"Title 42" endet: Flüchtlingsansturm auf die USA bleibt aus

    "Title 42" endet:Flüchtlingsansturm auf die USA bleibt aus

    von Claudia Bates
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    US-Präsident Biden rechnete mit einer Flüchtlingswelle, nachdem der "Title 42" endete. Doch diese blieb aus. Die Regierung Mexikos gab Entwarnung. Wird es dabei bleiben?

    Eine Familie aus Venezuela bei einer Flüchtlingsunterkunft im US-Bundesstaat Mexiko.
    Eine Familie aus Venezuela bei einer Flüchtlingsunterkunft im US-Bundesstaat Mexiko.
    Quelle: AP Photo/Andres Leighton

    Eine "ruhige und normale" Situation herrsche am Freitagmorgen an der Grenze, ohne größeren Andrang oder bedeutende Zwischenfälle, so die mexikanische Regierung. Das Aufatmen in Washington darüber dürfte weithin zu hören gewesen sein, denn das ist mehr, als US-Präsident Joe Biden zu hoffen wagte.
    "Chaos für eine Weile" hatte er vorsorglich schon angekündigt. Seine Regierung hatte mit bis zu 14.000 Migranten täglich gerechnet, die über die Grenze aus Mexiko in die USA kommen, und bereits ab 8.000 sprechen die Behörden von einer "Welle".
    Ein Migrant wird an der Grenze zwischen Mexiko und den USA von einem Soldaten abgetastet
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    Zehntausende Migranten harren südlich der Grenze in Mexiko aus und warten auf ihre Chance. Mit der Aufhebung des Corona-Notstands endete eine Regelung der Trump-Regierung, nach der Menschen unter Hinweis auf die Epidemie ohne Asylverfahren zurückgewiesen werden konnten.

    Biden unter erheblichem Druck

    Kritikern galt dieser "Title 42" immer nur als Vorwand für eine rigorose Flüchtlingspolitik. Biden hatte im Wahlkampf eine humanere Politik versprochen, aber die Regelung kam ihm nicht ungelegen und gab ihm Zeit, einen schwierigen Spagat vorzubereiten: einerseits seinem Wahlkampfversprechen und den Forderungen seiner Partei nachzukommen, aber gleichzeitig zu verhindern, dass die Flüchtlingszahlen hochschnellen. Denn er steht unter erheblichem Druck von den Republikanern, die Biden "offene Grenzen" vorwerfen und Angst schüren.
    Die Regierung habe die bewusste Entscheidung getroffen, die Grenze für etwas zu öffnen, das nicht weniger als eine Invasion sei, so der republikanische Senator Ted Cruz. Das Thema Migration könnte wahlentscheidend sein, und so hängt für Präsident Biden vom Gelingen des Spagats nicht weniger ab als seine Präsidentschaft.
    Grenze USA-Mexiko
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    Wiedereinreiseverbot bei illegalem Grenzübertritt

    Und das soll so gelingen: einerseits illegale Grenzübertritte durch strenge Regelungen verhindern und damit den Republikanern den Wind aus den Segeln nehmen. Aber gleichzeitig mehr legale Wege in die USA eröffnen und damit den Erwartungen seiner eigenen Partei entsprechen.
    Wenn Migranten nun versuchen, die Grenze illegal zu übertreten, gilt für sie ein fünfjähriges Wiedereinreiseverbot, außerdem droht ihnen Gefängnis. Außerdem müssen Flüchtlinge zunächst in einem Transitland einen Antrag auf Schutz stellen, ansonsten haben sie das Recht auf Asyl in den USA verwirkt. Genauso, wie wenn sie keine legalen Wege zur Einwanderung nutzen.
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    US-Heimatschutzminister: "Grenze ist nicht offen"

    Über eine App sollen Migranten einen Termin bei der Grenzbehörde buchen, doch viele berichten, das System sei überlastet und funktioniere nicht. Auch Migrationszentren außerhalb der USA, z.B. in Kolumbien und Guatemala, sollen illegale Einwanderung begrenzen.
    "Die Grenze ist nicht offen", das betont US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas dieser Tage immer und immer wieder, der Plan der Regierung brauche etwas Zeit, aber werde erfolgreich sein. Momentan allerdings ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte auf einem Rekordhoch, zum Teil kamen in den vergangenen Tagen mehr als 10.000 Menschen täglich.

    Republikaner wollen Zahlen der Einwanderer gering halten

    Und für solche Zahlen ist das Asyl- und Einwanderungssystem der USA nicht konzipiert, es stammt aus einer anderen Zeit. Das Grundproblem ist also, dass der Kongress es seit Jahrzehnten versäumt, eine grundlegende Reform zu entwerfen und zu verabschieden. Die Parteien sind sich im Grundsatz nicht mehr einig, in welchem Maß Einwanderung überhaupt noch gewünscht ist in diesem Einwandererland.
    Während die Demokraten weiterhin den Wert der Einwanderer für die US-Gesellschaft betonen und auch internationalen Menschenrechtsverpflichtungen nachkommen möchten, möchten die Republikaner die Zahl der Asylsuchenden möglichst geringhalten. Durch drakonische Maßnahmen möchten sie möglichst viele Menschen davon abhalten, sich auf den Weg in die USA zu machen. Ex-Präsident Trump verkündete gerade, er werde die Trennung von Familien wieder einführen, sollte er wieder Präsident werden.

    Asylverfahren beschleunigen

    Je weniger erfolgreich die Migrationspolitik der Biden-Regierung ist, desto mehr werden solche Ankündigungen bei den Wählern verfangen. Die US-Regierung muss - auch ohne die Hilfe des Kongresses, der hier komplett versagt - drängende Probleme lösen. Asylverfahren müssten dringend beschleunigt werden, mehr als 1,5 Millionen Fälle sind vor Gerichten anhängig, die Verfahren dauern durchschnittlich mehr als fünf Jahre.
    "Titel 42" läuft aus - und jetzt?







    Das schafft einen Anreiz, in die USA zu kommen, denn in dieser Zeit bauen sich die Menschen längst ein Leben in den USA auf. Auch müsste die US-Regierung die Ursachen illegaler Migration in den lateinamerikanischen Herkunftsländern - Korruption, Armut, Gewalt - viel wirksamer angehen.

    Keine langfristige Stabilität der Migrationspolitik

    Bis der Kongress handelt, können die jeweiligen Regierungen nur improvisieren mit ihren völlig unterschiedlichen und gegensätzlichen Maßnahmen, die dann wieder vor Gericht angefochten und verworfen werden können. Ein systematischer Prozess ist so unmöglich und eine langfristige Stabilität der Migrationspolitik nicht in Sicht.

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