Das Debakel bei der Wahl McCarthys zum Repräsentantenhaus-Sprecher bedeutet mehr als eine persönliche Niederlage. Damit geben die Republikaner ihre Verantwortung für das Land auf.
Wie oft muss man eigentlich verlieren, um genug zu haben. Kevin McCarthy will seinen Selbstversuch trotz krachender Niederlagen immer noch nicht abbrechen. Aber es geht bei diesem historischen Drama um viel mehr als nur um die Grenzen der Selbstachtung eines Politikers.
Die Partei von Abraham Lincoln und Ronald Reagan hat die Verantwortung für das Wohl Amerikas aufgegeben, denn die Macht haben endgültig jene, die sabotieren und zerstören wollen, statt zu gestalten und voranzubringen. Die Radikalen wollen Joe Biden um jeden Preis daran hindern, mit neuen, milliardenschweren Gesetzespaketen Punkte bei den Wählern zu sammeln. Aber wenn sie dafür alles nur blockieren, schaden sie dem Land und ihren eigenen Chancen bei den Wählern.
Wie könnte eine Einigung bei der Fraktion der Republikaner aussehen? Eine Einschätzung von ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen.
Abweichler stimmen für spontanen Gegenkandidaten
Alle Appelle an ihre Verantwortung zerschellten an der Lust zur Revolte. Als der Abgeordnete Jim Jordan mit einer fünfminütigen, flammenden Rede zur Wahl von Kevin McCarthy aufrief, schlugen die Abtrünnigen ihn kurzerhand als Gegenkandidaten vor.
Jordan hatte den Bibelvers aus dem Timotheusbrief zitiert: "Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, den Glauben gehalten." Das seien Worte der Tat, eben keine verzagten Worte, sondern Worte, die auf Amerika passten: "Das ist, was das amerikanische Volk will", so Jordan, "sie wollen, dass wir für das kämpfen, was ihnen wichtig ist, für das sie uns gewählt haben." Weil sie McCarthy das nicht zutrauen, stimmten im dritten Wahlgang alle zwanzig Abweichler für Jordan.
Vielleicht wird Jordan an diesem Mittwoch zum Sprecher gewählt.
Denn im Gegenzug für ihre Unterstützung bestehen sie auf die Einführung einer neuen Regel, nach der fünf Abgeordnete jederzeit ein Misstrauensvotum gegen den Pelosi-Nachfolger einbringen können.
Bei den Zwischenwahlen erlangten die Republikaner eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus. Nun scheitert ihr Kandidat McCarthy an der Wahl zum Vorsitzenden.
Ziel: Biden-Administration lahmlegen
Eine Mehrheit der Anwesenden - spätabends zum Beispiel nur wenige - soll dann reichen, um ihn oder sie zu stürzen. So wollen sie ihre Agenda diktieren, und die ist es nicht, Politik zu machen, sondern sie zu verhindern und die Biden-Administration mit Untersuchungsausschüssen lahmzulegen.
Man brauche dringend "Werkzeuge und passende Anführer", so der McCarthy-Gegner Chip Roy unverhohlen, "um zu verhindern, dass dieser Sumpf das amerikanische Volk weiter betrügt."
Viele Republikaner bestreiten Trumps Wahlschlappe
Roy und seine Gesinnungsgenossen sind längst mehr als nur ein Parteiflügel. Dreiviertel der Republikaner im Repräsentantenhaus bestreiten bis heute, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahl 2020 verloren hat. Aus diesem Kreis stammen 18 der 20 Abgeordneten, die gegen McCarthy und für Jordan stimmten.
Der Streit in der Partei schwächt die Agenda der Republikaner im US-Repräsentantenhaus - eine Chance für die Demokraten. Eine Einschätzung von ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen.