Haben sich die Gröler auf Sylt strafbar gemacht?

    FAQ

    Rassistische Gesänge auf Sylt:Haben sich die Gröler strafbar gemacht?

    von Daniel Heymann
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    In der "Pony"-Bar auf Sylt singen feiernde Menschen "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus", ein Mann zeigt den Hitlergruß. Nun ermittelt der Staatsschutz.

    Polizei prüft Video mit rassistischem Gegröle vor Sylter Lokal
    Auf einem Handy-Video ist zu sehen, wie junge Menschen beim Feiern in Kampen rassistische Parolen singen. Bundesweit sorgt der Vorfall für Empörung. Nun ermittelt der Staatsschutz.24.05.2024 | 2:37 min
    "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" - das grölen feiernde Menschen in einer Sylter Szenebar zu den Klängen von Gigi D’Agostinos "L’Amour Toujours". Dazu streckt einer der Besucher seinen rechten Arm in die Höhe und deutet einen Bart über seiner Oberlippe an. Eine junge Frau hat sich und die anderen Gäste gefilmt, der Clip kursiert in den sozialen Netzwerken.
    Der Staatsschutz hat inzwischen die Ermittlungen aufgenommen und versucht, die beteiligten Personen zu identifizieren.

    Welche Delikte kommen in Betracht?

    Bei diesem Verhalten geht es nicht bloß um einen schlechten Scherz - es stehen gleich mehrere Straftaten im Raum:
    • Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach Paragraf 86a Strafgesetzbuch in Form des sogenannten Hitlergrußes, der durch den nach oben gestreckten rechten Arm gezeigt wird. Die Norm erfasst ausdrücklich auch Grußformen. In dem Video hat der Mann mit seiner linken Hand zusätzlich einen Bart über seiner Oberlippe angedeutet - die Bezugnahme auf Hitler erscheint vor diesem Hintergrund sehr wahrscheinlich. Der Hitlergruß ist ohne weitere verbotene Symbolik, etwa Parolen wie "Heil Hitler" oder "Sieg Heil", für sich genommen strafbar, da die Zuordnung zum Nationalsozialismus eindeutig ist. Wird der Strafttatbestand nachgewiesen, kann die Person mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre bestraft werden.
    TN: "Nazi-Parolen sind klar strafbar"
    Rassistische Parolen zu grölen könne mit einer Geldstrafe geahndet werden, so Medienanwalt Christian Solmecke. Aber es habe auch schon Freiheitsstrafen gegeben. 24.05.2024 | 9:51 min
    • Zum anderen ermittelt der Staatsschutz wegen des Verdachts der Volksverhetzung mit Blick auf die Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus". Die strafrechtliche Bewertung dieses Satzes hängt vom Kontext ab: An welchem Ort wird er gesagt, wer spricht ihn in welchem Umfeld aus, gibt es weitere rechtsextreme Kennzeichen? Diese Fragen muss der Staatsschutz bei seinen Ermittlungen klären. In diesem Fall sieht das Gesetz eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis fünf Jahre vor.
    Für eine strafbare Volksverhetzung gemäß Paragraf 130 Strafgesetzbuch müssen die Beteiligten durch ihre Äußerungen zum Hass aufstacheln, zu Gewaltmaßnahmen auffordern oder die Menschenwürde eines Bevölkerungsteils gezielt angreifen. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, beurteilt die Rechtsprechung nach den Gesamtumständen der Äußerung. Eine Rolle kann dabei auch spielen, dass der Song "L'Amour Toujours" zuletzt häufiger in rechten Kreisen zweckentfremdet wird.
    TN: "Bewusste Strategie von Neonazis"
    Seit Monaten nutzen Rechte eingängige Lieder, um ihre Parolen zu verbreiten, sagt ZDFheute-Faktenchecker Nils Metzger. Das sei für Außenstehende nicht immer klar ersichtlich. 24.05.2024 | 7:51 min

    Können sich die Gäste mit "Ironie" herausreden?

    Der Staatsschutz wird zumindest in groben Zügen auch ermitteln müssen, was die Gäste sich bei ihrer Aktion gedacht haben. Denn es gibt durchaus Situationen, z.B. Satire oder künstlerische Veranstaltungen, in denen man rassistische Parolen und Kennzeichen nutzen darf - um sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen oder sie ins Lächerliche zu ziehen.
    Die Party-Besucher könnten also theoretisch behaupten, dass sie bloß einen - geschmacklosen - Witz machen wollten. Ob diese Verteidigung wirklich funktioniert, erscheint angesichts des öffentlich zugänglichen Videomaterials aber zweifelhaft, denn ein rechtfertigender Kontext ist in dem auf Social Media kursierenden Clip nicht zu erkennen. Hierzu wird jedoch der Staatsschutz weitere Aufklärung leisten müssen, z.B. durch Zeugenbefragungen.
    TN: "Gäste, die wir nie wieder haben wollen"
    Der Betreiber des Pony-Clubs distanziert sich im ZDF von den Gästen, deren Video viral ging. Er dulde keinen Rassismus. Solche Fälle müssten gemeldet werden, so Tim Becker. 24.05.2024 | 8:06 min

    Kündigung wegen rassistischer Äußerungen?

    Neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen hat die Sylter Party zumindest für eine Person auch ein arbeitsrechtliches Nachspiel. Die Hamburger Influencerin Milena Karl hat sie auf dem Video erkannt und laut ihrer Instagram-Story "das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung" aufgelöst. Eine solche außerordentliche Kündigung sei allerdings bei privatem Fehlverhalten nur in Ausnahmefällen möglich, so der Arbeitsrechtsexperte Michael Fuhlrott. Er bezweifelt, dass die Kündigung vor den Arbeitsgerichten standhalten würde.

    Das Privatleben von Arbeitnehmern ist grundsätzlich privat. Deswegen können private Handlungen nur ausnahmsweise als Begründung für eine außerordentliche Kündigung herangezogen werden. Im Normalfall braucht es eine erkennbare Verbindung zum Arbeitgeber, z.B. wenn man Kleidung des Unternehmens trägt oder ausdrücklich gegen Kollegen hetzt.

    Michael Fuhlrott, Experte für Arbeitsrecht

    In jedem Fall werden die Personen in dem Video mit den Folgen noch länger zu tun haben. Die Empörungswelle in der Politik und auf Social Media rollt bereits - und die juristische Aufarbeitung hat gerade erst begonnen.

    Sylt kein Einzelfall
    :Wie ein Techno-Hit rassistische Hymne wurde

    Auf Sylt rufen Feiernde rassistische Parolen zu Gigi D'Agostinos Hit "L'amour toujours". Neu ist das nicht. Seit Monaten versuchen Rechtsextreme das Lied als Symbol zu etablieren.
    von Katja Belousova, Nils Metzger
    Blick auf das Lokal «Pony» in KampenBlick auf das Lokal «Pony» in Kampen
    mit Video

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