Türkei: Die Angst vor Wahlbetrug im Erdbebengebiet
Die Schattenwähler:Türkei: Wahlbetrug im Erdbebengebiet?
von Anna Feist
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Am Sonntag wählt die Türkei. Die Opposition will Hunderttausende Freiwillige an den Wahlurnen postieren, die aufpassen sollen, dass es nicht zu Betrug kommt.
Bürger im Erdbebengebiet befürchten einen bevorstehenden Wahlbetrug. Denn: Auch die Daten der verstorbenen Erdbebenopfer stehen noch in den Wahlregistern.08.05.2023 | 3:21 min
"We are not a banana republic", auf Deutsch: "Wir sind keine Bananenrepublik." Es war der wohl prägnanteste Satz, den Oguz Kaan Salıcı an einem Samstag Ende April in Istanbul sagte. Damals informierte der stellvertretende Vorsitzende der CHP, der stärksten Oppositionspartei der Türkei, die ausländische Presse über das Prozedere am Wahltag - und warnte vor Betrügereien.
Dabei äußerte er eine klare Befürchtung:
In der Praxis heißt das, die CHP und ihr Wahlbündnis aus sechs Parteien werden am Wahltag Hunderttausende Freiwillige an die Wahlurnen stellen, die überprüfen sollen, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Wie viele Erdbebentote?
1.000 Kilometer weiter südöstlich von Istanbul, in der Provinz Adiyaman, mitten im Erdbebengebiet, ist Burak Binzet zuständig für 1.442 Wahlurnen. Er, der regionale Vorsitzende der CHP. Sein größtes Problem seien die, die tot sind, denn ihre Daten stehen noch im Wahlregister, erklärt Binzet. Die Befürchtung: Die Stimmen der Toten könnten missbraucht werden.
Um wie viele Stimmen es genau geht, ist unklar. Denn: Offizielle Zahlen sprechen von mehr als 6.000 Toten, Burak Binzet rechnet aber mit Zehntausenden, allein in Adiyaman: "Wenn man davon ausgeht, dass in jedem Haushalt eine Person gestorben ist, sind 44.000 Menschen tot."
Tote, die wählen?
Auf den Wahllisten stehen tatsächlich mehrere Personen, die beim Erdbeben gestorben sind. Die Dorfvorsteher sagen, sie werden die Namen von der Liste löschen lassen, am Wahltag aufpassen, dass kein Toter wählt.
Hier, auf dem Dorf, sei das möglich, erklärt Yilmaz Bozdemir:
Ähnlich sieht es sein Kollege, der Dorfvorsteher Aziz Kartal: "Die könnten betrügen!" - "Die", damit meint er die AKP, die Partei des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Mehmet Dagikan ist Mukhtar, also Stadthalter eines Bezirks in Adiyaman, der zur AKP gehört. Und er ist zuständig für mehr als 6.000 Menschen. Er wiegelt ab:
Aber kennt er tatsächlich alle Menschen hier? Mehmet Dagikan nickt: "Also nicht alle bei Namen, aber hier weiß man einfach, ob es diese Person gibt oder nicht."
Hunderttausende Freiwillige
Burak Binzet, der Vorsitzende der CHP, will sich darauf nicht verlassen:
Alle Vorsichtsmaßnahmen, das bedeutet: Sie haben Hunderttausende Freiwillige im ganzen Land angeheuert, Menschen aus der Region, die aufpassen, dass kein Toter wählt. Ob das funktionieren wird, das zeigt sich bei der Türkei-Wahl am Sonntag an der Wahlurne.
Alles rund um das Erdbeben in der Türkei und Syrien können Sie hier nachlesen:
Erdbeben, wie in der Türkei und Syrien oder bei Neapel in Italien, entstehen durch Verschiebungen der Erdplatten. Auch in Deutschland gibt es Erdbeben. News und Hintergründe.