unter dem Schutz des Bündnisses. Dafür muss der Beitritt von allen aktuellen Mitgliedstaaten ratifiziert werden. In den meisten Fällen heißt dies: Das nationale Parlament muss der Aufnahme zustimmen. Keine Formsache - wie aktuell Schweden lernen muss: Das Land wartet auf die Ratifizierung vom türkischen und ungarischen Parlament.
    Haben alle Nato-Staaten den Beitritt ratifiziert, dann ist alles weitere ein Automatismus: Der Nato-Generalsekretär lädt das betreffende Land zum Beitritt ein. Sobald das Land seine Ratifizierungsurkunde dem US-Außenministerium überstellt hat, ist der Beitritt perfekt.

    Einmal drin, immer drin?

    Es ist - bisher - nur eine theoretische Frage, die nichtsdestotrotz öfter gestellt wird. Artikel 13 des Nordatlantikpakts sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat zwanzig Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags auf seine Mitgliedschaft verzichten kann - ein Jahr, nachdem es die Alliierten über seinen Rückzug informiert hat.
    Da die 20-Jahres-Frist längst abgelaufen ist (die Nato wurde am 4. April 1949 gegründet), ist ein solcher Austritt problemlos möglich.

    Rauswurf ist nicht möglich

    Einen Rauswurf hingegen kennt der Vertrag nicht - selbst wenn ein Mitgliedsland nicht den hehren Prinzipien von Demokratie, individueller Freiheit und Rechtsstaatlichkeit folgen sollte, die in der Präambel zum Gründungsvertrag erwähnt sind.
    Als Portugal 1949 die Nato mitbegründete, war das Land alles andere als eine Demokratie. Ähnlich war die Situation in der Türkei und in Griechenland, die 1952 beitraten: In beiden Ländern putschte etwas später das Militär.
    Ein Rauswurf dieser Länder aber wurde zu keiner Zeit ernsthaft erwogen. Doch selbst wenn die anderen Nato-Staaten ein Land loswerden wollen würden - man wüsste gar nicht, wie.
    Florian Neuhann ist ZDF-Korrespondent in Brüssel.

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