Geschlossene Botschaft: Hunderte Sudanesen ohne Pässe

    Geschlossene deutsche Botschaft:Hunderte Sudanesen ohne Pässe für Ausreise

    von Kevin Schubert, Jan Schneider
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    Die deutsche Botschaft in Khartum ist seit der Evakuierung geschlossen - das hat Folgen für Hunderte Sudanesen: Sie kommen nicht mehr an ihre Dokumente, um das Land zu verlassen.

    In der sudanesischen Hauptstadt Khartum wird weiterhin gekämpft.
    In der sudanesischen Hauptstadt Khartum wird weiterhin gekämpft.
    Quelle: AFP

    Tausende Sudanesen verlassen aktuell angesichts der schweren Kämpfe ihr Land - die nun ausgehandelte, siebentägige Waffenruhe wird daran so schnell nichts ändern. Auch Omar möchte raus aus Khartum. Er hat Familie in Kairo, da wäre er in Sicherheit. Doch Omar kann den Sudan nicht verlassen: Sein Reisepass befindet sich in der deutschen Botschaft - die ist aber seit der Evakuierung durch die Bundeswehr geschlossen.
    Omar heißt eigentlich anders, doch um seine Sicherheit nicht zu gefährden, bleibt er hier anonym. Er ist Arzt und spricht fließend Deutsch. In Deutschland will er eine Fachsprachprüfung ablegen und anschließend eine Facharztweiterbildung beginnen.
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    Dokumente in verlassener Botschaft eingeschlossen

    Anfang April hat er die dafür benötigten Original-Dokumente in der deutschen Botschaft abgegeben, seinen gültigen Reisepass sowie seine akademischen Abschlüsse. Das entspricht dem Protokoll. "Der Termin lief gut", erinnert sich Omar:

    Ich wartete nur noch auf die Rückmeldung bezüglich des Visums.

    Omar, Sudanese

    Doch am 15. April eskalierte der Machtkampf der Generäle in Khartum. In der Stadt wurde gekämpft - die deutsche Botschaft wurde evakuiert. Omar sei an dem Tag erstmal damit beschäftigt gewesen, sich bei seinen Freunden und seiner Familie zu melden. Erst später versucht er, die Botschaft zu erreichen, schreibt eine E-Mail, die unbeantwortet bleibt. Auch Kontaktanfragen an das Auswärtige Amt bleiben wegen eines technischen Fehlers erfolglos, angeblich habe er zu viele Formulare abgeschickt. Ein Screenshot, der ZDFheute vorliegt, belegt das.
    So wie Omar geht es aktuell mutmaßlich Tausenden Sudanesinnen und Sudanesen. Auf Twitter kursieren mehrere Berichte von sudanesischen Staatsbürgern, deren Reisepässe aktuell - unerreichbar - in Botschaften westlicher Länder liegen.
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    Westliche Botschaften offenbar hilflos

    Wenn es Reaktionen gibt, sind diese oft hilflos. Das niederländische Außenministerium etwa erklärte einem sudanesischen Journalisten auf Twitter, dass die Botschaft evakuiert sei, Reisepässe folglich nicht ausgehändigt werden könnten. "Wir raten dazu, einen neuen Reisepass bei Ihren örtlichen Behörden zu beantragen", empfahl das Ministerium - und erntete dafür heftige Kritik.
    Tweet des niederländischen Außenministeriums
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    Auch das Auswärtige Amt kann betroffenen Sudanesen aktuell keine schnelle Unterstützung anbieten. In einem weiteren Fall, der ZDFheute vorliegt, heißt es in einem standardisierten Antwortschreiben des Auswärtigen Amtes:

    Wenn sich Ihr Reisepass und andere Dokumente derzeit bei der deutschen Botschaft befinden, müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass Deutschland gezwungen war, die Botschaft zu schließen und das Personal zu evakuieren.

    Auswärtiges Amt

    Es sei daher nicht möglich, Dokumente zurückzugeben. "Wir bedauern zutiefst die Unannehmlichkeiten, die durch diese Umstände entstanden sind, und werden Sie informieren, sobald wir einen Vorschlag zur Lösung dieser unglücklichen Angelegenheit gefunden haben."
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    Auswärtiges Amt sucht Weg zur Pass-Ausgabe

    Was sagt das Auswärtige Amt selbst dazu? Gegenüber ZDFheute heißt es, es sei aufgrund der gefährlichen und unübersichtlichen Lage nicht möglich gewesen, die noch in der Botschaft vorliegenden Pässe auszuhändigen.

    Es hätte eine Gefährdung bedeutet, Menschen aufzufordern, zur Botschaft zu kommen, um ihre Pässe abzuholen.

    Mitteilung des Auswärtigen Amtes

    Aktuell sollen noch Pässe im "dreistelligen Bereich" in der Botschaft liegen. Zusammen mit lokalen Beschäftigten werde geprüft, wie die Ausgabe der Pässe möglichst sicher gestaltet werden könne.
    Omar konnte das technische Problem mit den Online-Formularen der Botschaft mittlerweile überwinden. Als Antwort erhielt er jedoch ebenfalls nur ein automatisiertes Standardschreiben.
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