Nach dem Kohleausstieg: Rheinwasser für die Restlöcher

    Nach dem Kohleausstieg:Rheinwasser für die Restlöcher

    von Laura Ozdoba und Ralph Goldmann
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    Ab 2030 soll mehr als 40 Jahre lang Wasser aus dem Rhein gepumpt werden, um die Tagebaue in Hambach und Garzweiler zu Freizeitseen zu machen. Dagegen formiert sich Protest.

    Die Auenlandschaft im niederrheinischen Dormagen ist eine echte Idylle: Auf der einen Seite weitläufige Acker- und Weideflächen, in Richtung Osten der Blick auf das Städtchen Monheim am anderen Rheinufer. Hier, hinter dem Deich, liegt der Pferdehof von Bernhard Nauen.
    Der 33-Jährige ist Landwirt und verdient sein Geld auch mit der Vermietung von Pferdeställen, bietet gewissermaßen Vollpension für Vierbeiner. Doch jetzt sorgt er sich um seine Zukunft - und die der Tiere.

    Ziel: Zwei der größten Freizeitseen Deutschlands

    Denn der Energiekonzern RWE will mitten durch seine Ländereien auf einer Fläche von zwanzig Hektar drei riesige Pipelines mit Durchmessern von jeweils mehr als zwei Metern verlegen. Dadurch soll Rheinwasser 45 Kilometer weiter nach Westen transportiert werden, um nach Ende des Braunkohleabbaus die Restlöcher der Tagebaue Garzweiler und Hambach mit mehr als 20 Billionen Liter Wasser zu fluten.
    So sollen dort in 40 bis 60 Jahren zwei der größten Freizeitseen Deutschlands nach dem Bodensee entstehen.
    Rehsprung im stillgelegten Tagebau Garzweiler.
    Im rheinischen Revier gibt es wieder große Rehsprünge. Für diese Rekultivierung haben Biologen der RWE-Forschungsstelle gesorgt. Auch Füchse, Insekten und seltene Vögel, sind in diesen Arealen wieder zu sehen.24.03.2023 | 1:59 min

    Pipeline-Bauarbeiten für fünf Jahre angesetzt

    "Keiner kann mir sagen, ob ich die Pferdeweiden während des Baus weiter nutzen kann", sagt Bernhard Nauen. 2025 sollen die Arbeiten beginnen und fünf Jahre dauern. Dann soll das Wasser fließen. Doch vorher muss sich RWE mit Dutzenden Grundbesitzern auf der gesamten Strecke einigen.
    Die sollen nach einem festgelegten Schlüssel entschädigt werden: für 200 Meter Leitung zahlt RWE 15.500 Euro. Wer schnell zustimmt, bekommt einen Eilzuschlag von 10.000 Euro.

    Anwohner sorgen sich um Natur und Eigentum

    Doch es formiert sich Widerstand. Im Dormagener Stadtteil Rheinfeld, wo ein großes Pumpwerk gebaut und die Trasse an einem Wohngebiet vorbeiführen soll, sorgen sich Anwohner um die Natur und ihr Eigentum. Rentner Eckart Brehmer befürchtet, dass der Grundwasserspiegel in der Region sinken könne und sich das auf die Häuser auswirkt.

    Der ein oder andere Riss wird auf jeden Fall entstehen. Und das ist kein gutes Gefühl.

    Eckart Brehmer, betroffener Anwohner

    RWE hätte schon in Garzweiler und Hambach "die Natur kaputtgemacht", sagt seine Frau Nilgün. "Und jetzt wollen Sie auch noch das Wasser aus dem Rhein holen."

    Umweltschützer: Rheinwasser abpumpen nicht verantwortbar

    Umweltschützer warnen vor den ökologischen Folgen des Projekts, das den Segen der schwarz-grünen Landesregierung hat. In Zeiten von Dürre und Trockenheit Rheinwasser abzupumpen sei nicht zu verantworten, sagt etwa Dirk Jansen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz NRW. Auch sei das Wasser schadstoffbelastet:

    Die Qualität des Rheinwassers ist definitiv ohne vorherige Reinigung nicht geeignet. Damit werden Folgeprobleme geschaffen, die uns noch Jahrhunderte beschäftigen werden.

    Dirk Jansen, BUND NRW

    Nach Angaben von RWE sei die derzeit geplante Trasse nicht nur nötig, sondern auch absolut sinnvoll. Von den Seenlandschaften werde eine ganze Region profitieren. Außerdem würde der Braunkohlebergbau so auf verantwortliche Weise zu Ende geführt.

    RWE: Bedenken werden ernstgenommen

    Voruntersuchungen hätten bereits gezeigt, dass "das Rheinwasser für die Befüllung der Tagebauseen geeignet" ist, schreibt RWE auf ZDF-Anfrage. "Der Rhein führt über das Jahr gesehen ausreichend Wasser."

    Sein Wasserstand wird um 0,4 bis 2,4 Zentimeter abgesenkt, je nach Wasserführung.

    RWE

    Die Bedenken der Anwohner nehme man ernst. Man werde alles tun, um die Belästigungen auf ein Minimum zu reduzieren. Klar ist aber auch: Der Bau der Leitung und das Befüllen mit Rheinwasser ist deutlich billiger als das Wiederverfüllen und -aufforsten der riesigen Tagebaugruben.

    Dormagen will Trasse verhindern

    Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld reicht das nicht. Er will das Pumpwerk und die Trasse auf seinem Stadtgebiet noch verhindern. Dafür hat sich die Stadt bereits mit einer Anwaltskanzlei in Verbindung gesetzt.

    Wenn es eine Möglichkeit gibt, dass diese Trasse nicht durch Dormagen führen muss, dann ist das mein Wunsch

    Erik Lierenfeld, Bürgermeister Dormagen

    Landwirt Nauen hat gemeinsam mit Dutzenden anderen Betroffenen Einwände gegen das Großprojekt bei der Bezirksregierung Köln eingereicht. Denn nur diese kann das Vorhaben jetzt noch stoppen. "Meine Hoffnung ist, dass die Bezirksregierung im Interesse des Allgemeinwohls entscheidet", sagt er.

    Bundestagsbeschluss
    :Braunkohle-Ausstieg in NRW wird vorgezogen

    Schon 2030 statt 2038: Der Bundestag hat für einen früheren Braunkohle-Ausstieg in Nordrhein-Westfalen gestimmt. Zwei Kraftwerke bleiben wegen der Energiekrise aber länger am Netz.
    Ein Schaufelradbagger arbeitet im Braunkohletagebau Garzweiler.

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